Gemütlich sitze ich im ICE, schaue den Gang entlang auf die Anzeige. Ich merke überhaupt nicht, dass sich der Zug mit fast 200 Stundenkilometern bewegt. Ein Blick aus dem Fenster: Die Landschaft zieht ruhig an mir vorüber, lediglich das hektische Passieren der Strommasten lässt mich erahnen, wie zügig wir unterwegs sind.
Andererseits ist der Sitz vor mir ganz ruhig, er bewegt sich (relativ zu mir) gar nicht. In dem dahinrasenden Zug kann ich auch zum Speisewagen gehen ohne einen Spurt einlegen zu müssen. Und ich habe den Eindruck, dass die Häuser entlang der Strecke in Bewegung sind, obwohl sie doch fest gemauert sind und der Zug an ihnen vorbeifährt. Die Bewegung ist eben relativ, das ist für mich ganz selbstverständlich.
Doch die Selbstverständlichkeit endet, wenn es um den eigenen Lebensweg geht. Da sitze ich bildlich auch im Zug, Mitmenschen, Szenen, Arbeitsstellen und Beziehungen ziehen an mir vorbei. Und wie bei der Eisenbahn ist auch hier die Bewegung relativ. Nicht mein Umfeld zieht an mir vorbei, nein, ich bin es, der voranschreitet. Meine Freundschaften kommen und gehen. Orte und Lebensphasen wie die Schulzeit verändern sich nicht (oder nur wenig), nur dass ich nicht mehr Teil davon bin. Die hohen Bäume im Wald haben schon so manchen Wanderer gesehen und recken möglicherweise ihre Zweige auch noch lang nach meinem Tod in die Gegend.
Die Vergänglichkeit des Augenblicks und des gesamten Lebens ist aber nur ein Teil. Daneben steht das vorübergehende Tangieren anderer Leben, anderer Umstände. Wer mehrmals an denselben Urlaubsort fährt erlebt das sehr anschaulich. Sei es, dass dort „die Zeit stehengeblieben“ ist, sei es, dass man sich gar nicht mehr zurechtfindet. Im ersten Fall passiere ich mit meinem ICE wieder den Regionalzug, im zweiten Fall ist es umgekehrt.
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