Montag, 6. Oktober 2025

Die Welt ist so einfach

Vor einigen Jahren hatte ich nach Betrachtung eines Vorgangs im geschäftlichen Umfeld eine Idee, wie man den Ablauf besser gestalten könnte. Es lag auf der Hand, einen umständlichen Entscheidungsweg stillzulegen, ein Gremium abzuschaffen und den Workflow zu automatisieren. Technisch gesehen alles ziemlich einfach.

Ich sprach mit meinem Bereichsleiter darüber und erläuterte ihm die einzuleitenden Maßnahmen, notwendigen Änderungen und insbesondere die in Aussicht stehenden Verbesserungen. „Lieber Eckhard“, ließ er mich wissen, „die Welt ist nicht so einfach.“

Die Welt ist nicht so einfach
Das war’s. Wie ein Schulbub war ich abgefertigt worden, hatte ich das deutliche Signal erhalten, dass ich die dahinerliegende Komplexität nicht durchdrungen hatte. Meine einfache Lösung war der Weltlage nicht angemessen. Es war vielleicht weniger eine Kritik an meiner Intelligenz als an meinem Verständnis für die Gesamtsituation. Schwierige Sachen erfordern schwierige Lösungen – basta.

Ich war damals ziemlich geknickt, einerseits, weil ich meine Lösung sehr gut fand, andererseits, weil ich von einer Führungskraft deutlich kritisiert worden war. Indirekt war es ja auch der Hinweis, dass ich mich um meine operative Arbeitsebene kümmern sollte, statt mir strategische Gedanken zu machen.

Heute weiß ich, dass ich Recht hatte und mein damaliger Bereichsleiter verkehrt unterwegs war. Die Welt ist einfach, und wenn sie es mal nicht ist, dann muss man sie als Mensch eben so lange vereinfachen, bis man sie handhaben kann. Wobei in diesem Zusammenhang das Bild des Hand-habens sehr schön illustriert, das dies auf allen Ebenen gilt.

Physiker entwickeln Modelle, erklären wichtige Phänomene durch Vereinfachung. Kinder sind da noch sehr geübt, es ist geradezu ihre Kernkompetenz, sich ihre Welt und ihr Wissen durch Weglassen unwichtiger Aspekte und Beschränkung auf das Wesentliche zu erschließen. Eine Eigenschaft übrigens, die wir an anderer Stelle bei Kindern bewundern, sie ihnen aber gleichzeitig im Laufe der Schulzeit weg-erziehen.

Und doch: So ganz einfach ist es eben doch nicht. Um Situationen zu bearbeiten oder Entscheidungen im Kontext mehr oder weniger deutlicher Vereinfachungen zu treffen gibt es verschiedene Bedingungen.

Die simpelste Voraussetzung ist eine gewisse Kindlichkeit oder Einfältigkeit. Wenn man die Abhängigkeiten nicht kennt, braucht man sich darüber auch keine Gedanken zu machen.

Alternativ kann man zwar einen gewissen Überblick haben, diesen aber bewusst ignorieren; Man könnte es als mutig bezeichnen, jedenfalls aber als experimentierfreudig.

Oder man besitzt die Fähigkeit, Sachverhalte zu zerlegen, sozusagen in ihre Atome aufzuteilen und auf der Basis dieser Analyse dann den Kern zu behandeln.

Für alle drei Typen finden wir schnell prominente Beispiele um uns herum: Donald Trump, der einfach Zölle verhängt; Elon Musk mit seiner Hartnäckigkeit beim Bau von Raketen; Stephen Hawkings, der das Universum populärwissenschaftlich erklärt.

Es geht also. Lieber Burkhard, die Welt ist so einfach.

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Montag, 29. September 2025

Brauchen wir Äpfel in der Schule?

Brauchen wir Äpfel in der Schule
So wie heute aktiv und kontrovers über Smartphones und Tabletts in Kinderhänden diskutiert wird, hatten wir diese Debatte schon einmal in den 1960er Jahren zum Thema Fernsehen. Eine Fraktion war der Meinung, dass Kinder unbedingt fernsehen sollten. Das neue Bildungsangebot und der Blick in die weite Welt wurden als eklatant wichtig angesehen. Kindern diese Möglichkeiten vorzuenthalten bremste sie in der Entwicklung und würde sich negativ auf die persönliche und später berufliche Entwicklung auswirken.

Andererseits wurden auch kritische Stimmen laut, die das TV als Verblödung brandmarkten, das Flimmern als augenschädlich einstuften und die Zeit vor dem Bildschirm als verlorene Zeit im Sinne jeglicher geistiger Tätigkeit bezeichneten. Diese Kritiker wurden durch das "Bildungsfernsehen" ruhiggestellt und es wurde durch Formate gegengehalten, die Wissensvermittlung und Bildung in den Mittelpunkt stellten.

Im Grunde erleben wir eine ähnliche Situation auch heute. Verkümmern Kinder, wenn sie nicht in den sozialen Netzen mitmischen, ist der Zugang zu Plattformen nicht nur akzeptabel, sondern sogar wünschenswert und schließen wir sie von den Entwicklungen der modernen Welt aus, wenn sie nicht mit iPad und Co in der Schule hantieren dürfen?

Wie gehabt auch hier lautstarke Befürworter einerseits und skeptische Stimmen andererseits. Die Feinmotorik der Hände würde mangels Handschrift nicht trainiert, das Sozialverhalten litte und die Bereitschaft zur Aneignung von Wissen ginge zurück. Daneben auch hier die Überlegungen zu der Belastung der Augen und dem Verkümmern der haptischen Sinnesorgane.

Alles also schon mal dagewesen. Und vermutlich läuft es auch wieder darauf hinaus, dass der Trend zwar nicht aufzuhalten ist, aber mit der Zeit ein gewisses Maß findet, das in einer mittleren Nutzung liegt. Und man wird wieder mal feststellen, dass weder ein totaler Entzug noch ein ungebremster Zugang richtige Ansätze sind. Wichtiger als beim TV ist allerdings die Missbrauchswahrscheinlichkeit wesentlich höher: Die Übel der abzulehnenden Inhalte - seien sie politisch verfärbt, irreführend, gewaltverherrlichend oder ähnlich - sind hier geradezu allgegenwärtig.

Und in Kombination mit dem grundsätzlich verkehrten Eindruck über die Allwissenheit des Internets lernen die Kinder vor allem eins: Sie müssen nicht lernen. Was fatale Folgen nicht nur auf die individuelle persönliche Entwicklung, sondern auch auf die Gesellschaft hat.

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Montag, 22. September 2025

Das Ende der Ehrfurcht

Ich stehe in einer historischen Bibliothek. Ein großer Bau, darin Klassiker der Literatur aus einer Vielzahl an Ländern. Auf Papier fixierte Kultur der Generationen. Buch an Buch, nach irgendwelchen Kriterien geordnet und zum Teil nur mit einer Leiter erreichbar. Unter den Augen des gestrengen Bibliothekars.

Das Ende der Ehrfurcht
Unermessliches Gut, von Tausenden Schriftstellern aufgeschrieben, jeder in seinem eigenen Stil, einem Genre zugeteilt, mal sachlich, mal phantasievoll, mehr oder weniger emotional. Jedes Buch eine eigene Geschichte, nicht nur die in ihr erzählte, auch die des Erzählers. Und dann die Ehre, in diesem Tempel der Kultur eingestellt zu sein.

Doch nicht nur hier. Digitalisiert sind diese Bücher auch in elektronischer Form zu haben. Sie sind in Nullen und Einsen binärisiert worden, haben keine Form und keinen Geruch mehr, keine mehr oder weniger vergängliche Geschichte, keine Einzigartigkeit mit einem Eselsohr auf Seite 70. Uniform, per Mausklick kopierbar, von KI analyiserbar.

Die gesamte Bibliothek, so beeindruckend sie auch hier vor mir liegt, geht in meine Hosentasche. Ein USB-Stick kann alle Inhalte aufnehmen, mehr noch, mit seinem Freund dem Computer kann er sie zusammenfassen, vergleichen, auf Knopfdruck katalogisieren und Bewertungen hinzufügen. Weltweit und ohne Wartezeit.

Und nicht nur die Zeremonie und der Weg vom kreativen Einfall über das Skript, den Verlag und die Veröffentlichung bis zur Aufnahme in dieses Archiv sind heute ganz anders, nämlich kürzer und schneller. Zusätzlich ist auch der Einstieg viel einfacher, jeder kann seinen Computer als Schreibmaschine, seinen Internetbrowser als Einstieg in die Veröffentlichung nutzen. Keine Qualitätssicherung, kein mühsamer Weg auf die Bühne oder in die Bibliothek.

Alles ist einfacher und schneller. Und wie beim Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage resultiert aus dieser Vereinfachung eine Vervielfachung der Produktion. Manchmal habe ich den Eindruck, nahezu jeder Deutsche hat schon mal ein Buch geschrieben, ein Schreibwerk erzeugt, das vielleicht sogar gedruckt und in ein Cover gebunden wird.

Die hohe Anzahl an Neuerscheinungen führt dann letztlich dazu, dass die übersättigten Leser sich auf das konzentrieren, was alle lesen, Bestseller-Listen stehen im Mittelpunkt. Einen kulturellen Wert, der sich aufzuheben und in eine historische Bibliothek aufzunehmen lohnt, muss man wie die Nadel im Heuhaufen suchen.

Während ich noch in der Bibliothek stehe und mir diese Gedanken mache, ist die Sonne fast vollständig untergegangen, in der Dämmerung und der stilvollen Beleuchtung kommen die alten Schätze noch besser zur Geltung. Habe ich hier ein schützenswertes Gut vor mir oder ein langsam verstaubendes Relikt aus einer zu Ende gegangenen Zeit?

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Montag, 15. September 2025

Stichwort Wertschätzung

Ich war jetzt letztlich auf einem kleinen, aber sehr feinen Musikkonzert. Alles war hochwertig, die Musiker konnten mit ihren Instrumenten umgehen, die Texte waren hochwertig geschrieben, das Arrangement und die Technik vom feinsten.

Und doch konnte dieses Ensemble nur eine recht überschaubare Zahl von Zuschauern für sich gewinnen, war selbst der kleine Saal bedauernswert leer. Gemessen am Standard, der tagtäglich im Radio zu hören ist, den wir auf den Megakonzerten präsentiert bekommen und womit die Agenturen fette Gewinne machen, war dies eine herausragende Leistung. Trotzdem waren die Ränge leer, obwohl die Werbung recht deutlich auf die Veranstaltung hingewiesen hatte.

Stichwort Wertschätzung
Ein wichtiger Grund ist der Schneeball-Effekt. Wenn eine Band erst mal einen gewissen Namen hat kommen Zuschauer, die weitere Zuschauer mitbringen, was zu Buchungen in größeren Hallen und damit größerer Sichtbarkeit führt. Und eine Formation, die vor ausverkauften Stadien auftritt, muss ja gut sein, da „geht man hin“.

Und zweitens spielen dann zunehmend die gegenseitigen Empfehlungen eine Rolle. Vorgruppe der Scorpions zu sein ist als solches schon ein Ritterschlag. Im Fernsehen bei irgendwelchen Talkshows von Prominenten erwähnt zu werden ist mehr wert als ein Plakat an der Bushaltestelle von Georgsmarienhütte.

Die Empfehlung eines Formel-1-Fahrers wiegt dann mehr als die Aussage eines Musikkenners, ein hübscher und authentischer Influencer kann seine Anhänger stärker in Bewegung setzen als eine Erwähnung im Literarischen Quartett.

Wertschätzung für den Auftritt, für ein Angebot, ein Kunstprodukt bemisst sich damit bei weitem nicht nur an der eigentlichen Qualität. Es ist auch eine Frage des Preises (was nichts kostet ist auch nichts), der Knappheit (Karten schnell ausverkauft), der Konkurrenz (mein Freund leistet sich das) und der Empfehlung (wenn Lothar Matthäus das sagt).

Fazit: Man kann mit dem Strom mitschwimmen und gemeinsam mit der Mehrheit wunderbare Veranstaltungen erleben. Aber wie bei Marius Müller Westernhagen zu hören ist: „Gold find man bekanntlich im Dreck, und Straßen sind aus Dreck gebaut“. Einen Wert zu schätzen erfordert manchmal etwas mehr als nur dem Getöse der Influencer zu lauschen oder sich von Bekannten einen Floh ins Ohr setzen zu lassen. Augen und Ohren auf, Wertschätzung ist eine sehr individuelle Leistung, und zwar sowohl auf der Angebotsseite als auch auf der Abnehmerseite.

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Montag, 8. September 2025

Das Kölner Grundgesetz (9..11)

Das "Kölner Grundgesetz", eigentlich das Kölsche Grundgesetz, ist keine offizielle Gesetzessammlung, sondern eine Sammlung von elf kölschen Lebensweisheiten, die eine gelassene und humorvolle Grundhaltung gegenüber dem Leben und neuen Entwicklungen ausdrücken. Es besteht aus Sprüchen auf Kölsch, die die kölsche Mentalität und Kultur widerspiegeln.

Das Kölner Grundgesetz 9..11

Werfen wir abschließend noch mal einen Blick hinter die lustigen Aussagen und ergründen ihren philosophischen oder psychologischen Gehalt, insbesondere aber auch die Botschaften und die verschiedenen Seiten deren Interpretation. Zur Abrundung gibt es eine kurze Ableitung, die sich aus den elf Artikeln ergibt. (-> Artikel 1..4, -> Artikel 5..8)

Artikel 9: Wat soll dä Kwatsch?

Das mehr oder weniger heimliche Infragestellen von Vorgaben und der unauffällige Widerstand sind passive Element der Kölner Seele. Römer, Franzosen, Preußen oder auch Nazis: Alle waren mal in Köln und sind auch wieder verschwunden. Alles Kwatsch, der Kölner nur in ihrer Ruhe stört und durch das Einziehen des Kopfes überstanden wird.

Dinge in Frage zu stellen, nach dem Sinn von Anweisungen zu forschen und im Grunde erst mal abzulehnen, führt zu einer gewissen hartnäckig -konservativen Grundhaltung, die allerdings durch die Erkenntnis „Jede Jeck is anders“ liberal ausgelebt wird.

Nicht überraschend kommt man andererseits auch nicht voran, wenn man alles Ungewohnte leichtfertig als Kwatsch bezeichnet und alles Unbekannte in Frage stellt. Wer in einem solchen Umfeld Impulse setzen will, sieht sich erst mal in Erklärungsnot, muss begründen, welches Ziel dieser oder jener Antritt verfolgt. Neben der erwarteten Begründung ist dabei insbesondere der initial ablehnende Standpunkt ausgesprochen hinderlich.

Die grundsätzlich richtige Frage nach dem „Warum“ kippt in Artikel 9 leicht in ein Werkzeug, mit dem man sich in der Komfortzone verankern kann.

Artikel 10: Drinks de ejne met?

Nicht ohne Grund gibt es in Köln eine Vielzahl an Brauereien und Biersorten. Das Obergärige ist Teil der Kultur und wird unaufgeregt mit dem Umfeld geteilt. Dabei erfüllt es verschiedene Funktionen, sei es als Eisbrecher beim Kontaktaufbau, als anregendes Alkoholgetränk oder zur Gruppendefinition, wenn für eine Gesellschaft ein gemeinsamer „Deckel“ herhält.

Unbürokratische Einladung zu einem Glas, das Angebot ins Gespräch zu kommen und ohne große Hürde zumindest temporär Teil der Gemeinschaft zu sein, gehört kulturell zusammen. Wer in der Nähe sitzt, muss sich um Kontakt nicht unbedingt bemühen.

Dieser einfachen Form der Integration steht natürlich auch eine gewisse Unverbindlichkeit zur Seite. Ein Kölsch miteinander zu trinken bedeutet keine tiefe Freundschaft, auch wenn man sich schnell über persönliche Themen unterhält. Schnell rein kann durchaus auch schnell weiter bedeuten, ermöglicht aber auch das Knüpfen von zahlreichen Kontakten.

Vernetzung ist das Stichwort, das man im geschäftlichen Umfeld hierfür verwendet. Mit jedem mal ein Kölsch trinken, über das sprechen, was einen beruflich oder privat bewegt und vielleicht zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen, ist elementare Basis für den sprichwörtlichen Kölner Klüngel.

Dabei sind Seilschaften, Lobbys oder Clubs und Vereine auch anderswo absolut gängig. Nur, dass sie in Köln weniger formal sind, sondern eher allgegenwärtig. Kein Wimpel, keine Mitgliedschaft, einfach ein Thekenbruder.

Artikel 11: Do laachs de disch kapott.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Kopfschüttelnd über die Welt, die Umgebung oder auch sich selbst. Humor wird hier eingesetzt als Mittel, um das Leben leichter anzugehen, Kritik oder Konfrontation durch ein Lachen zu ersticken.

Warum sollte ich mich auflehnen, wenn ich es durch ein Lachen abtun kann. Energieschonend und so doppeldeutig, dass man mir nicht vorwerfen kann, dass ich die Untertänigkeit verweigere oder mich in die Untätigkeit zurückziehe.

Daneben ist das Lachen aber auch eine Form, sich von Dingen zu distanzieren. Wenn ich über Sachverhalte oder Mitmenschen nur lache, dann nehme ich sie nicht ernst. „Lass sie machen, darüber lache ich mich kaputt“ ist auch ein Weg, um sich erst gar nicht damit zu beschäftigen.

Ist eine Situation verfahren, dann kann ein fröhliches Lachen die Stimmung wieder entspannen. Oder auch aufheizen, wenn ich durch einen Lachanfall demonstriere, dass mir die ganze Szene lachhaft erscheint. Die Formulierung von Artikel 11 ist so zu verstehen, dass man dabei den Kopf schüttelt und eine Beschreibung anhängt (im Sinne von „stell dir vor…“), die die Kritik konkretisiert oder etwas ins Lächerliche zieht (im Sinne von „das darf doch nicht wahr sein...“).

Ableitung

Ein wichtiger Komplex der kölner Seele ergibt sich erst als Ableitung aus den elf Artikeln. Wir finden in den Aussagen „Levve un levve losse“, „Jede Jeck is anders“ und „Wemm et jefällt…“ die liberale Grundhaltung, die in der Kultur verankert ist. Dabei steckt in dem ersten Sinnspruch ein wenig des savoir vivre, das die Franzosen hinterlassen haben.

Überhaupt wird die Offenheit für Anderssein primär aus der Bequemlichkeit gespeist, sich das eigene Leben nicht stören zu lassen. Warum sollte ich etwas gegen Homosexuelle haben, wenn sie mich nicht in meiner Gestaltung stören. Und andere Religionen sind mir im Grunde ähnlich unwichtig wie das eigene „hillije Kölle“, in dem ich mit Regelmäßigkeit kritisch mit dem Bischof aneinander gerate.

Diese zentrale Unstörbarkeit der Ruhe resultiert natürlich in einer massiven Schwierigkeit, solche Menschen zu steuern. Wer Drohungen nur soweit ernst nimmt, wie er nicht dramatisch in seiner Lebensgestaltung gestört wird, der beschleunigt den Schritt nur, wenn er selbst das möchte. Zum Beispiel beim Christopher Street Day, den die Kölner sofort als Modifikation von Fastelovend verstanden und in ihr Kulturgut aufgenommen haben.

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Mittwoch, 3. September 2025

Das Kölner Grundgesetz (5..8)

Das "Kölner Grundgesetz", eigentlich das Kölsche Grundgesetz, ist keine offizielle Gesetzessammlung, sondern eine Sammlung von elf kölschen Lebensweisheiten, die eine gelassene und humorvolle Grundhaltung gegenüber dem Leben und neuen Entwicklungen ausdrücken. Es besteht aus Sprüchen auf Kölsch, die die kölsche Mentalität und Kultur widerspiegeln.

Das Kölner Grundgesetz 5..8


Setzen wir unseren Blick hinter die lustigen Aussagen fort und ergründen ihren philosophischen oder psychologischen Gehalt, insbesondere aber auch die Botschaften und die verschiedenen Seiten deren Interpretation. (-> Artikel 1..4)

Artikel 5: Et bliev nix wie et wor.

Dass die Welt sich dreht und das Wasser den Rhein herunterläuft, war den Kölnern schon vor Jahrhunderten klar. Zweifellos erfahren wir in der heutigen Zeit eine Dynamik, die wir bisher nicht erlebt haben. Grundsätzliche Veränderungen sind häufiger als eine Menschengeneration, dauernde Anpassung ist unabdingbar.

Wenn man dies im Hinterkopf hat, liegt es nahe, sich auf Veränderungen einzustellen, von vornherein Flexibilität in das Leben zu integrieren. Heutige Lösungen, aktuelles Wissen, etablierte Abläufe, alles ist im Fluss und Evolution oder gar Eruption unterworfen.

Doch andererseits scheint es dann wenig sinnvoll, sich ausführlich mit dem heutigen Stand zu beschäftigen. Morgen passt es ja ohnehin nicht mehr, gibt es dies oder jenes nicht mehr oder läuft ganz anders. Warum also Energie in Optimierung stecken, die ja nur eine begrenzte Halbwertszeit hat.

Überhaupt wird damit der Aspekt der Nachhaltigkeit in Frage gestellt. Langfristig zu denken passt nicht zur Einstellung, dass sich die Bedingungen unabsehbar ohnehin ändern. Strategie spielt eine Rolle, aber auf heutigen Daten kann man nicht aufsetzen, da sie nicht in die Zukunft übertragbar sind.

Artikel 6: Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet.

Gerade Beratungshäuser leben davon, dass sie immer wieder Trends entdecken, Neuerungen ausrufen und vehement für die Berücksichtigung dieser Themen eintreten. Wer nicht mitmacht, muss mit schlimmen Konsequenzen rechnen, beängstigende Szenarien werden wortreich ausgemalt.

Hier mit Augenmaß zu agieren ist ein Gebot der Stunde. Nicht jeder Megatrend ist wirklich so zentral, nicht jede avisierte Kundenerwartung tritt wirklich so ein. Neuerungen darf man also getrost mal in Frage stellen, die Relevanz auf sein persönliches Umfeld prüfen und im Zweifelsfall erst mal zurückhaltend agieren.

Wenn dies aber zur allgegenwärtigen Haltung wird und jede Veränderung als beängstigendes Ändern der Gewohnheit und Verlassen der Komfortzone verstanden wird, dann sind auch sinnvolle Entwicklungen von vornherein blockiert. 

Wer alles, was er nicht kennt als entbehrlich verwirft, der distanziert sich innerlich von jeder Form des Lernens. Es ist sozusagen das Gegenteil von Neugierde, Wissbegierde oder Fortschrittswillen. Und das ist natürlich bequem, denn die Beschäftigung mit Unbekanntem kostet Zeit und Energie, und birgt die Gefahr, dass man abgehängt wird.

Artikel 7: Wat wells de maache?

In den ersten Wochen eines Jurastudiums lernt man die beiden Grundfragen eines Juristen kennen. „Bin ich zuständig?“ und „Ist [die Klage] [hier] zulässig?“ Wenn ich prinzipiell der Meinung bin, dass ich Einfluss nehmen kann, dann stelle ich mir doch die Fragen, ob es meine Aufgabe ist und wie ich die Sache angehen sollte.

Entspannend weißt Artikel 7 darauf hin, dass vieles vom Schicksal beeinflusst wird, folglich ein gewisser Fatalismus angeraten ist. Mehr oder weniger schulterzuckend stellt man sich die Frage, ob Engagement angebracht ist oder man es einfach laufen lässt und als gegeben akzeptiert.

Wir begegnen also auch in diesem Artikel der kölschen Gemütlichkeit, um nicht zu sagen Lethargie, erkennen die negative Ausprägung von Gelassenheit wieder. Bevor man überhaupt in die Prüfung der Zuständigkeit und Zulässigkeit eintritt, kann man sich schon zurücklehnen und auf äußere Gewalt verweisen.

Andererseits verhindert man so auch jede Form von Übereifer. Wer sich erst mal fragt, ob es nicht unbeeinflussbares Schicksal ist, der stirbt nicht an Herzinfarkt. In der Ruhe liegt die Kraft, legt uns der Ansatz nahe.

Artikel 8: Maach et joot, ävver nit zo off.

Ansonsten eher gemütliche Menschen, gibt es bei Kölnern eben doch ein paar Aktivitäten, bei denen sie in Schwung kommen. Dazu gehört insbesondere ihre Pflege von Beziehungen. Freunde, Nachbarn, das Viertel und natürlich die Familie sind wichtig und bekommen gerne die Energie ab, die sie bei der Arbeit gespart haben.

Treffen und miteinander reden ist wichtig, aber auch allerlei Formen der körperlichen Begegnung. In diesem Artikel wird frivol auf das Liebesleben angespielt, das natürlich in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt. 

Im übertragenen Sinne sind aber auch die tägliche Arbeit oder schlicht alle Vorgänge im Leben gemeint. In Abwandlung erklärt auch mancher Kölner „man kann et uch üvverdrive“ und weißt damit auf die Suche nach angemessener Qualität oder Quantität hin. Man kann des Guten auch zu viel tun, dann kippt es von positiv in kritisch.

Der Haken ist allerdings, dass schwer zu beschreiben ist, wann etwas „zu oft“ ist. Wenn man die Messlatte niedrig genug einstellt, kann man sich sein Leben sehr entspannt einrichten. Unter Hinweis auf die abgelieferte Qualität ist dann der Weg frei, sich von lästiger Wiederholung zu befreien.

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Montag, 25. August 2025

Das Kölner Grundgesetz (1..4)

Das "Kölner Grundgesetz", eigentlich das Kölsche Grundgesetz, ist keine offizielle Gesetzessammlung, sondern eine Sammlung von elf kölschen Lebensweisheiten, die eine gelassene und humorvolle Grundhaltung gegenüber dem Leben und neuen Entwicklungen ausdrücken. Es besteht aus Sprüchen auf Kölsch, die die kölsche Mentalität und Kultur widerspiegeln.

Kölner Grundgesetz 1..4

Werfen wir einen Blick hinter die lustigen Aussagen und ergründen ihren philosophischen oder psychologischen Gehalt, insbesondere aber auch die Botschaften und die verschiedenen Seiten deren Interpretation.

Artikel 1: Et es wie et es.

In der heutigen Zeit wird oft von Gelassenheit gesprochen. Der Begriff bezieht sich darauf, etwas zu akzeptieren, eine Situation als unbeeinflussbar in Kauf zu nehmen. Man lässt sie zu, weil man sie nun mal nicht ändern kann.

Als Folge steckt man seine Energie nicht in Dinge, die nicht im eigenen Verantwortungsbereich liegen oder gar auf höhere Gewalt zurückzuführen sind. Behördliche Anordnungen trägt man mit Fassung, auch auf Wetter kann man sich nur bestmöglich einstellen.

Kehrseite der Medaille ist eine gewisse Lethargie. Wenn ich alles nur über mich ergehen lasse, fehlt jeglicher Antritt, etwas in Frage zu stellen oder gar ändern zu wollen. Damit ist die Einstellung „das ist nun mal so“ ein merklicher Hemmschuh bei jedem Änderungsimpuls.

Auch der Bequemlichkeit wird damit Vorschub geleistet. Wer selbst unsinnige Vorgaben klaglos erfüllt, holt sich keine blutige Nase, Verantwortung muss man so nicht übernehmen und die Komfortzone in keinem Moment verlassen.

Artikel 2: Et kütt wie et kütt.

Neben der Erkenntnis, dass alles „irgendwie“ weitergeht, steckt auch das Verständnis dahinter, dass man nicht wirklich in die Zukunft schauen kann. Es gibt sie und auch morgen geht die Sonne auf, aber alles andere kann man nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erraten. Entsprechend kann man Enttäuschungen vermeiden, wenn man nur eine unklare Erwartung an die Zukunft hat.

Nennen wir es also mal Erwartungsmanagement, durch das wir uns auf einen realistisch beeinflussbaren Teil der zukünftigen Abläufe konzentrieren. Daneben steckt aber auch das Verständnis dahinter, dass jede Planung immer gewisse Risiken birgt. Man kann versuchen, durch geschickte Mechanismen zukünftig auftretende Pannen zu minimieren, aber am Ende ist oft doch ein anderer Weg durchlaufen worden, als man vorgesehen hat.

Treibt man Artikel 2 auf die Spitze, dann verzichtet man komplett auf jede Form der Planung. Sie scheint nicht sinnvoll, denn es kommt ja doch anders. Vorgänge einfach laufen zu lassen, Projekte sich selbst zu überlassen und überhaupt alles steuerungslos drauflos zu machen, scheint damit der richtige Weg.

Abgesehen davon, dass dieser Antritt sehr bequem und arbeitssparend ist, vermeidet er auch Verantwortung für Planung oder Fehlplanung. Was dann auch zur Folge hat, dass man nicht aus Planungsfehlern lernt. Optimierung Fehlanzeige.

Artikel 3: Et hätt noch emmer joot jejange.

Positiv in die Zukunft zu schauen ist eine gute Grundlage für optimistischen Fortschritt. Kein Platz für depressive oder auch nur skeptische Gedanken, denn am Ende wird erfahrungsgemäß doch alles zu einem guten Ende kommen.

Der Rückblick auf die bisherigen Vorgänge und die Einschätzung, dass diese gut gelaufen sind, ist dabei ein wichtiger Bestandteil. Denn der Begriff „immer“ impliziert, dass früher alles gut war, dass wir auf der Basis positiver Erinnerungen Vertrauen in die zukünftigen Abläufe haben dürfen.

Andererseits entbindet uns Artikel 3 auch von steuernden Eingriffen. Warum sollte ich irgendetwas machen, aktiv werden, für eine optimale Entwicklung sorgen, wenn es ja doch wie immer gut wird. Eine gewisse Lethargie und Bequemlichkeit der Lebensführung steckt also auch in diesem Artikel. 

Und es ist tendenziell ein Gegengewicht, wenn wir über Abweichung von Gewohnheiten nachdenken. Was gestern gut war, wird auch morgen funktionieren; Wieso also bewährte Abläufe ändern oder auch nur in Frage stellen?

Schließlich ist eine gesunde Skepsis oder Sorge ein wichtiger Treiber für Unfallverhütung. Wackelige Konstruktionen, murksige Abläufe oder fragwürdige Ansätze müssen durchdacht und korrigiert und verbessert werden. Auf ein gutes Ende zu hoffen, auch wenn die Qualität mangelhaft ist, dürfte keine gute Idee sein.

Artikel 4: Wat fott es, es fott.

Ich kenne viele Menschen, die gar nicht heute leben, sondern noch in der Vergangenheit gefangen sind. Sie denken an ihre ehemalige Arbeit, an ihre Jugend, ihre verlorene Sportlichkeit oder hadern mit dem Alterungsprozess ihres Körpers. Wie wohltuend ist es da, wenn man sich klar macht, dass man zwar mit dem Schicksal hadern kann, dass man in Erinnerungen schwelgen oder vergangenen Qualitäten oder Dingen hinterhertrauern kann; Dass es aber viel konstruktiver ist, loszulassen und nach vorne zu schauen.

In abgewandelter Form begegnen wir hier Artikel 1, der eine gewisse Gelassenheit fordert und im Schwerpunkt die Akzeptanz nicht beeinflussbarer Tatbestände erwartet. Ein verlorener Gegenstand ist weg, das lässt sich nach Suchen und Fundbüro nicht mehr ändern. Der jugendlich Teint, die damalige Sportlichkeit und Attraktivität sind irgendwann nicht mehr vorhanden.

Doch gerade diese zwar grundsätzlich vergänglichen Aspekte kann man natürlich schon ein wenig beeinflussen. Regelmäßigen Sport, Körperpflege und Beschäftigung mit der äußeren Erscheinung kann man sich unter Hinweis auf den Zahn der Zeit sparen. Und auch die Überführung der Flitterwochen in eine lebenslange Partnerschaft ist nicht notwendig, denn „Honeymoon is over“.

Abnehmende Liebe, die Einkehr vom Alltag in eine Beziehung oder auch in die Arbeit sind Veränderungen, gegen die man aktiv gegenhalten kann. Was allerdings ein mühsames Geschäft ist, das sich durch den Hinweis der Vergänglichkeit vermeiden lässt. Hier kann man sich dann auf Artikel 4 berufen und nüchtern feststellen, dass es nun mal weg ist.

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