Donnerstag, 30. Juli 2020

Das Märchen vom Anwendungsmanager

Es war einmal ein armer Anwendungsmanager. Der zog von Abteilung zu Abteilung und bat um Beschäftigung. Mal blieb er ein Jahr in einer Gruppe, mal durfte er sich auch länger mit einem Computersystem beschäftigen.

Im Laufe der Jahre nun kannte er sich mit den Tricks und Kniffen immer besser aus. Auch wuchs sein Wissen um die typischen Schwachstellen und durch die lange Wandertägigkeit hatte er sich neben einem umfangreichen Erfahrungsschatz auch ein beachtliches Netzwerk aufgebaut.

Ohne sich dessen allzu bewusst zu werden, hatte er bei seinen Kollegen wie auch bei seinen wechselnden Führungskräften einen guten Ruf. Und so wurde er immer mal wieder mit zusätzlichen Aufgaben betraut, die andere nicht in seiner Qualität erledigt hatten. Das machte ihn sehr stolz und er freute sich, dass er neben seinem eigentlichen Aufgabengebiet mehr und mehr fremde Tätigkeiten übertragen bekam.

Damit nahm er natürlich seinen Kollegen viel Arbeit ab. Das nahmen sie ihm aber gar nicht krumm, sondern lobten ihn für seinen Fleiß, während sie es sich bequem machten. Und auch die Führungskräfte schätzten ihn als zuverlässigen Mitarbeiter, der jede ihm übertragene Sache in bester Qualität bearbeitete.

In seiner Zufriedenheit und motiviert vom Lob merkte er nicht, dass seine Arbeitslast immer größer wurde. Hatte er früher seine vertraglichen Stunden abgeleistet, nahm inzwischen die Zahl der Überstunden immer weiter zu. Ja, es kam sogar häufig vor, dass er die Arbeitszeit mit schlechtem Gewissen gar nicht mehr angab, um eine Überschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Maximalstunden zu vertuschen.

Denn unser armer Anwendungsmanager konnte sich einfach nicht entscheiden, welche der vielen und für das Unternehmen ja offensichtlich auch unentbehrlichen Arbeiten er abgeben könnte. Und die  Führungskräfte bekamen in ihren Management-Dashboards auch nur Status grün gemeldet und beglückwünschten sich für die gute Besetzung der Stelle. 

Und so hört die Geschichte mit dem Ende auf, denn der Geist war zwar willig, aber das Herz war schwach.

Sonntag, 26. Juli 2020

... und habe sie deshalb gelöscht

Diese Geschichte geht zurück auf eine Anekdote, die mir ein Kollege vor einigen Jahren erzählte. Er hatte seinerzeit eine E-Mail verfasst, in der er einem Juristen einen Fall darlegte und allerlei Hintergrundinformationen mitteilte.
Nun wartete er auf eine Reaktion, eine Rechtsberatung durch den Angeschriebenen. Nichts passierte. Nach einigen Tagen schrieb er also erneut eine E-Mail und fragte nach. Lapidare Antwort des Juristen: "Ich konnte Ihrer E-Mail keinen Aufforderungscharakter entnehmen und habe sie deshalb gelöscht."

Tja, so kann es gehen. Zwei Schlüsse habe ich daraus gezogen.

(1) Ich lese an mich gerichtete E-Mails auch unter dem Gesichtspunkt, ob ich zu irgendeiner Handlung aufgefordert werde. Nicht selten erwische ich mich dabei, dass ich spontan auf den "Antworten"-Knopf drücke und auf eine rein informative Nachricht reagiere. Schlimmstenfalls sogar an einen ganzen Verteiler.
Das interessiert niemand und wird ja auch gar nicht von mir erwartet. Entsprechend kann ich mir das also sparen.

(2) Ich schreibe E-Mails klar und deutlich. Wenn der Empfänger etwas machen soll, dann steht das im Betreff und in der ersten Zeile des E-Mail-Textes. "Lieber Herr Soundso, können Sie bitte xy für mich machen." Je nach Couleur empfiehlt es sich, gleich auch noch ein Zieldatum (Juristen reagieren oft nur auf Fristsetzungen) hinzuzufügen.
Das macht mir (beim Strukturieren meiner Gedanken / was will ich eigentlich von der Gegenseite) und auch dem Angeschriebenen (für seine Planung / Abarbeitung) das Leben leichter.

Wenn Sie also demnächst eine E-Mail mit einer schönen Erzählung zum Beispiel über die Vorgeschichte eines Sachverhaltes bekommen oder nur in CC drauf stehen: einfach mal löschen.
Sie wissen ja jetzt, was Sie bei Nachfrage antworten können.

Montag, 13. Juli 2020

War Goethe bei uns?

Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie! Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug, als wie zuvor;
Bekannt? Ein Ausschnitt aus Goethes Faust. Und doch: Aktuell wie seinerzeit, man möchte fast meinen, er wäre bei uns gewesen.

Gerade heute war wieder so ein Tag, an dem ich mich mit Berechtigungsmanagement herumgequält habe. Egal, was man alles studiert hat, man steht da wie ein armer Tor. Lauter unbekannte Abkürzungen, ungewohnte Abläufe, verwobene Strukturen. Undurchdringlicher Dschungel für Außenstehende, oder sollte ich gar „Kunden“ sagen?

Gutmeinend erhalte ich ein umfassendes Informationsangebot, Dokumente en masse, den ernstgemeinten Hinweis, dass mir das Einführungsprojekt hilft. Aber es ist mehr als das. Es ist ein zusätzlicher Baustein meiner Arbeit, eine weitere Erhöhung meiner Arbeitslast. Ohne Ausgleich, Erleichterung oder Wegfall anderer Tätigkeiten. Einfach nur mehr, noch mehr.

Was sagt Goethe dazu?
Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel – Dafür ist mir auch alle Freud entrissen…

Wie entsetzlich. Der Weg ist geebnet für die Freudlosigkeit, ein Umfeld, in dem Unternehmenskultur, Werte und Haltungen kaum Boden finden können. Oder haben Sie – um im Bild zu bleiben – schon mal versucht, auf trockenem Grund zu säen?
Es ist dringend geboten, hier gegenzusteuern.

Das wird nächstens schon besser gehen, wenn Ihr lernt alles reduzieren und gehörig klassifizieren.
Also, ist die Botschaft von Goethe, zur Handhabung dieser erdrückenden Situation ist die Reduktion ein Kernelement. Was im Gesamtwerk sich in Klassen aufteilen, verteilen, und damit in alltagstaugliche Portionen lässt. So einfach ist zwar noch keine endgültige Lösung geschaffen, die erfordert eine gesamtheitliche Betrachtung und Behandlung; aber das Verständnis, dass ein immer Mehr an Wissen oder Bildung früher oder später bei jedem an eine Grenze stößt ist elementar. Diese Erkenntnis bildet unsere Abgrenzung zu Träumen von der extrapolierten Fortsetzung einer Verdichtung oder Qualifizierung der Mitarbeiter.