Als Schüler haben wir so viele Dinge gelernt, die damals völlig logisch und naheliegend klangen. Wie gemein war die Abgabe des Zehnten an den Fürsten. Naja, meine Steuerabgaben heute dürften um ein Vielfaches höher liegen. Oder der Umgang mit anderen Kulturen und Religionen. Geprägt von einer geradezu unfassbaren Naivität und Armut an verschiedenen Perspektiven. Die kontrastreiche Darstellung der Guten und der Schlechten in der Weltpolitik und die nachträglich schlaue Interpretation historischer Ereignisse.
Doch das zieht sich auch in das Erwachsenenalter durch. Neulich war ich in der Stadt und sah eine Demonstration, die sich lautstark durch die Fußgängerzone schlängelte. Die Parolen waren kaum zu verstehen, doch den Plakaten nach zu urteilen ging es um Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. "Gleiches Geld für gleiche Arbeit!" konnte ich lesen. Das hörte sich spontan gut und einleuchtend an. Aber dann fragte ich mich, wie man das klarstellen, gar messen könnte.
Die linke Seite, also "gleiches Geld", das ist eine gut definierbare Größe. Aber wie steht es mit der rechten Seite der Gleichung, also der "gleichen Arbeit"? Bei mehr oder weniger einfachen Arbeiten mag das noch mit Sinn zu füllen sein. Wenn die Aufgabe in der Montage von Kotflügeln besteht, kann man mitzählen, wie viele Kotflügel pro Stunde eine Arbeitskraft verarbeitet. Aber selbst hier muss man möglicherweise schon differenzieren. Nehmen wir an, eine junge Frau am Band kann nicht nur die Kotflügel anschrauben, sondern bei Bedarf auch kurzfristig die Bedienung des Fließbandes oder die Organisation des Nachschubs übernehmen. Zwar ist es nicht primär ihre Aufgabe, aber sie ist universeller einsetzbar als die anderen Kollegen.
Es ist einleuchtend, dass diese Vielseitigkeit, das Potential zur spontanen Übernahme ungeplanter Aufgaben oder eine kurze Rüstzeit beim geplanten Wechsel der Tätigkeit eine geldwerte Leistung ist. Von außen sehe ich nur die Frau, die wie alle Kolleginnen und Kollegen die Kotflügel mit den Autos verbindet, aber das vorhandene Potential sehe ich nicht. Von "Gerechtigkeit" zu sprechen ist in diesem Zusammenhang mindestens schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.
Ergänzend liegt es nahe, dass die scheinbar verletzte Gleichheit von denen eingeklagt wird, die hiervon Vorteile haben, also weniger Potential haben, dabei aber in der Außensicht eine ähnliche Aufgabe ausführen müssen. Wer - vielleicht aufgrund irgendwelcher Regularien oder dem vermuteten Nasenfaktor - besser bezahlt wird, der wird sich nicht beschweren. Die höhere Bezahlung ist in diesem Fall vielleicht eine Motivation, eine Wertschätzung der zusätzlichen (potentiellen) Arbeit oder auch im Sinne des (Arbeits-) Marktes eine normale Reaktion.
Forderungen der Gleichheit und Gerechtigkeit gehen in Richtung Kommunismus. Inwieweit dieser Ansatz sinnvoll und tragfähig ist, sei mal in diesem Zusammenhang dahingestellt. Aber weiter zurückverfolgt kommt man dann zu der Forderung, dass auch alle Menschen gleich zu sein haben. Und das ist nun mal nicht der Fall.
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