Ich bin ja froh, dass wir Entscheidungen in ganz vielen Fällen des Lebens erst nach ausführlicher Diskussion und anschließender Abstimmung treffen. Da hat dann jeder die Möglichkeit, nicht nur seine Meinung zum Gesamtbild beizutragen, sondern sie am Ende dann auch zu vertreten. In demokratischem Ansatz entscheidet die Anzahl der Stimmen, eine Gewichtung ist nicht vorgesehen.
Vom Ansatz her und in zahlreichen Fällen ein guter Grundgedanke, wobei allerdings zu beachten ist, dass hier als Kriterium auch die Qualität der Argumente und deren Präsentation eine Rolle spielen.
Wer überzeugende Zahlen hat, der zieht seine Partner mit, auch wenn diese Zahlen gar nicht stimmen.
Jedenfalls bildet sich eine Gesamtmeinung aus, die auch auf den ersten Blick gesehen optimal erscheint. Per Definitionem landet man statistisch betrachtet im hohen Bereich der Glockenkurve einer Normalverteilung. Die Ränder werden in diesem Moment vernachlässigt. Das hat aber oft fatale Folgen. Einerseits resultiert daraus eine gewisse Selbststabilisierung ("hat sich bewährt"). Andererseits können auch alle falsch liegen.
Ich kam vor einiger Zeit an einer Reihe parkender Autos vorbei, die durchgehend einen Strafzettel an der Windschutzscheibe hängen hatten. Tja, auch wenn viele dort parken, es war an dieser Stelle nicht erlaubt. Sich der Mehrheit anzuschließen oder darauf zu vertrauen, dass die anderen schon wissen, was man darf oder nicht, das kann ins Auge gehen und wie in diesem Fall eine kostenpflichtige Fehleinschätzung einleiten.
Im Zusammenhang mit der Parksituation noch halbwegs harmlos, sind wir aber auch bei beruflichen Entscheidungen, in der Politik oder im privaten Umfeld anfällig für dieses Phänomen. Was viele für Recht halten, das muss auch Recht sein. Bis zu dem ausgeprägten Verständnis, dieses selbst definierte Rechtsempfinden auch noch lautstark zu vertreten, der juristischen Schwarmintelligenz also sozusagen eine Stimme zu geben.
Beim Parken ist das Kontrollieren der Beschilderung hilfreicher als die Orientierung am Verhalten der Mitmenschen. Geradezu erschreckend oft liegt nämlich die Mehrheit falsch, sei es aus Bequemlichkeit, sei es, weil sie ein geradezu naives Rechtsverständnis ausgebildet hat, das sie sich auch gerne in hitzigen Debatten bestätigt. "Mach die Welt, wie sie dir gefällt" ist in diesem Fall aber leider kein bewusster Prozess zur Umgestaltung, sondern ein Bauchgefühl, mit dem gesteuert und entschieden wird.
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