Wohlig die Wärme. Ich bin umgeben von warmem Wasser, ich fühle mich so leicht. Der Duft von Lavendel aus dem Badezusatz steigt mir in die Nase. Auf der Zunge noch die Erinnerung an das Abendessen, in den Ohren eine Melodie aus dem Radio.
Aus dem Radio? Wie kann das sein, schließlich ist hier kein Radio und ich habe auch kein Empfangsgerät im Haus eingeschaltet. Doch tatsächlich: Ganz leise höre ich so etwas wie Musik, ein Zirpen nur, das ist keine Einbildung. Ich höre auf zu Plantschen, ganz still wird es im Zimmer und umso deutlicher höre ich jetzt feine Geräusche. Ich lausche eine Weile, die Musik verstummt und fast meine ich, eine Stimme zu hören, die so etwas wie Nachrichten vorliest.
Als könnte ich diesen Spuk durch Ungeschicklichkeit beenden gleite ich nahezu lautlos aus der Badewanne, nehme mir ein Handtuch und schaue mich im Zimmer um. Wo mag die Quelle der akustischen Überraschung liegen? Von den Außenwänden kann es so wenig kommen wie von der Trennwand zum Schlafzimmer. Auch die Türe kommt nicht in Betracht. Dann fällt mein Blick auf den Versorgungsschacht. Bingo! Ich nähere mich und das Wispern wird deutlicher. Immer noch sehr verhalten, aber deutlich wahrnehmbar. Im Schacht laufen die Wasser- und Lüftungsrohre sowie ein paar Elektroleitungen, ich stelle mir die Frage, woher Radioempfang kommen könnte.
Vorsichtig öffne ich die Revisionsklappe. Dunkelheit, nur die wärmegedämmten Flexrohre glänzen mir entgegen. Ich halte die Luft an, schließe die Augen und lausche – jetzt ist wieder Musik zu hören, klassische Musik meine ich zu identifizieren. Behutsam greife ich in den Schacht, stecke meine Hände zwischen die weichen Luftrohre, drücke die Aluummantelung etwas auseinander. Stille. Keine Musik mehr, keine Stimme, nichts. Ich warte einen Moment, aber es bleibt stumm, war es doch nur Einbildung, frage ich mich, während ich die Hände zurückziehe.
Ist da nicht wieder die klassische Musik, jetzt, da die Alurohre sich wieder aneinander schmiegen? Wieder mit den Händen rein – Stille – Hände raus – Musik. Langsam wird mir klar, dass die Metallrohre wie eine Antenne wirken, dass durch den ganz speziellen Bau, genau diese Berührungsfläche und exakt diese Abmessungen ein Schwingkreis entstanden ist, der einen langwelligen Radiosender empfängt. Vermutlich müsste man lange rechnen, um gezielt solch eine Apparatur zu bauen, durch Zufall ist sie in meinem Haus ganz von allein entstanden.
Und so stehe ich noch eine Weile, höre mit geschlossenen Augen den Geräuschen zu, die auf so geheimnisvolle Weise von weit her durch die Wände zu mir kommen.