Montag, 31. August 2020

Ich liebe meine Bohrmaschine

Seit mehreren Stunden sitze ich im Büro an der Beantwortung von Fragen für unseren Bereich Compliance. Obwohl mein Schreibtisch dank papierlosem Büro weitgehend leer ist, kann ich das von meinem Arbeitstag nicht behaupten. Da zieht sich die Bearbeitung dieser für mich lästigen Fragen wie eine endlose Strafarbeit dahin. Damit nicht genug, seit dem letzten Durchgang hat sich der Fragenkatalog geändert und – was schlimmer ist – auch die Bedienung des Eingabesystems ist jetzt anders.

Ich schwanke zwischen Resignation und Verzweiflung. „Was macht ihr da mit mir, wofür vergeudet ihr meine Lebenszeit und euer Geld“, möchte ich rufen. Aber es würde natürlich niemand hören. Und deshalb nehme ich meine Frustration still in mich auf.

Endlich Feierabend. Ich lasse den Rest für morgen liegen, stehe auf und mache eine Pause. Eine gute Gelegenheit, nach neuen Nachrichten meiner Freunde zu schauen. Doch was ist das? Meine App verweigert den Dienst, verlangt zwingend nach einer Aktualisierung. Zähneknirschend sorge ich für die Bereitstellung der neuen Version und lasse sie installieren. Und – das war ja zu erwarten: Die Bedienung hat sich geändert. Natürlich alles (aus der Perspektive der Entwickler) viel besser, aber ich finde nichts mehr.

Wieder meldet sich meine innere Stimme: „Warum macht ihr das? Könnt ihr nicht beim ersten Wurf so weit denken, dass nicht regelmäßig Änderungen notwendig sind, die mir die Nutzung vergällen?“ Doch ich bleibe stumm, denn was bringt es schon, meine Meinung in die Unendlichkeit des Internet hinauszurufen.

Am Ende des anstrengenden Arbeitstages und einer frustrierenden Pause laufe ich die Treppe hinunter in die Werkstatt. Das letzte bearbeitete Holzstück liegt noch auf der Hobelbank, meine Bohrmaschine daneben. Den Stecker in die Steckdose, Schalter betätigt und – sie läuft. Einfach so. Ohne Compliance-Fragen. Ohne Update, und das seit Jahrzehnten.

„Schöne alte Welt“, flüstert mir irgendetwas ins Ohr. Und Recht hat diese Stimme. Außer mir hört sie zwar niemand, aber jetzt habt ihr es ja gelesen.

Freitag, 21. August 2020

Mein Kleiderschrank ist voll

Dieser Tage habe ich einen Blick in meinen Kleiderschrank geworfen. Er ist voll.
Die Organisationseinheit ist ausgelastet.

Naja, was heißt voll, man muss halt ein wenig drücken, dann gehen noch ein paar Hemden rein.
Arbeitsleistung mit den verfügbaren Mitteln erhöhen.

Bei genauerer Betrachtung kann ich noch ein bisschen mehr unterbringen, wenn ich die Kleiderbügel durch schmalere Modelle ersetze.
Optimierungsmaßnahmen einleiten, um die Arbeitskraft der Mitarbeiter besser ausnutzen zu können.

Nach einigen Einkäufen geht aber auch mit den dünnen Kleiderbügeln nichts mehr in den Schrank. Ich muss mal ein wenig ausmisten.
Prozesse überprüfen, Produktportfolio straffen.

Einkehr im Outlet sorgt für erneute Enge.
Neue Produkte, Arbeitsabläufe, Aufträge und so weiter steigern die Belastung wieder auf Volllast.

Ich frage einen Freund, ob er einen guten Rat hat. Er empfiehlt Mehrfach-Kleiderbügel, jetzt kommen die Hosen untereinander.
Unternehmensberater werden hinzugezogen. Prozesse parallelisiert.

Der gewonnene Raum wird durch Zukäufe wieder gefüllt, ein neuer Anzug passt nicht mehr hinein, er muss neben dem Schrank hängen.
Outsourcing als zusätzliche Option.

Aber irgendwann ist auch dieser Platz voll. Nichts geht mehr.
Die Organisationseinheit ist überlastet, Outsourcing an seiner Grenze angekommen.

Ich kaufe einen zweiten Kleiderschrank.
Die Personaldecke wird aufgestockt.

Freitag, 7. August 2020

Homeoffice – oder: wann regnet es endlich mal wieder?

 Als Rudi Carrell 1975 uns singend fragte, wann es endlich mal wieder Sommer wird. Da waren Sommer auch mal verregnet, wechselhaft und unwirtlich. Urlaub im sonnenverwöhnten Süden war der Traum vieler Familien. Wer es sich leisten konnte, der fuhr mit Sack und Pack zwei Wochen nach Spanien, legte sich an den Strand und tankte Sonne. Endlich dieses entspannende Klima, und das Ganze auch noch in der typischen Urlaubsatmosphäre. Aber nach 14 Tagen war es dann auch genug. Immer nur heiß, eigentlich auch ein bisschen langweilig und zur Abwechslung könnte ja auch mal ein kleiner Regenguss kommen.

So habe ich Anfang 2020 vor mich hingeträumt, dass ich mal nicht werktäglich nach Frankfurt muss. Nicht in den Menschenmassen der S-Bahn, nicht in den vollen Fahrstuhl, nicht in die mittäglich überfüllte Kantine. Arbeiten von zu Hause war für mich und vermutlich viele andere ein Traum. Wer sich diesen Luxus leisten konnte oder vom Arbeitgeber ermöglicht bekam, war beneidenswert. Fahrzeit sparen, die Arbeitszeit über den Tag verteilen, bedarfsweise mal zum Arzt oder zur Autowerkstatt ohne große Organisationsumstände.

Und dann kam Corona. Das Homeoffice war da. Nicht vorübergehend, sondern über Nacht als Normalzustand. Nach einigen Wochen war der anfängliche Charme verflogen, die romantische Vorstellung vom angenehmeren Arbeitsleben der Realität gewichen. Fehlende persönliche Kontakte, Probleme in der Abtrennung von Arbeitszeit zur Freizeit und tatsächlich kaum noch Pausen zwischen den zahlreichen Telefonkonferenzen. Jetzt wäre ein kleiner Regenguss – sprich ein klassischer Arbeitstag wie früher - mal wieder eine willkommene und durchaus erholsame Abwechslung.