Zu Zeiten, als die Menschen vorwiegend körperlich gearbeitet haben, fiel der Ruhestand im Wesentlichen mit einem gewissen Verschleiß des Körpers, mit der Alterung der Glieder und einem Nachlassen der Muskelkraft zusammen. Die Tätigkeit ging einfach nicht mehr so recht, Arbeiten fielen schwerer oder waren nicht mehr möglich. Je nach Umfeld konnte man entweder kürzertreten, einen Teil der Aufgaben an Jüngere weitergeben oder ganz ausscheiden.
Seit der Verbreitung von Schreibtischarbeiten ist die rein körperliche Erschöpfung nicht mehr relevant. Es stellt sich die Frage nach dem angemessenen Alter für den Renteneintritt, aber auch nach Bedingungen und Auslösern für das Ausphasen aus der beruflichen Tätigkeit. Noch vor wenigen Jahren waren Argumente wie die tägliche Anfahrt, mangelnde Zeit für Familie und Freunde oder der Wunsch nach verstärktem privatem Engagement relevant.
Zunehmend höre ich von Langeweile und Perspektivlosigkeit. Die Arbeit erfüllt nicht mehr, die Luft ist raus, es reicht. Je nach Charakter geht das Spektrum der Auswirkungen von Lustlosigkeit über Depression bis Burn out. Die Menschen operieren hier oft an ihren Symptomen, beenden ihr Arbeitsverhältnis auf der Suche nach einer besseren Zukunft. Dabei flüchten sie vor sich selbst und laufen dabei sogar in eine Falle, denn nach Ausscheiden aus dem Dienst müssen sie sich erst recht selbst motivieren, Herausforderungen und Ziele selbst definieren und Erfüllung suchen.
Diese neue Lebensphase kommt mit Anforderungen, die viele Menschen seit der frühen Kindheit nicht mehr erlebt haben. Man kann sich seine Tätigkeit aussuchen, aber man muss es eben auch, ansonsten gammelt man durch den Tag. Die als langweilig wahrgenommene Arbeit war zumindest eine Pflicht, die zu einer gewissen Produktivität geführt hat.
Vorbauen, Planen und Gegenhalten in der Phase vor dem Ruhestand sind angesagt. Da stellen sich Fragen nach Veränderungen im beruflichen, aber auch dem privaten Umfeld. Passt es noch so, wie es sich vielleicht in den letzten Jahren und Jahrzehnten eingeschliffen hat? Bequem, aber auch zunehmend eintönig, der eigenen Entwicklung nicht mehr angemessen? Sind meine Bekannten eigentlich mehr Gewohnheit oder Freunde, sind nicht neue Menschen in mein Leben getreten?
Auch im fortgeschrittenen Teil der beruflichen Laufbahn ist mal wieder eine Orientierung empfehlenswert. Was hat sich über die Jahre als Stärke herauskristallisiert, in welchem Feld kann ich noch ein Schippchen zulegen? Kann ich über mein Netzwerk eine Veränderung bewirken, mein Tätigkeitsfeld ein bisschen oder sogar deutlich modifizieren?
Und dann? Wenn man nicht vorher stirbt oder bis zum Umfallen weiterarbeitet, ist irgendwann das Dienstende erreicht. Wer erst dann anfängt, sich für Sportvereine zu interessieren, der hat wichtige Vorbereitungszeit verschlafen. Hobbys müssen vorbereitetet, Bekanntschaften geknüpft, Randbedingungen geschaffen werden. Überhaupt ist die Wahl einer erfüllenden und spannenden Tätigkeit nach Renteneintritt nicht leichter als die Berufswahl als Jugendlicher. Nur, dass einem hier keine Berufsberatung und kein Arbeitsamt hilft. "Mach einfach, was dir Spaß macht" ist zwar ein freundlicher Rat, aber für viele ist gar nicht so einfach zu sagen, was ihnen Spaß macht.
Dem Strom nach, wie schon seinerzeit: Die Tätigkeit oder das Studium, das auch die anderen anpeilen. Unbemerkt fremdgesteuert ohne persönliche Impulse, vorwiegend extern motiviert oder auf der Suche nach äußerer Bespaßung. Da taucht eine Leere auf, der man doch eigentlich zu entgehen hoffte, Langeweile weil der Sinn durch berufliche Daseinsberechtigung weggefallen ist.
So geht dann der Ruhestand in eine Tätigkeitslosigkeit über, unerfülltes Weiterleben bis zum Ende. "I did it my way"
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