Montag, 27. März 2023

Hallo! Aufwachen!

Hallo Aufwachen
Diese Frau, die da mit dem Brustton der Überzeugung vor der Kamera steht und sich mit dem Sportreporter unterhält. Sie ist im Fernsehen, weil sie der vorwiegend männlichen Zielgruppe sympathisch ist. Zusätzlich ist sie noch jung, da kann man noch nicht alles wissen, hier und da eine Lücke in der Expertise wird geflissentlich übergangen.

Das ist kein Geheimnis und auch gar nicht schlecht, neben einem gut organisierten Interview und professionellem Schnitt ist nichts gegen einen gewissen dekorativen Aspekt einzuwenden.

Doch Vorsicht, die gute Wirkung hat in diesem Fall ganz andere Ursachen als man vielleicht meint. Und das führt dann zu Selbstüberschätzung oder gar Arroganz. Ich darf mehr oder weniger gezielt darauf setzen, dass ich Sympathieträger bin. Allerdings darf ich es nicht mit Fachkenntnis oder Anerkennung meines vermeintlichen Spezialwissens verwechseln.

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Montag, 20. März 2023

Guter Tag, schlechter Tag

Guter Tag, schlechter Tag
An Tagen wie diesen läuft manches gut, anderes einfach nur schlecht. Manchmal merkt man dabei gar nicht, wie es auf und ab geht.

Die Sonne scheint, ich habe gut geschlafen und freue mich jetzt auf die Dusche. Kaum stehe ich unter dem warmen Wasser fällt mir die Flasche mit dem Duschzeug herunter, sie kommt unglücklich auf dem Boden auf und der Verschluss geht kaputt. Duschgel verteilt sich auf dem Boden. Ein wunderbarer Duft nach Orange und Minze verbreitet sich in der Duschkabine. Ich schließe die Augen, atme tief ein und genieße das Aroma. Mit meinen geschlossenen Augen rutsche ich durch eine ungeschickte Bewegung auf dem glitschigen Boden aus, heftig pralle ich auf dem Boden auf, meine Hand wird sofort taub. Mühsam rapple ich mich wieder auf, betrachte meine Hand, von außen sieht man nichts, aber sie beginnt immer stärker zu schmerzen. Ich ziehe mich so gut es geht an, es wird mir klar, dass ich zum Arzt muss.

Beim Arzt werde ich von einer ganz reizenden Assistentin in Empfang genommen, ich kann ihr ansehen, dass sie mit meiner mittlerweile angeschwollenen Hand mitleidet. Eine Röntgenaufnahme und ein Arztgespräch später steht fest, dass es nur eine Verstauchung ist und die nette junge Frau bandagiert mich liebevoll. Ich nehme meinen Mut zusammen und frage sie, ob wir vielleicht mal einen Kaffee trinken gehen können. Zu meinem Bedauern gibt sie mir einen Korb, ab diesem Zeitpunkt ist sie auch nicht mehr so freundlich zu mir.

Fertig verarztet gehe ich die Treppe zur Straße hinunter, auf halbem Absatz zum ersten Stock liegt ein Portemonnaie. Ich zögere, dann hebe ich es doch auf und schaue hinein. Keine Ahnung, warum jemand mit so viel Bargeld durch die Gegend läuft, und dann auch noch Scheckkarten und ein Ausweis. Ich schaue auf die Adresse, gleich hier in der Nähe, der Tag läuft sowieso ungeplant, dann kann ich auch gerade noch die Geldbörse zurückbringen.

Ich finde das Haus, aber niemand öffnet. Soll ich das Portemonnaie einfach in den Briefkasten werfen, nein, besser gebe ich es dem Eigentümer persönlich wieder.

Auf dem Heimweg komme ich am Supermarkt vorbei und gehe hinein, gerade noch kurz einen Salat für den Mittag kaufen. Zu meinem Glück gibt es heute meinen Lieblingskaffee im Angebot, ich packe so viele Packungen in meinen Rucksack wie möglich und freue mich über das Schnäppchen. In Gedanken vertieft vergesse ich den Salat, was ich aber erst merke, als ich zu Hause angekommen bin. Ein Blick in den Kühlschrank macht mir klar, dass ich ziemlich improvisieren muss, die gesunde Mahlzeit wird durch Kekse ersetzt.

Ich starte meinen Computer und melde mich in der Firma an. Die neueste E-Mail ist von einem Kollegen aus der IT, der endlich meinen Antrag auf ein neues Laptop genehmigt hat. Ein Glück, dass das hin und her nun mit Bedarfsmeldungen und Begründungen zu Ende ist. Mein Chef ruft an, will wissen, wo ich bleibe. Wenig begeistert lässt er sich von meinem Unfall berichten, fragt ziemlich förmlich, wie es mir jetzt geht, Verstauchung wäre ja jetzt nicht so besonders schlimm und wann ich die Meetings von heute Morgen nachhole. Kaum hat er aufgelegt geht schon wieder das Telefon, diesmal meine Tochter, sie hat eine Klausur besonders gut bestanden. Glückwunsch, freue ich mich mit ihr und lasse mir von den Inhalten und kniffligen Fragen berichten. Nur zu Ostern, das wird leider nicht klappen, sie hat zu viel um die Ohren und dann steht ja noch die Fahrt nach Polen ins Haus.

Der Nachmittag geht so dahin, voller Begeisterung stelle ich fest, dass mein Kollege schon einen Teil der Morgenpost übernommen hat, so dass ich heute mal pünktlich Feierabend machen kann. Ich entschließe mich, den Tag mit einem Besuch beim Italiener ausklingen zu lassen. Ausgerechnet die alte Bedienung ist heute ein bisschen tapsig und die Karaffe Rotwein für den Nachbartisch landet gluckernd auf meiner Hose. Der Padrone ist außer sich, wild gestikulierend und italienisch schimpfend versucht er die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen, mein Essen geht natürlich aufs Haus und die Reinigung sowieso.

Mit der immer noch feuchten Hose gestaltet sich der Weg nach Hause etwas unangenehm, zumal es jetzt auch noch zu regnen beginnt. Damit hatte ich nicht gerechnet, kein Regenschirm, keine Kapuze, nach einigen Minuten gebe ich auf und sehe ein, dass ich patschnass zu Hause ankommen werde. Als ich mich aus den nassen Sachen schäle stelle ich fest, dass meine Hand überhaupt nicht mehr weh tut, ich kann sie sogar im Verband schon wieder fast schmerzfrei bewegen. Ich finde, ich habe mir einen Schlummertrunk verdient, aber der Kühlschrank ist immer noch leer. Etwas enttäuscht lasse ich mich auf das Sofa fallen, Fernseher an und wer sagt es, läuft gerade ein Interview mit einem Künstler, den ich als Mensch sehr interessant finde. Deutlich vor Ende der Sitzung muss das Interview aber aus technischen Gründen beendet werden, die Verbindung nach Amerika ist zusammengebrochen.


Auch gut, denn so komme ich zeitig ins Bett und bin dann morgen ausgeschlafen und je nach Zustand meiner Hand kann ein guter oder schlechter Tag kommen. Oder beides, so wie heute.

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Montag, 13. März 2023

Sektretärin, Tippse oder Teamassistentin?

Sie war die Hüterin der Schreibmaschine, ihr ganzer Stolz die IBM Kugelkopf, nicht mal der Chef durfte diesem technischen Wunderwerk zu nahe kommen. Gebildet in fehlerfreier Rechtschreibung, Dokumentenmanagement („Ablage“), Terminkoordination mit Fingerspitzengefühl und zuvorkommender Gästebewirtung. Daneben aber auch Ghostwriter unter Berücksichtigung der Anforderungen von Absender und Adressat . Und schließlich trittsicher im Zusammenhang mit Formbriefgestaltung.

Die kompetenten Vorzimmerdamen waren weit mehr als eine Tippse, die Vielzahl der verschiedenen Aufgaben beeindruckend und bei geschicktem Agieren machten sie sich zu einer nahezu unersetzbaren Arbeitskraft mit Kopfmonopol.

Diese Personen sind heute ausgestorben. Stattdessen haben wir Teamassistenten (m/w/d), die auf Augenhöhe mit den Experten um sie herum sprechen. Die Rechtschreibung ist Dank automatischer Fehlerkorrektur noch ganz gut, Ablage sehen sie aber nicht als ihre Aufgabe, auch Termine können ihre Vorgesetzten sich ja selbst einrichten. Gästebewirtung ist laut Arbeitsvertrag nicht vorgesehen, für das Lächeln bei der Bereitstellung von Kaffee sind sie überqualifiziert.

Einige der Aufgaben könnte man vielleicht dezentralisieren, andere Mitarbeiter damit betrauen oder Computerunterstützung verwenden. Aber spätestens beim modernen Nachfolger der Korrespondenz oder der Formbriefgestaltung taucht eine dramatische Lücke auf. Schaue ich mir Foliensätze an, die technisch orientierte Fachleute, Führungskräfte oder Ungeübte erstellt haben, so lassen diese Dokumente jede Form des professionellen Layouts vermissen.

Eine andere Lücke entdeckt man bei der zentralen Bearbeitung von Anfragen. Sei es die Übertragung von handschriftlichen Texten, Bestellungen und Buchungen, die Beantwortung von Standardfragen oder die Dokumentation von Abläufen in Compliance Evaluierungen. Für diese Aufgaben werden oft dezentral hochbezahlte Mitarbeiter eingesetzt oder sie werden zentral an ebenfalls hochbezahlte Technical Writer übergeben

Wir brauchen sie noch, die Sekretärinnen und Tippsen. Was an anderen Stellen als passgenauer Einsatz beschrieben wird, trifft auch hier zu. Und dann wird auch klar, warum diese Personen im Idealfall einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.

Montag, 6. März 2023

Globaler Abschwung? Da bin ich mir nicht so sicher.

Globaler Abschwung? Da bin ich mir nicht so sicher

Ganz klassisch habe ich seit meiner Kindheit ein Wirtschaftssystem erlebt, das so etwas wie Konjunkturzyklen kennt. Ich habe etwas über die Marktwirtschaft erfahren, in der die Begriffe Angebot und Nachfrage eine zentrale Rolle spielen. Das System geht als Ganzes von einem tiefen Punkt über einen Aufschwung zum Boom über, um dann wieder zu schrumpfen und letztlich diesen Zyklus wieder neu zu durchschreiten. Die Wirtschaftswissenschaftler haben den einzelnen Abschnitten Namen gegeben, bestimmte Eigenschaften zugeordnet und konnten an bestimmten Kennzahlen zeigen, dass sie mit ihrem Modell die Wirklichkeit abbildeten.

Aber ein Modell hat auch immer seine Grenzen. Das liegt im Wesentlichen daran, dass geänderte Einflüsse dafür sorgen, dass die (impliziten) Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. In der Realität beobachtet man immer wieder, dass der Grundgedanke vom freien Markt, der Preisbildung über Angebot und Nachfrage, nur höchst selten zutrifft. Mit diesem einleuchtenden, aber zu stark vereinfachten Ansatz kann man beispielsweise die derzeitigen Benzinpreise so wenig erklären wie deren Schwankung.

Genauso muss man auch die globale Formulierung von Konjunkturzyklen in Frage stellen. Ist der nach diesem Modell postulierte Ansatz branchenübergreifend zutreffend oder anders formuliert: Ist die Korrelation zwischen allen Branchen so groß, dass Auf- oder Abschwung sie kollektiv trifft? Tatsächlich gibt es eine Kopplung, die aber nicht durchgängig die gleiche Stärke aufweist. Während der stationäre Vertrieb schwächelt erlebt der Versandhandel einen deutlichen Aufschwung. Wir haben es also nicht mit einem generellen Abwärtstrend zu tun, sondern mit einer deutlichen Verschiebung.

Ein weiterer Aspekt ist der Zeitversatz. Anders als in den Modellen dargestellt haben wir es nicht mit geschwungenen und stetigen Verläufen zu tun. Vielmehr gibt es abrupte Veränderungen nichtlinearer Natur, also plötzliche Umschwünge nach längeren Phasen eines pseudo-stationären Betriebes. Die Logistikbranche hat über viele Jahre lang einen erbitterten Kampf ums Überleben geführt, endlich kann sie durch die massiv gestiegenen Online-Käufe die Preise anpassen. 

Dieser Aspekt lässt sich auch bei Lebensmittelpreisen oder auf dem Arbeitsmarkt beobachten. Flächendeckend, Branchen- und Regionen-übergreifend fehlen Arbeitskräfte. Wurden über Jahre hinweg zu wenige Mitarbeiter eingestellt oder die Aufbauarbeit bei Nachwuchskräften vernachlässigt, wird der Markt nun von Stellenangeboten überschwemmt. Was absehbar zu einem Überhang an Mitarbeitern führt, der demnächst der rückläufigen Auftragslage hinterherhinkt.

Drittens übertreibt der Markt immer ein wenig, mal in die eine, mal in die andere Richtung. Es gibt Angebote, die nur durch Stützung oder Querfinanzierung auf dem Markt gehalten werden können. Sie sind also trotz vorhandener Nachfrage unterfinanziert, ein höherer Preis lässt sich allerdings beim Kunden nicht durchsetzen. Ausgelöst durch geänderte Randbedingungen oder durch den mutigen Vorstoß eines Mitbewerbers ergibt sich zu einem gewissen Zeitpunkt dann die Möglichkeit, die Preise anzupassen. Nicht ganz überraschend, dass bei dieser Gelegenheit nicht nur der entgangene Gewinn nachgeholt, sondern gleich auch noch das Schaffen eines finanziellen Polsters eingeleitet wird.

Dann haben wir es viertens mit ausgeprägten Mitnahmeeffekten zu tun. Branchen oder Regionen ohne explizite Kopplung nutzen die Gelegenheit, der Preisanpassung anderer Märkte zu folgen. Warum Kontoführungsgebühren bei steigenden Einlagezinsen angehoben werden müssen ist aus Sicht der Marktkonstruktion nicht erklärbar.

Unter diesen Gesichtspunkten muss man in Frage stellen, ob der Begriff des Abschwunges sich überhaupt noch auf die Wirtschaft als Ganzes anwenden lässt. Zwar ist die Preissteigerung allenthalben spürbar, allerdings als lange aufgeschobene und jetzt nachgeholte flächendeckend Preisanpassung zu verstehen. Wir haben uns daran gewöhnt immer mehr für immer weniger (oder zumindest gleiches) Geld zu bekommen, was jetzt wieder ins Gleichgewicht gebracht wird. 

Dieser Vorgang ist zweifellos schmerzhaft und führt wie jede Wirtschaftsveränderung zu erheblichen Turbulenzen bis hin zu Verlusten, ist aber wiederum nicht kollektiv. Es gibt auch hierbei Gewinner und Verlierer; was am Ende zählt ist die Gesamtbilanz der Wirtschaftsentwicklung, vornehmlich zu erkennen am BIP, der Gesamtbeschäftigung und der Preisentwicklungen.