Kaum ein Begriff aus dem Alltag hat so einen schlechten Ruf wie Bürokratie. Dabei ist es im Grunde ja erst mal durchaus richtig, wenn man sich auch um den Schreibkram kümmert, Formalitäten einhält und gewisse Abfragen in standardisierter Form verteilt. Und diese Dinge verwaltet, verteilt, zu Entscheidungen führt oder schlicht darüber Buch führt. Was jedoch oft zur Diskussion gestellt wird, ist der Umfang und die Tiefe, in der diese Form der Arbeit erfolgt. Und das aus gutem Grund, denn im Sinne von „Lean“ ist Bürokratie ja nicht wertschöpfend, sondern (bestenfalls) verdeckt-notwendig. Und alle Tätigkeiten in dieser Rubrik sollen und müssen so gut es geht verringert werden.
Das kommt natürlich auch unserer inneren Bequemlichkeit entgegen. Niemand wird behaupten, dass er Spaß an der Steuererklärung hat, dass es ihm Freude bereitet, ein Zollformular auszufüllen oder in seinen Unterlagen für die Auskunftsbögen eines Kreditantrages zu recherchieren. Je weniger dieser lästigen Arbeit anfällt, desto lieber ist es einem, da sind sich alle einig. Und können sich also in guter Gesellschaft wissen, wenn sie nach Bürokratieabbau verlangen.
Doch an diesem Punkt beginnt das Dilemma. Mit der Verringerung dieser vermeintlichen Blindleistung werden ausgerechnet die Personen beauftragt, die diese Prozesse zu verantworten, sie vielleicht sogar ins Leben gerufen haben. Es würde eine gewisse Schizophrenie erfordern, wenn sie das abschaffen, was sie selbst initiiert haben oder was sich aus ihrer Sicht seit Jahren bewährt hat. Nein, dieses Formular ist in vollem Umfang notwendig, weil es Paragraph xy bedient, jene zusätzliche Abfrage in der Anlage wurde notwendig, weil das Soundso-Gesetz dies erfordert. Und der Ablauf für den Kunden lässt sich nicht ändern, denn der Datenstrom hat eine definierte Richtung, kann Genehmigung B nicht vor Begutachtung A erfolgen. Und so weiter.
Und dann wird es geboren: Das "Verwaltungsverfahrenseffektivierungsgesetz". Da sitzen intelligente Menschen zusammen, nennen sich Senat der Stadt Bremen und haben entweder aus eigenem Antritt oder auf Druck der Bürger ein gutes Ziel vor Augen. Sie wollen die Arbeit geschmeidiger gestalten. Diese Verbesserung nennen sie Effektivierung und machen daraus: ein Gesetz, also wieder irgendein Papierwerk, das Anweisungen und Regelungen enthält. Und das sich auf die Verwaltung, also im weiteren Sinne auch sie selbst, bezieht. Nun ist eine Verwaltung gemäß ihrer Definition niemals wertschöpfend, ist also bestenfalls unabdingbar notwendig, tendenziell aber Verschwendung. Es ist also zu kurz gesprungen, wenn man hier etwas effektiver gestaltet, vielmehr muss das Ziel sein, die Verwaltungsverfahren auf den Prüfstand zu stellen und möglichst ganz abzuschaffen.
Das allerdings erfordert kein Verwaltungsverfahrenseffektivierungsgesetz, sondern ein rigoroses Streichen von Verfahren. Nur Mut, was man ersatzlos streicht, braucht man nicht mehr zu optimieren, was durch schlankere Prozesse obsolet wird, erfordert keine Steigerung der Effektivität. Und Bürokratie durch die Bürokratie eines Gesetzes zu bekämpfen ist ein Ansatz, der zumindest nach außen ziemlich widersprüchlich erscheint.
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