Gott sei Dank bin ich hier unsichtbar. Ich bin zwar nicht anonym, vielmehr habe ich einen echten Account mit ehrlich ausgefülltem Profil. Aber ich schaue nur zu, muss noch nicht einmal Geld einwerfen für eine Peepshow, in der sich andere Menschen darstellen, schön finden, sich feiern und sich feiern lassen.
Laut muss es sein, nicht zu perfekt, ein Kamerawackler hier, ein Störgeräusch da. Wenn es allzu fehlerarm daherkommt, ist es nicht mehr authentisch. Wir alle sind morgens auf dem Weg ins Badezimmer ein wenig zerknautscht, aber hier muss man das auch zeigen. Auf den Moment zu warten, wenn wir geduscht und mit einem Makeup aus dem Badezimmer kommen, scheint unfein.
Das alles macht nichts, denn Millionen Menschen sind Zuschauer, von wo auch immer sie den kleinen Reels und Memes folgen, sie liken oder in seltenen Fällen kommentieren. Auf dem Jahrmarkt der Selbstdarstellung darf man nicht allzu schnell heiser werden. Und sich daran messen, Lebensziel: Anzahl Follower und Klickzahlen.
Schnell muss es sein, wer nicht mit dem Dekobild, spätestens aber im Video innerhalb von drei Sekunden Interesse geweckt hat, ist schon wieder vergessen. Bummeln in einer belebten Fußgängerzone und der Versuch, hier den ganzen Tag Blickkontakte aufzubauen und Menschen kennenzulernen.
Tiefere Beschäftigung mit einem Thema ist ja auch nicht das Ziel dieser Plattformen, Oberflächlichkeit ist Programm. Dieser Nachfolger der Regenbogenpresse gewährt Einblick in andere Leben, nicht der unerreichbaren Royals und der High-Society, sondern der erreichbaren vermeintlich Gleichen.
Wie jedes System gibt es auch hier optimierende und selbstlernende Elemente. Sei es, dass der Algorithmus der Plattform die Beiträge gezielt verteilt und votet, auch die Orientierung an den erfolgreichen Veröffentlichungen führt zu einer auf den ersten Blick unbremsbaren Entwicklung dieses fröhlichen Treibens.
Und dann die Erkenntnis: Das ist alles real, die richtige Welt – Diese Personen gibt es wirklich, sie leben nicht irgendwo unerreichbar, sondern vielleicht ein paar Straßen weiter. Aber es ist nicht meine Welt, ich stehe wie im Zoo am Fenster eines Geheges und schaue dem bunten Treiben zu.
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