Montag, 30. Dezember 2024

Und dann kam Microsoft Teams

Sobald zwei Menschen oder mehr zusammen sind - erst recht bei größeren Ansammlungen - ist es schwierig, sie auf denselben Wissensstand zu bringen. Zunächst ist grundsätzlich unmöglich, sich in gleicher Tiefe auszutauschen, da wir Individuen sind und über unterschiedliche Erfahrungen, unterschiedliches Grundwissen und verschiedene Intelligenz verfügen. Aber selbst die gleichmäßige Verteilung von Informationen ist ein bislang ungelöstes Problemfeld. Wer muss was wissen, wer darf etwas wissen, wer darf etwas nicht wissen. "Need-to-know" nennen das die Datenschützer und meinen, sie hätten die Schwierigkeiten damit gelöst.

Aber so einfach ist das nicht. Die für die Arbeit notwendige Informationsmenge variiert nämlich erheblich. Ob ein Sachbearbeiter nur gemäß Vorgaben agiert oder bei seinen Fällen auch zusätzliche Details berücksichtigt, ist neben seinem Charakter auch eine Frage des Spielraumes. Niemand wird in Frage stellen, dass eine Unterversorgung an Daten die Qualität verschlechtert, auf der Basis mangelhafter Informationen ist keine valide Entscheidung zu treffen.

Aber auch das Gegenteil, also die Überversorgung verringert die Qualität. Das kann daran liegen, dass die Informationen nicht konsistent sind, sich also unterscheiden oder gar widersprechen. Es kann aber auch die schiere Quantität sein, aus der nach individuellen Relevanzkriterien der entscheidende Teil herauskristallisiert werden muss. Im Datalake zu fischen ist je nach Größe des Sees und Ausführung der Angel ein mühsames und aufwandsintensives Unterfangen.

Und dann kam Microsoft Teams


Und jetzt kommt Microsoft Teams. Ein Tool, in dem alle Informationen drin sind, alle Dateien, Zeichnungen, Termine, Telefonnummern und Chatnachrichten. Kein Datalake, aber ein Data-Planschbecken. Fröhlich springen die Fortschrittsbegeisterten hinein, hier und da spritzen Fontänen von Wissen hervor, man findet irgendeine Information und kann sich auf dieser Basis weiterhangeln. Ein Zusammenhang ist grundsätzlich herzustellen, eine Struktur scheint sich auf den ersten Blick ausbilden zu können.

Aber was wäre ein kleiner Datensee ohne Wellengang? Bei Ergänzung eines Stroms im Kanal wird der Beitrag vom ursprünglichen auf das aktuelle Datum verschoben, das visuelle Gedächtnis damit erfolgreich ausgehebelt. Und da zu jedem Gespräch ein neuer Chat aufgemacht wird, ist nicht nur die Anzahl der abgelegten Dateien zu überblicken, sondern auch in Erinnerung zu behalten, in welchem Zusammenhang wer was geschrieben haben könnte. 

Haben sich viele Büroarbeiter vor einiger Zeit noch über die Flut an E-Mails beschwert, erinnern sie sich jetzt wehmütig an die Zeiten, als dies der einzige und zudem recht gut strukturierbare Eingangskanal war. Etwa so, als ob man sich ehedem über die verlorene Schwimmnudel im Nichtschwimmerbecken ereifert hat, um nun festzustellen, dass man im Schwimmerbecken den Boden unter den Füßen verloren hat.

Montag, 23. Dezember 2024

Weihnachten 2024 in Zahlen

An den sieben größten Flughäfen in Deutschland werden für die Weihnachtstage 5.222.000 Fluggäste erwartet.
Die beliebtesten Ziele sind Kanaren, Türkei und Ägypten. Für diese Flugreisen geben die Deutschen über 5,2 Milliarden EUR aus und verbrauchen über 1 Milliarde Liter Kerosin.
Dazu kommen die Autofahrer: Mehr als die Hälfte (43 Millionen) Einwohner fahren zur Familie oder zu Freunden und legen dazu rund 17,6 Milliarden Kilometer zurück, wofür sie in Summe rund 1 Milliarde Liter Kraftstoff verbrauchen. 

Über 500.000 Menschen erleben das Weihnachtsfest in Unterkünften für Obdachlose, die Dunkelziffer der nicht registrierten Personen, die auf der Straße leben ist unbekannt. Etwas über 43.000 Personen verbringen die Weihnachtstage im Gefängnis.

In der Vorweihnachtszeit werden etwa 150 Millionen Schokoladen-Weihnachtsmänner verzehrt. Rund 30 % der Familien freuen sich auf Würstchen mit Kartoffelsalat, 11,8 % machen Fondue oder Raclette und weitere 5 % legen den Schwerpunkt auf vegetarische oder vegane Speisen. 
Am ersten oder zweiten Weihnachtstag landen etwa 12 Millionen Gänse gegart auf den Tischen.
Der Absatz von Wein und Sekt steigt in der Weihnachtszeit um etwa 30 %. 

Unter rund 25 Millionen Weihnachtsbäumen liegen Geschenke für 35 Milliarden Euro. Rund 20 bis 25 % des gesamten Jahresumsatzes im Einzelhandel entfällt auf das Weihnachtsgeschäft (November und Dezember). Insgesamt wurden in Deutschland während der Weihnachtszeit etwa 715 Millionen Sendungen transportiert.

Etwa 7 Millionen Kinder unter 12 Jahren freuen sich auf die Bescherung, überschattet von einer emotional aufgeladenen Zeit, in der etwa ein Viertel der Erwachsenen streiten, insbesondere über die Organisation der Weihnachtstage (34 %) und Beziehungsproblemen (25 %).

Im Durchschnitt arbeiten 19 % der Angestellten auch um Weihnachten herum, im Gastgewerbe bleibt rund ein Drittel im Dienst. Allerdings bleibt die Hälfte der Berufstätigen für Kollegen und Vorgesetzte erreichbar.

Montag, 16. Dezember 2024

Let there be smile

Vor einigen Wochen war ich in einer Veranstaltung, in der man besser nicht in der ersten Reihe sitzt. Unweigerlich wird man in die Show mit einbezogen, „der Herr hier vorne, wie heißen Sie, ach, Eckhard, ja kommen Sie doch mal auf die Bühne“. Und kann dann unter allgemeinem Applaus die Bespaßung des Publikums ergänzen. Mehr oder weniger peinlich.

Aber es war anders. Zwar hatte ich mit meiner Frau naiverweise tatsächlich einen Randplatz in der zweiten Reihe gebucht. Und tatsächlich wurden wir – im Nachhinein vielleicht wenig überraschend – auf die Bühne gebeten. Doch wurden wir dort einfühlsam und freundlich in Empfang genommen. Keine Peinlichkeit, eine charmante Teilnahme an der Performance.

So ging es den ganzen Abend weiter. Welche Zuschauer auch in die Show einbezogen wurden, alle bekamen ein authentisch wirkendes Kompliment zu hören, wurden mit fühlbarem Lächeln begrüßt, begleitet und verabschiedet. Selbst kleine Pannen und Ungeschicklichkeiten der Laiendarsteller führten zu positiven Äußerungen.

Über dem ganzen Umgang schien ein Lächeln zu liegen. Es war weniger die fröhliche Grundstimmung, mit der ich am Ende der Veranstaltung den Saal verließ. Es war auch nicht die schöne Erinnerung, die am nächsten Tag ein Thema am Frühstückstisch war. Es war der Eindruck, dass es dem Conférencier gelungen war, jeden aber auch jeden Satz mit einem positiven Grundton zu versehen.

Eine große Leistung, wie ich bei dem in den nächsten Tagen durchgeführten Selbstexperiment feststellen musste. Nein, es fiel mir gar nicht leicht, jedem Satz ein aufmunterndes, wertschätzendes oder sonstwie motivierendes Wort mitzugeben. Überall einfließen zu lassen, dass in der Aktion meines Mitmenschen, in seinen Äußerungen oder seinem Verhalten zumindest ein positiver Kern sein müsste.

Das hat ja nichts damit zu tun, dass man alles richtig findet. Auch nicht damit, dass man kritiklos Verfehlungen aufnimmt. Aber mit dem Grundgedanken „von den hundert Vokabeln sind nur zehn richtig, aber das ist doch ein guter Anfang und mit Energie schaffst du die restlichen neunzig auch noch“ lässt man sein Gegenüber doch eher lächeln als mit einer barschen Konfrontation seiner Minderleistung.

Und genau in dem Sinne mache ich mich auf und sage mir „von den dreiundzwanzig Sätzen, die ich heute geschrieben habe, sind zwar nur zehn wirklich positiv, aber das ist doch ein guter Anfang und mit Energie optimiere ich die restlichen dreizehn auch noch.“

Montag, 9. Dezember 2024

Der Segen eines schlechten Gedächtnis

Segen eines schlechten Gedächtnis
Im Gegensatz zu Computern neigen Menschen dazu, Dinge zu vergessen. Da hat man sich Wissen angeeignet, vielleicht eine Szene gemerkt oder einen Mitmenschen kennengelernt. Und ein paar Tage später ist es dann wieder weg. Wie hieß das Teil noch mal, was hatte die Frau auf der Party an und welchen Namen hatte der Mann, mit dem ich mich im Zug unterhalten habe?

Das ist dann recht lästig, man kann so lange grübeln wie man will, der Name taucht nicht mehr aus dem See des Vergessens auf. Spätestens bei der nächsten Begegnung muss man das kleinlaut zugeben oder versteckt versuchen, die Wissenslücke wieder zu füllen.

Ein positiver Aspekt ist aber das Vergessen von unangenehmen Erlebnissen, sei es in Form von Verdrängung oder in Form von Verarbeitung. Da vergoldet sich die Erinnerung an die Schulzeit, weil die Hänseleien der Mitschüler und die Dispute mit den Lehrern ausgeblendet werden. Erst recht ein Segen ist das Vergessen nach Kriegserlebnissen oder anderen traumatischen Erfahrungen.

Aber selbst das "kleine Vergessen" hat seine guten Seiten. Wenn ich mir meine Geschichten nicht gut merken kann, sind auch Lügen nicht meine Königsdisziplin. Wem ich welche Version der Story erzählt habe und wer welche Details kennt, muss ich mir merken können, sonst ist mein Phantasiegebäude auf Sand gebaut.

Eine sehr unschöne Eigenschaft ist es auch, nachtragend zu sein. Was aber von vornherein nur geht, wenn man sich bestimmte Dinge längerfristig merken kann. Damit ich meinem Mitmenschen sein Fehlverhalten von vor vielen Jahren auftischen kann, muss ich mich daran erinnern können, muss die Erinnerung so gegenwärtig sein, dass ich sie spontan abrufen kann.

Wie fast alle Funktionen des Gehirns kann man aber auch das Behalten oder Vergessen ein wenig beeinflussen. Wer sich Dinge nun mal gut merken kann, muss ja deswegen nicht automatisch nachtragend sein. Hier kann man einen Riegel vorschieben und im Sinne von „Vergeben und Vergessen“ das eine mit dem anderen koppeln.

Und so lange Vergesslichkeit noch nicht pathologisch ist, kann man durch Auffrischung, Nutzung des erworbenen Wissens oder Beschäftigung mit einem Thema viel mehr Informationen greifbar halten. So funktioniert bei vielen bewunderten Mitmenschen deren vermeintliches Elefanten-Gedächtnis. Sie verknüpfen Informationen, durchdenken sie und sprechen mit anderen darüber.

Zentral jedenfalls, sich nicht über das eigene schlechte Gedächtnis zu grämen. Ein ständig kritisiertes Gehirn ist (unbemerkt) auch frustriert und merkt sich immer weniger. Oder ist enttäuscht, weil es uns mit seinem Vergessen etwas Gutes (im Sinne Verarbeitung) liefern wollte.

Gedächtnisforscher machen den Hippocampus dafür verantwortlich und sprechen bei Blackout tatsächlich von einer Art Verweigerungshaltung dieser Hirnregion. Es scheint nur auf den ersten Blick abwegig, sich auch mit seinem Gehirn zu beschäftigen, seine Leistung zu beobachten und an gewissen Stellen zu sich zu sagen: „Ein Segen, das mit dem schlechten Gedächtnis.“

Montag, 2. Dezember 2024

Whack A Mole

Da gab es auf dem Jahrmarkt doch diese Kästen, aus denen Köpfe zufällig nach oben schnellten. Man hatte einen Hammer in der Hand und musste ganz schnell reagieren und die auftauchenden Köpfe treffen. Was nicht ganz einfach war, da sie sofort wieder verschwunden waren. Spielerisch sollten es Maulwürfe sein, die mal eben aus dem Boden auftauchten und die man im Augenblick des Erscheinens abklatschen musste. Aufmerksamkeit war gefragt und Reaktionsgeschwindigkeit.

Die moderne Form dieses Spiels funktioniert so, dass in der linken unteren Ecke des Computerbildschirms ein Hinweisfenster erscheint. Hat man sich gerade noch auf eine Exceltabelle in der Bildmitte konzentriert oder ein Dokument links gelesen, muss der Blick jetzt ganz schnell zum dem Popup wandern. Doch schon ist es weg, wie ein Maulwurf wieder in der Taskleiste verschwunden.

Was war das eben? Der Hinweis auf eine E-Mail? Ein Blick in den Posteingang: Fehlanzeige. Oder war es die andere Mailbox? Nein, da ist auch kein neues Schreiben eingelaufen. Also, dann muss es Microsoft Teams sein, aber handelt es sich um eine Chatnachricht, einen neuen Beitrag in einem der vielen Kanäle oder eine Erwähnung? Grübeln hilft nichts, der Maulwurf ist verschwunden, fast könnte man sich jetzt etwas frustriert wieder der unterbrochenen Arbeit widmen, käme da nicht schon wieder ein neuer Maulwurf. Diesmal habe ich ihn gesehen, es war der Hinweis auf eine Aktualisierung, die konnte man ja gar nicht in den Kollaborationskanälen sehen.

Wie gerne stände ich jetzt auf dem Jahrmarkt, je nach Jahreszeit ein Bier oder einen Glühwein im Bauch und einen Hammer in der Hand, um dem auftauchenden Maulwurf zwar nicht mit steigender Geschwindigkeit aber mit zunehmend aggressiver Grundhaltung einen kräftigen Hieb zu verpassen. Stattdessen streichle ich liebevoll meine Maus und verschiebe die Computer-gestützte Maulwurfjagd auf die Mittagspause.