Werfen wir mal einen Blick in den Kalender oder gleich ins Geschichtsbuch. Dann stellen wir fest, dass sich Kulturen entwickeln. Das muss man ganz neutral sehen, mal geht es aufwärts und es entsteht eine "Hochkultur", dann aber auch wieder abwärts: Die Schaffenskraft lässt nach, die Riten werden vernachlässigt, am Ende steht die Auflösung. Oft kommt es wie bei einer insolventen Firma zu einer Art Ausverkauf, Nachbarkulturen dringen ein, bringen ihren Anteil ein und sorgen so für eine Erweiterung oder Anpassung.
Man kann sich das römische Reich anschauen, das nach einer Blütezeit zerfiel, Griechenland oder auch das Morgenland, das zum Beispiel mit der Türkei einmal zu den Hochkulturen gehörte. Dieses Verständnis für Zyklen, das Entstehen wie auch das Vergehen von Kulturen, ist wichtig, wenn man sich die Situation im Deutschland des beginnenden einundzwanzigsten Jahrhunderts anschaut.
Wir blicken in den letzten hundert Jahre zurück auf Saus und Braus zurück, Phasen gewaltsamer Erweiterungsversuche, die in zwei Weltkriege mündeten. Wir schauen auch auf das German Wirtschaftswunder, historisch einzigartige Entwicklung von Bruttoinlandsprodukt und Wohlstand. Ein enormer und über Jahrzehnte stabiler Bedarf an Arbeitskräften, Gastarbeitern, Zugezogenen aus dem Ausland. Und natürlich die Flüchtlinge, die es in dieses friedliche Paradies zieht.
Als Zeichen der Rezession im Kulturzyklus beobachten wir Diskussionen über Einwanderung im Allgemeinen und den Versuch einer Definition von Deutschsein. Es ist schwierig zu bewerten, ob die bunte Vielfalt an Restaurants aller Nationen in diversen Städten eine Bereicherung oder eher der Anfang einer Infiltrierung sind. Wird die deutsche Sprache durch Sätze wie "Alter, was geht?" bereichert oder verstümmelt? Denn gerade Sprache ist sicher ein gemeinschaftstypisches Element, neben bestimmten Grundeinstellungen und Tugenden spielt sie eine zentrale Rolle bei der Identifikation einer Gemeinschaft und ihrer Kultur.
Welche Aspekte kann man verfolgen, um diese Zyklen einschätzen und managen zu können? Ich habe bereits die Sprache mit ihren Sprachbildern, Symbolen und Metaphern erwähnt, daneben spielt natürlich auch die Geschichte mit ihren Erfahrungen, Mythen und Meilensteinen eine Rolle. Und überhaupt die Identität, zu der Selbstbewusstsein, die Ausprägung von Patriotismus oder das Selbstwertgefühl gehören. Wenn wir noch die Einstellung wie gesellschaftliche Werte, Gesetze oder Ansichten hinzunehmen haben wir schon ein recht vollständiges Bild. Das man ergänzen kann und auch die gegenseitigen Abhängigkeiten berücksichtigen sollte.
Die Beobachtung von Veränderung ist politisch neutral, erst hieraus abgeleitete Maßnahmen können je nach Zielrichtung eine politische Farbe bekommen. Und auch hier zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass Aktivitäten zur Stabilisierung eines Zustandes einerseits nahezu immer in Mord und Totschlag enden, andererseits aber mittelfristig erfolglos sind. Veränderungen der Kultur kann man nicht aufhalten, bestenfalls kann man sie steuern. Und selbst das dürfte nur in seltenen Fällen und in begrenztem Umfang gelingen.
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