Montag, 26. Oktober 2020

TAV des Teufels (Staffel 1, Folge 3)

TAV des Teufels (Staffel 1 Folge 3)
Im wirklichen Leben bin ich ein freundlicher TAV (Technischer Anwendungsverantwortlicher). Zuvorkommend, hilfsbereit, immer ein offenes Ohr für meinen Fachbereich, kooperativ und kollegial. Aber wenn in den dunklen Stunde Dr. Jekyll durch Mr. Hyde verdrängt wird, kommt eine andere – auch mir selbst seltsam fremde - Seite hervor: egoistisch, Kleinmacht-besessen, rücksichtslos und arbeitsscheu, dann bin ich der TAV des Teufels…

(1-3) Unfassbar, es gibt Zeitgenossen, die versuchen, mich über Skype zu irgendwelchen bescheuerten Meetings einzuladen. Ich brauche die einfach nicht. Mein Computer ist mir genug, da brauche ich keine Nervensägen und Dorftrottel, die stundenlang über Pillepalle diskutieren. Mit morgendlichem Start durchwandert mein Skype-Status deshalb alle möglichen Optionen, von „Beschäftigt“ über „Nicht stören“ bis „Am Telefon“. Das ist dann doch wohl eindeutig.

Die Renitenten versuchen es trotzdem. Sowas kann ich natürlich nicht durchgehen lassen. Zur Vorbereitung ist mein Kalender bis auf halbstündige Scheiben randvoll. Und ein kleines Skript erledigt für mich die automatische Ablehnung von Einladungen, mal unter Vorbehalt verschoben auf exotische Zeiten, mal mit der Rückfrage nach einer Agenda und genauer Begründung, warum ich dabei sein muss.

Leider dauert es bei einigen Leuten Wochen, bis sie begreifen, dass sie ihre Kaffeekränzchen ohne mich machen müssen. Gott sei Dank ist mein Skript geduldig und lehnt auch die x-te Einladung stoisch wieder ab.

Montag, 19. Oktober 2020

TAV des Teufels (Staffel 1, Folge 2)

TAV des Teufels (Staffel 1 Folge 2)
Im wirklichen Leben bin ich ein freundlicher TAV (Technischer Anwendungsverantwortlicher). Zuvorkommend, hilfsbereit, immer ein offenes Ohr für meinen Fachbereich, kooperativ und kollegial. Aber wenn in den dunklen Stunde Dr. Jekyll durch Mr. Hyde verdrängt wird, kommt eine andere – auch mir selbst seltsam fremde - Seite hervor: egoistisch, Kleinmacht-besessen, rücksichtslos und arbeitsscheu, dann bin ich der TAV des Teufels…

(1-2) Ruft mich doch tatsächlich ein Anwender an. Ich verstehe das nicht. Wann kapieren die Menschen endlich, dass man alles mit mir machen kann, so lange man mich in Ruhe lässt. Anrufen geht jedenfalls gar nicht. Mit wenigen Mausklicks bin ich im Active Directory, ganz scheinheilig frage ich nach der Benutzerkennung. Während er mir die Ohren vollheult, habe ich ihn in im Zugriffsbaum gefunden und wähle genüsslich eine Berechtigung aus, die er in wenigen Minuten nicht mehr haben wird.

Nachdem das erledigt ist, lege ich einfach auf. Soll bloß nicht auf die Idee kommen, wieder anzurufen. Meine Telefonleitung ist für den Rest seines Lebens für ihn gesperrt.

[Fortsetzung "TAV des Teufels"]

Freitag, 16. Oktober 2020

Du bist hier und jetzt – sonst ist der Finger ab

Diese kleine Geschichte geht zurück auf meine Lehrzeit. Wie mir die Gesellen erzählten, hatte ein früherer Lehrling die Aufgabe, zur Übung ein paar Holzstücke mit dem Handhobel in Form zu bringen. Nun ist das gar nicht so einfach und für Anfänger eine recht mühsame Arbeit. Also nahm der Lehrling sich das Holz, startete die Kappkreissäge und wollte das Werkstück in die vorgegebene Form bringen. Es war ihm klar, dass die elektrische Kreissäge für ihn noch tabu war. Auch war die Aufgabe ja eindeutig auf manuelle Arbeit ausgerichtet

Entsprechend wartete er einen unbeobachteten Moment ab, schaute zur Tür vom Büro (wo der Meister saß) und senkte mit der rechten Hand die Säge, während die linke das Holzteil hielt. Zu seinem Unglück hatte er falsch geschätzt und teilte mit Schwung nicht nur das Holz, sondern auch einen Finger.
Das geht in einer Tischlerei rasend schnell. Jede Unaufmerksamkeit, jede Ablenkung führt sehr leicht zu einem Unfall. Eine wichtige Grundregel lautet daher, dass man immer dahin schaut, wo man arbeitet.

Im Büroalltag ist natürlich kein Finger ab. Aber die Konzentration und Aufmerksamkeit auf die Arbeit, die wir gerade erledigen, ist auch hier wichtig. Wenn wir im Wesentlichen darauf achten, nicht erwischt zu werden, dann sind wir nicht ausreichend fokussiert auf die eigentliche Aufgabe. 
Und auch die vermeintlich geschickte Erledigung lästiger Arbeit durch Maschinen (z. B. RPA = Robot Process Automation) sollte nur jemand machen, der – noch mal als Tischler formuliert – einen Maschinenschein hat.

Montag, 12. Oktober 2020

TAV des Teufels (Staffel 1, Folge 1)

TAV des Teufels (Staffel 1 Folge 1)
Im wirklichen Leben bin ich ein freundlicher TAV (Technischer Anwendungsverantwortlicher). Zuvorkommend, hilfsbereit, immer ein offenes Ohr für meinen Fachbereich, kooperativ und kollegial. Aber wenn in den dunklen Stunde Dr. Jekyll durch Mr. Hyde verdrängt wird, kommt eine andere – auch mir selbst seltsam fremde - Seite hervor: egoistisch, Kleinmacht-besessen, rücksichtslos und arbeitsscheu, dann bin ich der TAV des Teufels…

(1-1) Ich bin ganz verliebt in diese kleinen Automaten. RPA macht das Leben leichter, auf meinem LOA-Client kann ich damit unter dem Namen beliebiger User alles steuern, durchklicken und ausfüllen lassen. Und dabei ist der kleine Freund so universell, tagsüber kann er mir beim Testen helfen, nachts kümmert er sich um die Erledigung der Compliance-Evaluierung. Wer auch immer mir dafür Admin-Rechte gegeben hat, muss verrückt gewesen sein.

Heute lasse ich ihn einen Change anlegen als kleines Geschenk für einen Projektleiters, der mir widersprochen hat. Es macht einfach Spaß, meinem Roboter bei der Arbeit zuzuschauen, wie er Felder ausfüllt, Zuständigkeiten auswählt und den Workflow vor sich her treibt. Als nebulöse Begründung lasse ich BaFin-Vorgabe Bereich Compliance eintragen. Dadran muss ich leider noch mal arbeiten, er soll die Notwendigkeiten, Test- und Changeaufgaben nicht nur aus alten Changes übertragen, sondern auch mit KI aus einer Datenbank zusammenstellen. Knifflige Aufgabe, aber der werde ich mich stellen.

Bis dahin muss ich hier und da mal manuell eingreifen – jedenfalls wird es bestimmt Wochen dauern, bis die Idioten gemerkt haben, dass es ein Fehlalarm ist und sie nichts machen müssen. Recht so.

[Fortsetzung "TAV des Teufels"]

[Andere Blogs: Interdisziplinäre GedankenFeingeistiges]

Freitag, 9. Oktober 2020

Durch die Augen meiner Mitmenschen

Auf dem Weg durch den Bahnhof habe ich die Lektüre der Nachrichten während der Zugfahrt hinter mir, auch die Durchsicht der anstehenden Termine ist erledigt. Zeit jetzt für ein kleines Spielchen. Ich laufe also durch den Bahnhof und schaue mir die anderen Leute an.

Gerade kommt mir ein Herr in meinem Alter entgegen, er starrt auf sein Handy. Schwupps, versetze ich mich in ihn, schaue durch seine Augen und sehe in Gedanken sein Smartphone vor mir. Gerade ist da eine Nachricht von seiner Frau auf dem Display. Ich schaue kurz hoch, damit ich nicht mit anderen Personen zusammenstoße, sehe mich mit Rucksack auf ihn zueilen und weiche aus, während ich weiter die Nachricht auf dem Smartphone lese. Schwupp, vorbei.

Eine junge Frau links neben mir bahnt sich diagonal einen Weg durch den Menschenstrom in Richtung Nebenausgang. Schwupps, drin. Hektisch sehe ich durch ihre Augen um mich, halber Laufschritt und immer auf der Suche nach einer Lücke, durch die ich mich möglichst schnell zum Ausgang bewegen kann. Schräg rechts neben ihr ein dahintrottender Mann mit Rucksack (das bin ich), vor dem sie noch schnell vorbeischlüpft und in wenigen Schritten, plötzlich noch schneller, den angepeilten Durchgang zur Westseite erreicht. Schwupp.

Und da der Kaffeeverkäufer hinter seinem Stand. Gelangweilt schaue ich durch seine Brille der morgendlichen Menschenflut zu. Oh, da kommt tatsächlich ein Kunde auf seinen Stand zu, ich schaue ihn an, mustere ihn und überlege, was er nach der Begutachtung des Angebots wohl nehmen wird. Ich tippe mal auf Milchkaffee. Richtig geraten! Ich drehe mich um, vor mir jetzt die Maschine, Becher unterstellen und Knopf drücken während ich die Kasse öffne.

Bahnhof zu Ende, ich trete ins Freie. Aber das Kammerspiel geht noch weiter. Jetzt entwickle ich im Kopf das Ende dieser drei Szenen.

Der Herr hat seinen Bahnsteig mittlerweile erreicht, festgestellt, dass der Zug verspätet ist und er noch einen Cappuccino holen kann. Er ist auf dem Weg zum Kaffeestand, wo der Verkäufer gerade abkassiert und den Becher aushändigt, noch auf die Selbstbedienung bei den Löffeln und Deckeln hinweist.

In genau dem Moment, in dem der Herr den Nebenausgang passiert, kommt die junge Frau herausgestürmt, sie war beim "Backwerk" und versucht nun in höchster Eile noch ihren Zug zu bekommen. In ihrer Hektik stößt sie mit dem Herrn zusammen, der überrascht ins Torkeln kommt und gegen den Kaffeekunden stößt, der gerade einen Deckel auf seinen Milchkaffee drücken will. Leider ist der Deckel noch nicht drauf und der Becher fliegt durch die Gegend.

Großes Geschrei. Der Kaffeeverkäufer kommt mit einem Lappen gelaufen, die Sauerei vor seinem Laden ist schlecht fürs Geschäft. Nochmal lautstarke Vorwürfe und Motzereien, die junge Frau tut unbeteiligt und rast wieder los Richtung Zug. Auch die anderen ziehen weiter, der Herr – jetzt mit Cappuccino – zu seinem ICE, der Kaffeekunde mit einem neuen Becher Milchkaffee zu seinem Büro und der Verkäufer kann sich weiteren Kunden zuwenden.

Alles geht seinen Gang.
Nächste Szene morgen.