Das "Kölner Grundgesetz", eigentlich das Kölsche Grundgesetz, ist keine offizielle Gesetzessammlung, sondern eine Sammlung von elf kölschen Lebensweisheiten, die eine gelassene und humorvolle Grundhaltung gegenüber dem Leben und neuen Entwicklungen ausdrücken. Es besteht aus Sprüchen auf Kölsch, die die kölsche Mentalität und Kultur widerspiegeln.
Setzen wir unseren Blick hinter die lustigen Aussagen fort und ergründen ihren philosophischen oder psychologischen Gehalt, insbesondere aber auch die Botschaften und die verschiedenen Seiten deren Interpretation. (-> Artikel 1..4)
Artikel 5: Et bliev nix wie et wor.
Dass die Welt sich dreht und das Wasser den Rhein herunterläuft, war den Kölnern schon vor Jahrhunderten klar. Zweifellos erfahren wir in der heutigen Zeit eine Dynamik, die wir bisher nicht erlebt haben. Grundsätzliche Veränderungen sind häufiger als eine Menschengeneration, dauernde Anpassung ist unabdingbar.
Wenn man dies im Hinterkopf hat, liegt es nahe, sich auf Veränderungen einzustellen, von vornherein Flexibilität in das Leben zu integrieren. Heutige Lösungen, aktuelles Wissen, etablierte Abläufe, alles ist im Fluss und Evolution oder gar Eruption unterworfen.
Doch andererseits scheint es dann wenig sinnvoll, sich ausführlich mit dem heutigen Stand zu beschäftigen. Morgen passt es ja ohnehin nicht mehr, gibt es dies oder jenes nicht mehr oder läuft ganz anders. Warum also Energie in Optimierung stecken, die ja nur eine begrenzte Halbwertszeit hat.
Überhaupt wird damit der Aspekt der Nachhaltigkeit in Frage gestellt. Langfristig zu denken passt nicht zur Einstellung, dass sich die Bedingungen unabsehbar ohnehin ändern. Strategie spielt eine Rolle, aber auf heutigen Daten kann man nicht aufsetzen, da sie nicht in die Zukunft übertragbar sind.
Artikel 6: Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet.
Gerade Beratungshäuser leben davon, dass sie immer wieder Trends entdecken, Neuerungen ausrufen und vehement für die Berücksichtigung dieser Themen eintreten. Wer nicht mitmacht, muss mit schlimmen Konsequenzen rechnen, beängstigende Szenarien werden wortreich ausgemalt.
Hier mit Augenmaß zu agieren ist ein Gebot der Stunde. Nicht jeder Megatrend ist wirklich so zentral, nicht jede avisierte Kundenerwartung tritt wirklich so ein. Neuerungen darf man also getrost mal in Frage stellen, die Relevanz auf sein persönliches Umfeld prüfen und im Zweifelsfall erst mal zurückhaltend agieren.
Wenn dies aber zur allgegenwärtigen Haltung wird und jede Veränderung als beängstigendes Ändern der Gewohnheit und Verlassen der Komfortzone verstanden wird, dann sind auch sinnvolle Entwicklungen von vornherein blockiert.
Wer alles, was er nicht kennt als entbehrlich verwirft, der distanziert sich innerlich von jeder Form des Lernens. Es ist sozusagen das Gegenteil von Neugierde, Wissbegierde oder Fortschrittswillen. Und das ist natürlich bequem, denn die Beschäftigung mit Unbekanntem kostet Zeit und Energie, und birgt die Gefahr, dass man abgehängt wird.
Artikel 7: Wat wells de maache?
In den ersten Wochen eines Jurastudiums lernt man die beiden Grundfragen eines Juristen kennen. „Bin ich zuständig?“ und „Ist [die Klage] [hier] zulässig?“ Wenn ich prinzipiell der Meinung bin, dass ich Einfluss nehmen kann, dann stelle ich mir doch die Fragen, ob es meine Aufgabe ist und wie ich die Sache angehen sollte.
Entspannend weißt Artikel 7 darauf hin, dass vieles vom Schicksal beeinflusst wird, folglich ein gewisser Fatalismus angeraten ist. Mehr oder weniger schulterzuckend stellt man sich die Frage, ob Engagement angebracht ist oder man es einfach laufen lässt und als gegeben akzeptiert.
Wir begegnen also auch in diesem Artikel der kölschen Gemütlichkeit, um nicht zu sagen Lethargie, erkennen die negative Ausprägung von Gelassenheit wieder. Bevor man überhaupt in die Prüfung der Zuständigkeit und Zulässigkeit eintritt, kann man sich schon zurücklehnen und auf äußere Gewalt verweisen.
Andererseits verhindert man so auch jede Form von Übereifer. Wer sich erst mal fragt, ob es nicht unbeeinflussbares Schicksal ist, der stirbt nicht an Herzinfarkt. In der Ruhe liegt die Kraft, legt uns der Ansatz nahe.
Artikel 8: Maach et joot, ävver nit zo off.
Ansonsten eher gemütliche Menschen, gibt es bei Kölnern eben doch ein paar Aktivitäten, bei denen sie in Schwung kommen. Dazu gehört insbesondere ihre Pflege von Beziehungen. Freunde, Nachbarn, das Viertel und natürlich die Familie sind wichtig und bekommen gerne die Energie ab, die sie bei der Arbeit gespart haben.
Treffen und miteinander reden ist wichtig, aber auch allerlei Formen der körperlichen Begegnung. In diesem Artikel wird frivol auf das Liebesleben angespielt, das natürlich in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt.
Im übertragenen Sinne sind aber auch die tägliche Arbeit oder schlicht alle Vorgänge im Leben gemeint. In Abwandlung erklärt auch mancher Kölner „man kann et uch üvverdrive“ und weißt damit auf die Suche nach angemessener Qualität oder Quantität hin. Man kann des Guten auch zu viel tun, dann kippt es von positiv in kritisch.
Der Haken ist allerdings, dass schwer zu beschreiben ist, wann etwas „zu oft“ ist. Wenn man die Messlatte niedrig genug einstellt, kann man sich sein Leben sehr entspannt einrichten. Unter Hinweis auf die abgelieferte Qualität ist dann der Weg frei, sich von lästiger Wiederholung zu befreien.
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