Montag, 28. Juni 2021

I can drive fifty-five

Endlose Strecke durch die Landschaft. Eine Straße, die bis an das Ende der Welt zu führen scheint. Ich sitze am Steuer, in Gedanken beschäftige ich mich mit der Landkarte. In dieser Mitte eines riesigen Landes, fernab der Zivilisation und ohne eine Menschenseele weit und breit krieche ich brav mit 55 Meilen pro Stunde dahin.

In einer Stunde meines Lebens passiere ich bei dieser Geschwindigkeit 55 Meilensteine. So viele wie Lebensjahre, nur dass ich die nicht in einer Stunde an mir vorüberziehen lassen kann. Oder vielleicht doch?

Wie war das mit der Geburt, dem Kinderwagen, Spielen im Sandkasten. Der erste Schultag und dieser typische Geruch der Grundschule, immer ein Aroma von Kreide und einem nassen Tafelschwamm.

Spielkameraden auf der Straße, der Wechsel in die weiterführende Schule mit der ersten Fremdsprache, wie ungewohnt Vokabeln sind. Anfeindungen, Mobbing und Parties mit Mädchen, den unbekannten Wesen. Knutschen und Petting, Musik und Disko bis zum Abitur. Plötzliches Ende der definierten Laufbahn, Lehre mit alten Gesellen und erste große Liebe.

Auszug mit Studium, auf eigenen Beinen in einer fremden Stadt, einem ganz anderen Leben. Berge an Stoff, in der Freizeit Fahrradausflüge und Tanzen was das Zeug hält.

So geht es weiter, vorbei an Diplomprüfung und Doktorarbeit. Hinein ins richtige Leben als Angestellter, als Mitarbeiter, als Ehemann, Vater, Hausbauer und Nachbar. Beim Garten bleibe ich ebenso hängen wie bei der Herstellung der unzähligen Möbelstücke für Haus und Familie, natürlich auch bei meinem selbsterrichteten Gartenhaus.

Derzeit die Pflege des Erreichten, der Ausbau und das Luftholen nach spannenden Jahren mit liebgewordenen Freunden und einem aufregenden Leben. Eine Perlenschnur mit Hobbies, die über die Jahre wechseln und mal ins Handwerkliche, mal mehr ins Musische führen.

Das Auto gleitet mit unveränderter Geschwindigkeit vor sich hin. Unbeirrt von den schönen Jahren oder den Durchhängern bleibt es beim Taktschlag von einem Jahr pro Meile, bis die Stunde herum ist und ich meinen diesjährigen Geburtstag erreicht habe.

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Montag, 14. Juni 2021

Ich packe mein Projekt

Jetzt geht es ja langsam wieder auf den Sommerurlaub zu. Traditionell fahren wir für ein paar Tage in die Sonne. Routiniert wie wir sind geht das Packen recht flink von der Hand – die Liste von vergangenem Jahr muß nur noch ein wenig aktualisiert werden.

Abfahrtstag: Früh auf den Beinen, noch ein wenig müde aber auch erwartungsfroh schleppe ich das Gepäck zum Auto. Ein halbes Stündchen später ist der Spuk vorbei, alles drin, uff.
Aber nein, was passiert jetzt? Die Restfamilie hat gemerkt, dass noch Platz ist und jetzt kommen meine Lieben mit Stapeln weiterer Unentbehrlichkeiten an. Die ersten Teile passen noch dazu, dann wird es knifflig und schließlich ist der freie Raum schlichtweg ausgefüllt. Ein Wort gibt das andere und schon ist die wildeste Diskussion im Gange warum dieses mitgeht und jenes nicht. Was meiner Frau den Urlaub erst genießenswert macht ist für meine Tochter unnötiger Ballast. Einigkeit besteht bei beiden nur, dass mein Keyboard Platz für Wichtigeres machen soll. Und: Warum holen wir nicht die Dachbox aus dem Keller?


Kennen Sie? Ja klar, aus der Projektarbeit in jedem großen Unternehmen. Ist alles geplant und würde vielleicht prima passen, kommt – schwupps – der eine Fachbereich noch mit einer kleinen Zusatzanforderung. Was dann wieder die Phantasie beim andere Fachbereich entfacht, schließlich hat man auf das Vorhaben schon lange genug gewartet. Obwohl: Die Belange der IT, da sind sich die Fachbereiche einig, die sind wirklich kleinlich und lassen den pragmatischen Ansatz vermissen... Und so platzt unversehens ein Projekt aus den Nähten, das harmlos anfing und eigentlich auch hätte bleiben können.

Aber wie halten wir den Sack zu, ohne steif zu wirken oder einzelne Bremser zu institutionalisieren? Da sind alle Beteiligten gefordert, Disziplin an den Tag zu legen, Partnerschaft und Teamplay vor Partikularinteressen zu stellen. Ganz klar: Ein geplant teilbeladenes Auto ist am Zielort nicht nur schneller ausgeladen, sondern auf der Fahrt auch viel wendiger.

Mittwoch, 9. Juni 2021

Gartenpflege


Gerade hat es angefangen zu regnen. Ich schaue durch die regennasse Scheibe in den Garten. 18 Jahre ist er alt. Damals habe ich Pflanzen gekauft, arrangiert und eingesetzt. Eine kleine Stützmauer, Säulen mit Figuren und Rankgitter kamen dazu. Danach ging es darum, die wachsenden Grünpflanzen zu versorgen, zu düngen und zu schneiden. Die Rankgitter anzustreichen, die Stützmauer zu entmoosen, die Säulen zu anzulegen.

Überhaupt: Langsam nimmt die Dauerpflege so viel Zeit in Anspruch, dass ich nicht mehr zum weiteren Ausbau komme. Rückschnitt, Rasenpflege und Spritzen gehen schon lange nicht mehr nebenher. Um neue Ideen zu verwirklichen fehlt schlicht die Zeit.

Unser Innengrün in den Büros? Dem Gärtner geht’s genauso. Jede neue Pflanze muss ja auch gegossen, gedüngt und geschnitten werden.

Und unsere Technik? Auch die Anwendungsbetreuer kennen dieses Phänomen. Jedes neue Computerprogramm muss von Fehlern bereinigt, vor Viren geschützt und irgendwann aktualisiert werden.

Und nicht zuletzt: Unkraut. Es wächst viel schneller als jede liebevoll gesetzte Pflanze. In der Bank sind das die kleinen Excel-Programme, die erst mal für den Eigenbedarf geschrieben wurden. Die dann auch der Kollege nutzt und die irgendwann zu einer Stütze der Abteilung werden.

Was also tun: Mehr Personal? Weniger Pflege? Mehr Vorschriften? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht, und wahrscheinlich gibt es auch gar keine Musterlösung. Aber die brauchen wir auch nicht, wir müssen nur zusehen, dass es uns nicht geht wie Schneewittchen: Rosendschungel, eine Mannschaft von sieben Zwergen und ein Berater, der uns wachküsst. Stattdessen muss jeder in seinem Bereich schauen, dass wir Herr der Lage bleiben.

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Montag, 7. Juni 2021

TAV des Teufels (Staffel 8, Folge 4 / Ende)

Ein letztes Mal hat der TAV des Teufels Gelegenheit, über seine Sicht des Alltags und der Arbeit zu schreiben. Ein wenig traurig bin ich schon, hat er doch in seiner stets ruppigen und mauligen Art eine gewisse wenn auch destruktive Kreativität im Umgang mit seinen Mitmenschen bewiesen. Heute also abschließend seine Skepsis beim Lesen von Nachrichten aus dem Unternehmen.

TAV des Teufels (Staffel 8 Folge 4)

Hausmitteilungen lese ich immer voller Begeisterung. Im Kern lässt sich eigentlich immer etwas Böses finden oder zumindest als Verschwörungstheorie verwenden.

Kostenlose Wasserspender? Dahinter steckt sicher, dass wir Mitarbeiter demnächst in der Kantine mehr für das Tafelwasser bezahlen müssen.

Zehn Euro mehr für die Sommerfeier? Dann hat irgendeine Einheit mit Sicherheit zwanzig Euro pro Person gespart.

Wir arbeiten an der Unternehmenskultur? Ja, macht ihr mal schön, in der Planwirtschaft hätte man es wohl als Operativplan bezeichnet.

Und der Vorstand berichtet von einem guten Quartalsergebnis, blickt aber mit Sorgen in die Zukunft? Das kann nur heißen, dass es nächstes Jahr keine Prämie gibt.

Schließlich ist auch ein kleiner TAV nur ein Rädchen im Getriebe. Aber eben ein Rädchen, das nicht fehlen darf, sonst bleibt die Uhr stehen. Und ich fühle schon, wie schwach ich heute bin, nein, den Tag stehe ich nicht durch, ich bin eigentlich krank, ganz krank, sogar zu krank, um noch ans Telefon zu gehen und mich abzumeld…

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Mittwoch, 2. Juni 2021

Ich mache alles richtig

Jetzt stutzen Sie erst mal. Natürlich scheint das im ersten Moment eine höchst arrogante Aussage. Ist es aber durchaus nicht, Sie machen ja auch alles richtig, oder? Ziemlich simpel, denn wenn wir selbst der Meinung wären, dass wir es falsch machen, dann würden wir es doch anders machen… nämlich richtig.

Naheliegend kann es im Moment und für mich richtig sein, sich nachher aber als falsch erweisen. Auch ist es möglich, dass ein anderer Mensch eine andere Entscheidung trifft. Die richtige. Aber wer kann schon richtig und falsch einschätzen.

Sicher, es gibt Rahmenbedingungen, auf die wir uns geeinigt haben, die wir im Zusammenleben akzeptieren müssen und die wir als Gesetze und Regeln festhalten. Bei Nichtbeachtung werden Sanktionen fällig. Das ist dann das nach außen erkennbare Signal, dass wir (aus Sicht anderer Menschen) etwas falsch gemacht haben.

Egal, wie unsinnig ich ein Tempolimit für meine aktuelle Situation empfinde, es ist für mich verbindlich, Einhaltung also richtig. Wenn ich dagegen verstoße, erwischt werde und ein Bußgeld zahlen muss, dann ärgere ich mich.

Schließlich bin ich ja bewusst zu schnell gefahren, habe also eine (für mich richtige) Entscheidung getroffen, die jetzt von anderer Seite (als falsch) gemaßregelt wird.

Also: Alles richtig gemacht.

Auch wenn es meine Mitmenschen nicht immer sofort merken.