Montag, 24. März 2025

Stichwort: Frust

Da feile ich an meinen Formulierungen, lasse mir wissenswerte Dinge durch den Kopf gehen und verknüpfe sie mit Anekdoten, persönlichen Erlebnissen und Informationen aus der Wissenschaft. Und erreiche damit eine treue Leserschaft, die ich sehr zu schätzen weiß. Ihr zu Liebe suche ich unermüdlich nach Neuigkeiten, schürfe ich im Alltag nach sprachlichem Gold und male in allerlei Farben die schönsten Sprachbilder.

All das ist wunder-voll, lesens- und liebens-wert. Wie merk-würdig fühlt es sich da an, wenn ich aus einer mehr oder weniger spontanen Laune heraus eine Bewertung über ein am Wochenende besuchtes Hotel verfasse und im Internet veröffentliche. Nichts Böses ahnend - ist das Feedback doch sehr wohlwollend - denke ich nicht weiter darüber nach, will fast sagen, habe diese spezielle  Veröffentlichung eigentlich vergessen.

Stichwort: Frust
Und dann bekomme ich Post von Google, in der ich gelobt werde, weil mein Beitrag schon mehr als 5.000 Leser erreicht hat. Von mir, dem einfachen Physiker und Poet wollen so viele Leute wissen, was ich vom Service, dem Frühstücksbuffet und dem Saunabereich halte. Mit wohlrecherchierten Aussagen und Schlussfolgerungen zu neurologischen und psychologischen Fragen erreiche ich im Durchschnitt nur ein Zehntel an Klicks.

Nicht mit nackten Körpern kann man seine Leser und Zuschauer begeistern, denn an der Front sind die Konsumenten ziemlich übersättigt. Auch Anregungen zum Nachdenken stehen nicht allzu hoch im Kurs, ist doch die weiterführende Beschäftigung mit einem Thema möglicherweise anstrengend oder löst einen unangenehmen Perspektivenwechsel mit Tendenz zum Umdenken aus. Etwas zu verkaufen, was nichts kostet, der Angst zu begegnen, selbst das Produkt zu sein und ohne Garantie eines unmittelbaren Nutzens ist ein hartes Geschäft.

Ich stehe im Wettbewerb um Leser, Abonnenten und Neugierige im Internet-Strom nahezu unermesslich vieler Texte, beim Kampf um die wenigen Sekunden Aufmerksamkeit, die der normale Konsument einem Beitrag zu spendieren bereit ist. Informationshungrige und gleichzeitig informationsüberflutete Lebewesen sind Sklaven ihres Limbischen Systems, das in Sekundenbruchteilen über Leben (Lesen) und Tod (Wegklicken) entscheidet.

Hallo, liebe Amygdala, ich bin dein Freund, lass mich an allen Türstehern vorbei in das Zentrum des Denk-Apparates vordringen und erlaube mir, in ihm ein paar spannende Denkprozesse auszulösen.

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