Montag, 26. Juni 2023

Mamümama - (Un-)Verbindlichkeit steckt überall

Alle sitzen um den Tisch und sind sich einig: Es liegt an der Zertifikatsverwaltung. Diese kleinen Software-Schnipsel, die für das Wohl und Wehe der Nachrichtenweiterleitung verantwortlich sind. Die modernen Türsteher, die nach einem Zugangsschlüssel fragen. (Erinnert irgendwie an das Kinderspiel: „Freund oder Feind? Die Losung!“).
Also, der Verursacher der Störung ist identifiziert, jetzt muss nur noch die Fehlerbehebung durchgeführt werden. Alles wird organisiert und zum Schluss: „Man müsste mal eine automatische Zertifikatsverwaltung einrichten.“
Man müsste mal machen
Da ist es: Das Mamümama – „Man müsste mal machen“. Gleich drei Fehler in vier Wörtern.

Schon das voranschreitende „man“ schafft Distanz, so dass sich weder der Sprecher noch irgendein Teilnehmer der Runde persönlich angesprochen fühlt. Wer auch immer sich der Sache annehmen soll, das wird nicht festgelegt, nicht vorgeschlagen, noch nicht mal deutlich als Entscheidungsbedarf kenntlich gemacht.

Der fehlenden Zuordnung folgt dann ein Konjunktiv („müsste“), an dieser Stelle verwendet als Weichmacher mit Streichelanteil. Niemand soll sich unumwunden aufgefordert werden, konkrete Schritte zu unternehmen, nein, es wäre einfach nur schön, also wenn sonst nichts zu tun ist und „man“ gerade Lust dazu hat. Das kann man natürlich noch ein wenig steigern, in dem man zusätzlich noch ein "eigentlich" spendiert.

Schließlich wird aber auch die zeitliche Festlegung umgangen. Wenn eine Aktivität „mal“ gemacht wird, dann heißt das irgendwann. Vielleicht, wenn gerade Zeit ist, vielleicht wenn es eine günstige Gelegenheit gibt, irgendwann mal eben.

Leider begegne ich den Mamümamas nicht immer in Reinform, vielmehr sind sie oft in längeren Ausführungen versteckt, zeichnen sich aber stets durch das Fehlen der Verbindlichkeit (meist: Verantwortliche, Priorität und Zieltermin) aus.

Oder anders formuliert: Zu Aussagen in Sitzungen und Ausführungen in Protokollen müsste man eigentlich mal eine Verbindlichkeitsüberwachung aufbauen.

Montag, 19. Juni 2023

Da sind wir alle gleich

Da sind wir alle gleich

Spätestens am Stillen Örtchen sind alle Männer gleich. Die Wiege der Demokratie, das Ende aller Unterschiede. Selbst wenn wir uns ausziehen gibt es noch Unterschiede – hier nicht. Obwohl: Das stimmt nicht ganz. Wäre es alles so gleich, dann müssten ja alle Urinale gleich oft benutzt werden, und das werden sie nicht. Sei es ein Kollektiveffekt, sei es ein Streich, den uns unser Gehirn spielt. Jedenfalls gibt es statistisch gesehen manche Pissoirs, die öfter angesteuert werden, manche seltener. Sind die am Rand attraktiver, fühlen sich mehr Männer in der Mitte wohl? Abgucken kann es ja nicht sein, trotzdem lässt der innere Lemming grüßen.

Was, das könnte man auch auf die Politik übertragen? Warum nicht, da gibt es auch freie Wahl, wer schaut schon nach dem Nachbarn, und doch knubbelt es sich, mal am Rand, mal in der Mitte.

Montag, 12. Juni 2023

Ich stelle mir die Sinn-Frage

An manchen Tagen komme ich ins Grübeln, was es mit der Sinnfrage auf sich hat. Denn bevor ich mir diese Frage überhaupt stellen kann, muss ich mich erst mal damit beschäftigen, was denn der Sinn überhaupt ist. Meine ich damit die Bedeutung einer Sache? Nein, ich denke eher an ein Ziel, das ich verfolge. Tue ich etwas, um einen Vorgang voran zu kommen, etwas zu bewegen, zu schaffen, dann hat es für mich einen Sinn. Das ist individuell unterschiedlich; Was der eine Sinn-voll findet, ist für den anderen Sinn-los.

Ebenso kann zum Beispiel eine Aussage plausibel sein, dann sprechen wir von Sinn-voll, andernfalls von un-sinnig. Wobei letzteres nicht bedeuten muss, dass es falsch ist, nur der Sinn offenbart sich nicht. Oder noch grober können wir unserem Gegenüber die Kompetenz abstreiten und seine Aussagen als blöd-sinnig abtun.

Der Sinn scheint also etwas mit dem (subjektiv zugeordneten) Ziel zu tun zu haben. Wenn ich auf dem Balkon Sommerblumen anpflanze, dann kann man zu Recht fragen, warum ich das mache. Ist es sinnvoll, zumal die Pflanzen am Ende des Jahres auf dem Kompost landen? Sieht man nur diesen Teil der Investition in ein vergehendes Gut, dann würde man es unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als unsinnig bezeichnen. Ein Ästhet erfreut sich andererseits im Sommer an den Blüten und sieht insofern einen Sinn in der Pflanzaktion. Ähnlich ergeht es dem Gärtner, der die Kultivierung eines Grundstücks anstrebt: auch er wird die Arbeit mit Erde und Blumen als sinnvoll bewerten.

Ich stelle mir die Sinn-Frage
Bemerkenswert ist dabei, dass wir Menschen von innen heraus großen Wert auf den Sinn legen. Nicht nur beim Erlernen von Fähigkeiten, in der Schule, beim Ausüben eines Berufes fragen wir mehr oder weniger offen nach dem Sinn der Anstrengung. Da mag der eine sich mit einer Fremdsprache quälen, weil er dadurch ein höheres Gehalt fordern kann, ein anderer peilt einen Auslandsaufenthalt an und der dritte hat sich in eine Frau verliebt, mit der er sich sonst nicht verständigen kann. Nur ein paar Beispiele, aber jeder hat ein Ziel beim Lernen.

Genauso fragen wir nach dem Sinn unserer Tätigkeit in der Werkstatt oder im Büro. Warum mache ich das, was bringt es (mir)? Selbst wenn ich nur Teil eines größeren Betriebes bin, kann ich doch durch meine Aktivität eine gewisse Fortbewegung schaffen, etwas verändert sich durch mein Zutun. Ist das nicht der Fall, sprechen wir von stumpf-sinniger Arbeit. Und werden mit der Zeit immer unzufriedener, weil uns die Tätigkeit sinn-los erscheint.

Da sind wir am zentralen Punkt angekommen. Den Sinn wollen wir nicht nur beim Lernen, beim Sport, bei der Arbeit oder in der Partnerschaft erkennen. Wir suchen ihn auch für unser ganzes Leben. „Was ist der Sinn des Lebens?“ fragen wir uns immer wieder. Und suchen Antworten, wofür sich viele Menschen gewissen vermeintlich Wissenden anschließen, sei es in religiösen oder anderen sozialen Strukturen. Ein sehr schwieriges Feld, da die wenigsten Menschen explizit ihr Lebensziel, ihre vorgegebene Lebensaufgabe kennen. So gibt es viel Raum für eine extrinsische Zieldefinition, was die großen Meinungsführer zu nutzen wissen.

Der Sinn, habe ich einmal gelesen, entsteht überhaupt erst in uns. Bis zur Sinn-Gebung sind es mehr oder weniger nüchterne Fakten. Mit gutem Grund sprechen wir beim Fühlen, Riechen und so weiter von unseren Sinnen. Erst die Rezeptoren und die Verarbeitung der Reize führen unter Hinzunahme weiterer Informationen und komplexen Bewertungen in unserem Gehirn am Ende zu einem Impuls.

Allerdings können wir eben diese Wahrnehmung beeinflussen, einen Sinn hinzufügen oder aberkennen. In der Psychologie wird in diesem Zusammenhang der Begriff des Re-Framings verwendet, was im Grunde auf der frei-Sinnigkeit beruht. Das hat seine Grenzen, wenn wir unfrei sind, entweder in der Bewertung eingeschränkt sind oder sonstige Randbedingungen uns im Wege stehen. Freiheitsentzug führt zwangsläufig auch zu einer Verringerung der Sinnesfülle und wirkt allein schon von dieser Seite als Bestrafung.

Und auch mit dem Sinn des Lebens geht das nicht so einfach. Wer zu den Menschen gehört, die ihn erkannt haben, der gehört im wörtlichen Sinne zu den Glücklichen. Denn die Begriffe Ziel, Sinn und Glück sind eng miteinander korreliert.

Montag, 5. Juni 2023

Storm in my brain

Immer schön geradeaus denken, Logikketten bilden und nachvollziehbar bleiben. Wir denken immer, das sei für die Wissenschaft, Prozesssteuerung oder den Alltag der optimale Ansatz. Weit gefehlt, ohne Logikbrüche, Anleihen bei anderen Disziplinen oder Absurditäten kämen wir kaum voran.

Regelmäßig bewundern wir die Weltenbummler, die echte Sehenswürdigkeiten entdecken, welche nicht im Reiseführer stehen. Sie sind irgendwo von der Hauptstraße abgefahren und in eine unscheinbare Nebenstrecke eingebogen. Und nicht überraschend haben sie Orte gesehen, die wir als Pauschaltouristen im klimatisierten Reisebus nicht kennengelernt haben.

Storm in my brain

Ich erlaube meinen Gedanken auch mal ein wenig Weltenbummler zu spielen. Das setzt voraus, dass es eine Welt gibt, in der sie bummeln können, die kann ich gerne durch Wissen anreichern, Überlegungen hinzufügen, Anregungen holen, Informationen ergänzen. Aber dann sind verrückte Kombinationen, im ersten Moment abwegige Verknüpfungen und Denkwege erlaubt.

Machen wir uns nichts vor: Je nach Gegend ist das Verlassen der Hauptroute für unseren Weltenbummler nicht ganz ungefährlich, Schlaglöcher können seine Fahrt erschweren, sogar Überfälle sind dort erheblich wahrscheinlicher. Das Austarieren von Skepsis und Befriedigung der Neugierde ist eine gute Basis für das zufriedenstellende Erlebnis einer fremden Welt.

Die Gedanken sind erst mal frei, Fenster auf, damit frischer Wind hereinkommt, Luftzug oder sogar Sturm je nach Zielsetzung. Nach dem Durchlüften dann aber wieder Fenster zu, durchgewirbelte Papiere vom Boden aufheben und über die neue Ordnung staunen, die man am Schreibtisch sichten und weiterverarbeiten kann.