Montag, 30. Juni 2025

Weltreise für Groß und Klein

Herrliches Wetter, ich bin im Urlaub und sitze auf einem Klappstuhl unter dem Sonnenschirm. Andere Gäste genießen auch die Wärme, von Zeit zu Zeit höre ich das Plantschen im Pool und fröhliches Gekreische von spielenden Kindern.

Weltreise für Groß und Klein
Gerade krabbelt eine Ameise über den Tisch vor mir. Sie läuft recht gezielt von der einen zur anderen Seite, verschwindet in einer Ritze und taucht kurze Zeit später mit einem kleinen Holzspänchen auf dem Rücken wieder auf. Weiter geht es diagonal über den Tisch, an der Tischkante herunter und nach einem akrobatischen Akt das Tischbein entlang bis zum Boden.

Für ihr Ameisen-Dasein bereist sie die Welt, erkundet von ihrer Kolonie aus das Umfeld, sorgt für Nachschub an Baumaterial oder auch Nahrung. Es ist keine Wissbegierde, die sie antreibt, auch will sie keine fremden Kulturen kennenlernen. Work-Life-Balance und Erholung von ihrer zweifellos anstrengenden Arbeit ist ihr fremd.

Noch mal ein Blick zum Pool. Lauter Menschen fernab der Heimat, zum Teil sind sie vermutlich stundenlang geflogen, zig tausend Kilometer von ihrer normalen Wohnung entfernt. Sie nutzen die Gelegenheit für eine Pause vom Alltag, lassen sich auf Ungewohntes ein und sind neugierig auf andere Mentalitäten und Speisen.

Da ist sie wieder, meine Ameise oder vielleicht ist es auch eine andere Vertreterin ihrer Kolonie, jedenfalls saust sie wieder zu der Ritze und kehrt beladen zurück. Arbeiterinnen, die vielleicht drei Jahre auf unserer Welt sind und in dieser Zeit für die Gemeinschaft und die Königin ihr Tagwerk vollbringen.

Welt in Reichweite zu bringen, vom Laufstall des Säuglings über den Wohnort für das Grundschulkind und die nächstgelegene Stadt für die Jugendlichen. Dann Kontakt zum Ausland, sei es im Urlaub oder im beruflichen Kontext – und damit die Erweiterung der Erfahrungen und im Idealfall eine Ergänzung des Welt-Bildes.

Langsam geht die Sonne unter. Sowohl die kleinen Lebewesen als auch die Menschen um mich herum ziehen sich langsam vom Pool und seinem Umfeld zurück. Für heute haben sie genug von der Welt gesehen, vielleicht nur ein paar Meter um Umkreis, vielleicht ein paar tausend Kilometer von zu Hause entfernt.

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Montag, 23. Juni 2025

Für Elise von mir

Beim Bereisen der Welt spielt für mich die Erhaltung der Erlebnisse in Form von Fotos eine wichtige Rolle. Da werden Aufnahmen vom Hotel, der Landschaft, der Menschen und allerlei Sehenswürdigkeiten angefertigt. Dank Handycam sind selbst tausende von Fotos weder ein Speicher- noch ein Kostenproblem.

Klassisch war man im Urlaub und hat dort Ansichtskarten gekauft. Von einem Fotografen bei optimalem Wetter perfekt in Szene gesetzt, mit optimaler Perspektive geschmackvoll  arrangiert. Ähnlich gute Fotos bieten auch heute die Hotelbetreiber, die Touristikbüros und die Kulturverbände an.

Doch das sind dann die Fotos von anderen. Und der strahlend blaue Himmel mit Wattewolken ist zwar wunderschön anzusehen, deckt sich aber nicht mit dem leicht verhangenen Himmel, den ich beim Besuch dieses Ortes erlebt habe. Deshalb greife ich in die Tasche, zücke mein Smartphone und drücke auf den Auslöser. Was übrigens auch der Mann neben mir macht und die Frau etwas weiter rechts auch.

Für Elise von mir
Jedem sein Foto, es ist alles schon mal abgelichtet worden, aber nicht von mir. Selbst wenn es viel schlechter ist als vom Profi, auch wenn es unprofessioneller aufgenommen, mangels Zoomobjektiv nicht perfekt ausgerichtet ist: Es ist mein eigenes Foto, liebenswert durch seine individuelle Prägung und Unvollkommenheit.

Persönlich kenne ich diesen Effekt auch bei anderen Eigenproduktionen. Sei es das etwas wacklig gemauerte Hochbeet, das leicht übergarte Gericht, die Klaviersonate mit ein paar Fehlern. Ich bin nun mal weder Maurer noch Koch noch Pianist. Aber was zählt ist der Antritt, die Authentizität und der ernstgemeinte Versuch, mit den eigenen Möglichkeiten das Beste zu erreichen.

Und so knie ich nieder und murmele: „Liebe Elise: Für dich von mir.“ Nicht so perfekt wie Lang-Lang, aber höchst eigenartig.

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Montag, 16. Juni 2025

Das kann alles mögliche sein

War ich vor ein paar Tagen mit einem Stihl-Gerät in der Fachwerkstatt. Meine Benzin-Motorsäge läuft nicht mehr, genau genommen kann ich sie zwar mit dem Seilzug anlassen, aber nach ein paar Sekunden geht sie dann wieder aus. Verdächtigerweise füllt sich auch die Benzin-Handpumpe nicht richtig mit Kraftstoff, egal wie oft oder fest ich sie betätige. In diesem Zustand liegt die Maschine jetzt vor mir auf dem Tisch in der Reparaturannahme.

Das kann alles mögliche sein
Ich erzähle dem Mitarbeiter von meinen Problemen und frage ihn nach seiner Einschätzung, was diese Probleme auslösen könnte. "Das kann alles sein", lässt er mich wissen. Es schließt sich ein Vortrag an, in dem von Luftfilter, Benzinpumpe, Vergaser, Kolben und Zylindern, der Welle und überhaupt allerlei Lagern die Rede ist. "Und die ist ja auch Baujahr 2009. Da dürfte so einiges verschlissen sein." - "Aber es ist eine Stihl. Da gehe ich doch von einer Qualität für Profis und entsprechender Haltbarkeit aus."

Er lässt sich nicht beirren, plappert munter weiter über teure Bauteile, dass sich eine Reparatur vermutlich nicht mehr lohnt. Rät mir, die Säge als defekt bei Ebay zu verkaufen und mir hier im Laden ein neues Modell auszusuchen. Wenn ich unbedingt wollte könne er sie in die Werkstatt geben, einen Kostenvoranschlag für 35 Euro machen lassen. Ich habe die kranke Motorsäge wieder vom Ladentisch genommen, einen guten Tag gewünscht und bin nach Hause.

Nach ein bisschen Recherche im Internet und Austausch mit ChatGPT konnte ich die Reparatur für wenig Geld selbst durchführen, sie läuft wieder, kein Ersatzteilspender bei Ebay. Natürlich kann es alles sein, aber am Ende gibt es wahrscheinliche und unwahrscheinliche Fehlerursachen. Und die sollte ein Fachmann an der Stihl-Reparaturannahme schon kennen.

In vieler Hinsicht erinnerte mich die Situation an einen Reparaturversuch meines Audis in der entsprechenden Fachwerkstatt in der Nachbarstadt. Ebenfalls ein jovialer Monteur, auch dort die Diagnose "Das kann alles sein." Seinerzeit war im Winter der Lüfter ausgefallen, zur Wiederherstellung sollten der Lüftermotor, sein Steuergerät und der Temperatursensor erneuert werden. Auf meinen Einwand, dass doch nicht alle drei Dinge auf einmal den Geist aufgeben, wurde ich mit der Erkenntnis "Das sagt die Diagnosesoftware" abgefertigt.

Auch in diesem Fall war die Lösung durch eine andere Werkstatt sehr viel einfacher, ziemlich erwartungsgemäß war es nur der preiswerte Sensor. Statt der avisierten rund 700 Euro kam ich mit unter 50 Euro einschließlich Einbau davon. Für den Audi-Spezialisten ein Armutszeugnis.

Als ich meiner Frau von diesen Erlebnissen erzählte, musste sie lachen. "Denkst du, das sind Einzelfälle? Das ist doch bei Ärzten nicht anders, nur, dass du es bei denen nicht mitbekommst. Da kommt es auch nicht gerade selten vor, dass die Diagnose nicht stimmt, ein Facharzt in einer gewissen Arroganz das Problem schon verstanden hat, bevor er dich gründlich untersucht hat." Vermutlich hat sie recht mit dieser Einschätzung. An allen Ecken und Enden sind wir umgeben von Menschen, die forsch daherkommen und entweder Fachkompetenz vorgaukeln oder von denen man diese angesichts ihrer Stelle vermutet.

Doch falsch. Entweder haben sie gar nicht so viel Ahnung, wie sie behaupten; Zum Teil bewusst oder unbewusst kennen sie sich gar nicht so gut aus. Oder sie wollen ihr Wissen an dieser Stelle gar nicht einsetzen, ist es doch geschäftstüchtig, dem Kunden zum Beispiel ein neues Gerät zu verkaufen.

Was hilft da? Trau-schau-wem ist eine gute Basis, Gutgläubigkeit eine schlechte. Doch man kann sich ja nicht in allen Themen zum Fachmann machen, ein mehr oder weniger tragfähiges Halbwissen anhäufen und auf Augenhöhe mit den Spezialisten diskutieren. In manchen Fällen hilft es, eine zweite Meinung einzuholen, hier ist das Internet und seit einiger Zeit insbesondere die Nutzung von Chatbots eine große Hilfe. Auch das Umhören bei Bekannten und die Empfehlung von guten und vertrauenswürdigen Ansprechpartnern ist nützlich. Wobei am Beispiel von Stihl einige meiner Nachbarn ganz begeistert von dem Betrieb sind - vermutlich, weil sie nicht merken, dass sie ziemlich einseitig beraten wurden.

Und so endet die Geschichte wie sie angefangen hat: "Das kann alles sein."

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Montag, 9. Juni 2025

Wischen und weiter

Neben mir ein junger Mann mit seinem Handy. Er vertreibt sich die Zeit mit dem kleinen Gerät, starrt darauf und flippt mit dem Finger durch ein Nachrichtenportal. Keine Nachricht hat mehr als wenige Sekunden, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, schon gleitet der Finger über den Bildschirm und schiebt das nächste Bild in den Mittelpunkt. Wischen und weiter, wischen und weiter. Ein Strom, als würde man aus dem Zugfenster schauen und in der Landschaft einzelne Bäume betrachten.

Wischen und weiter

Jetzt hebt er den Blick, und zu meiner Überraschung wischt der Finger trotzdem weiter. Er guckt gar nicht auf den Bildschirm, trotzdem werden im Sekundentakt die Artikel nach oben geschoben. Wischen und weiter, wischen und weiter. Ein Strom, als würde man am Meer sitzen und den Wellen zuschauen.

Er klappt die Handyhülle zu, schließt kurz die Augen, öffnet sie wieder mit leerem Blick. Es dauert keine Minute und das Handy ist wieder in Betrieb, diesmal scheint er bei Wikipedia gelandet zu sein. Von einem Artikel über Stichwörter mit Querverweisen arbeitet er sich durch die Enzyklopädie. Sind hier noch Bilder von Blumen zu sehen, sind es im nächsten Moment fremde Pflanzen und jetzt ein Flugzeug. Wischen und weiter, wischen und weiter. Ein Strom, als würde man von einem Klassenraum in den anderen laufen.

Das Handy wieder zu, starrer Blick auf den Boden, ohne Rührung scheint er die Zuganzeige zu betrachten. Der Hinweis auf die Zugnummer, das Laufband mit den nächsten Haltepunkten. Hier muss er nicht aktiv werden, die Anzeige wechselt auch ohne sein Zutun. Aber wie in Trance zuckt sein rechter Zeigefinger: Wischen und weiter, wischen und weiter. Ein Strom, als wäre man in einer Zeitschleife gefangen und erlebte immer wieder denselben Ablauf.

Der junge Mann dreht sich zu mir, oh Gott, denke ich, gleich wird er versuchen, das reale Bild um ihn herum durch eine Wischgeste zu verändern. Aber nichts passiert. Er blickt auf mein Laptop, vielleicht ein wenig mitleidig, weil es keinen Touchscreen hat. Ja, ganz sicher ist er damit überfordert, dass sich das Bild über mehrere Sekunden hinweg nicht ändert, kein hoch- und herunterscrollen. "Wischen und weiter, wischen und weiter, wischen und weiter" höre ich ihn denken.

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Montag, 2. Juni 2025

Hurra, da sind wir uns alle einig

Ich bin ja froh, dass wir Entscheidungen in ganz vielen Fällen des Lebens erst nach ausführlicher Diskussion und anschließender Abstimmung treffen. Da hat dann jeder die Möglichkeit, nicht nur seine Meinung zum Gesamtbild beizutragen, sondern sie am Ende dann auch zu vertreten. In demokratischem Ansatz entscheidet die Anzahl der Stimmen, eine Gewichtung ist nicht vorgesehen.

Vom Ansatz her und in zahlreichen Fällen ein guter Grundgedanke, wobei allerdings zu beachten ist, dass hier als Kriterium auch die Qualität der Argumente und deren Präsentation eine Rolle spielen. 
Wer überzeugende Zahlen hat, der zieht seine Partner mit, auch wenn diese Zahlen gar nicht stimmen.

Hrra, da sind wir uns alle einig

Jedenfalls bildet sich eine Gesamtmeinung aus, die auch auf den ersten Blick gesehen optimal erscheint. Per Definitionem landet man statistisch betrachtet im hohen Bereich der Glockenkurve einer Normalverteilung. Die Ränder werden in diesem Moment vernachlässigt. Das hat aber oft fatale Folgen. Einerseits resultiert daraus eine gewisse Selbststabilisierung ("hat sich bewährt"). Andererseits können auch alle falsch liegen.

Ich kam vor einiger Zeit an einer Reihe parkender Autos vorbei, die durchgehend einen Strafzettel an der Windschutzscheibe hängen hatten. Tja, auch wenn viele dort parken, es war an dieser Stelle nicht erlaubt. Sich der Mehrheit anzuschließen oder darauf zu vertrauen, dass die anderen schon wissen, was man darf oder nicht, das kann ins Auge gehen und wie in diesem Fall eine kostenpflichtige Fehleinschätzung einleiten.

Im Zusammenhang mit der Parksituation noch halbwegs harmlos, sind wir aber auch bei beruflichen Entscheidungen, in der Politik oder im privaten Umfeld anfällig für dieses Phänomen. Was viele für Recht halten, das muss auch Recht sein. Bis zu dem ausgeprägten Verständnis, dieses selbst definierte Rechtsempfinden auch noch lautstark zu vertreten, der juristischen Schwarmintelligenz also sozusagen eine Stimme zu geben.

Beim Parken ist das Kontrollieren der Beschilderung hilfreicher als die Orientierung am Verhalten der Mitmenschen. Geradezu erschreckend oft liegt nämlich die Mehrheit falsch, sei es aus Bequemlichkeit, sei es, weil sie ein geradezu naives Rechtsverständnis ausgebildet hat, das sie sich auch gerne in hitzigen Debatten bestätigt. "Mach die Welt, wie sie dir gefällt" ist in diesem Fall aber leider kein bewusster Prozess zur Umgestaltung, sondern ein Bauchgefühl, mit dem gesteuert und entschieden wird.