Montag, 30. August 2021

Nein, wirklich?


Dorfklatsch ist so richtig kurzweilig. Wobei es in jeder Straße, jeder Stadt und natürlich auch in jedem Unternehmen eine Art Dorf gibt. Wer da wem was erzählt, natürlich hinter vorgehaltener Hand, das ist hier wie da eine Quelle der deutlich subjektiven Informationen. Ich hätte nie erfahren, dass der Sohn unseres Sportwartes heimlich Hanf anbaut. Oder dass unser Gärtner nur deshalb so günstig wohnt, weil seine Frau dem Bürgermeister nicht nur schöne Augen gemacht hat. Überhaupt sind die Andeutungen über Läsionen, Liebschaften und Klüngel ein Kernelement des Austausches.

Geschickt angestellt, gibt es sogar Fakten, nur deren Interpretation kann die tatsächliche Lage bis zur Absurdität verdrehen. Oder einfach mal was andeuten, denn mir ist aufgefallen, dass die Bäckerin in letzter Zeit müde aussieht, das muss doch einen Grund haben. Auffallend auch, dass der Postbote dort täglich Brötchen kauft und sich aufwändig belegen lässt.

Verhältnismäßig harmlos sind die unverwüstlichen Standardthemen. Wetter geht natürlich immer, derzeit steht auch Corona hoch im Kurs. Je nach Umfeld kann es auch die Unternehmenskultur, die lokale Politik oder die Verspätung der Deutschen Bahn sein. Ein wenig trivial, aber als Einstiegspunkt immer willkommen.

Weniger harmlos wird es, wenn Stimmung gemacht wird. Mehr oder weniger gezielt vermeintliche Fakten präsentiert, lautstark mehr oder weniger holprige Logikketten präsentiert werden. Da wird dann aus einem grundsätzlich denkbaren Risiko eine konkret lebensbedrohliche Gefährdung. Und je weniger man messen kann, desto mehr kann man „fühlen“.

Trau-schau-wem, hat man früher gesagt. Und auch wenn die Formulierung ausgesprochen altmodisch daherkommt, so ist der Ansatz einer gehörigen Skepsis gegenüber den Äußerungen der Mitmenschen topaktuell. Wobei man aber berücksichtigen muss, dass diese Beeinflussung gar nicht intellektuell minderwertig oder gar vorsätzlich schädigend sein muss. Vielleicht steckt ein ehrenwerter Gedanke, ein missionarischer Eifer oder ein gutgemeinter Hinweis dahinter. Was früher nicht so ganz schlimm war, weil es kaum verbreitet wurde, da war am Dorfrand Schluss oder es blieb im Unternehmen. Heute ergeben sich mit Internet und Social Media enorme Reichweiten.

Vom trau-schau-wem möchte ich daher eher zu einem kritischen warum-erzählst-du-mir-das kommen. Wobei man natürlich andererseits nicht in jeder Unterhaltung eine Botschaft, einen Heckenschützen vermuten darf.

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Montag, 23. August 2021

Schwimm mit mir


Ich liege im Wasser, es trägt mich, umspült mich mit seiner zugleich harten Tragkraft und sanften Umhüllung. Der Rücken wird ein wenig kalt, meine Nase ist unter der Oberfläche, ich schaue auf den Grund und entspanne mich. Die Luft in meiner Lunge reicht noch eine Weile, solange kann ich mich noch schwerelos meinen Gedanken hingeben.

Dann wird es Zeit, doch mal den Kopf aus dem Wasser zu heben und Luft zu holen. Leicht chlorige Luft steigt mir in die Nase, ich ziehe tief ein, um den Kopf wieder entspannt abzusenken. „Denken oder atmen“, fährt es mir durch den Kopf, lebenswichtig die Priorisierung dieser beiden widerstreitenden Interessen. Nichts ist um mich, was mich beim Denken stört, ganz behutsam hebe ich einen Arm über den Kopf, beginne mit langsamen, geradezu zögerlichen Bewegungen. Dann steigen die Füße ein, ich fühle das vorbeigleitende Wasser, halte noch einen Moment die Luft an, um diese Streicheleinheiten des nassen Elements zu genießen.

Im Laufe der nächsten Minuten werden die Bewegungen flotter, das Wasser spritzt um mich herum, ich fühle mich wie ein Motorboot, das durch das Wasser pflügt, fast hektisch hole ich Luft, versorge meine Lunge mit dem notwendigen Sauerstoff, ziehe kräftig durch und sehe neben mir auf den anderen Bahnen die Schwimmer bei ihrem Weg durch das Becken.

Schwimmen ist für mich Entspannung und geradezu meditative Selbstvertiefung. Aber wenn mir andere Menschen erzählen, warum sie gerne schwimmen, dann staune ich zum Teil schon. Dem einen kommt es auf die Geschwindigkeit an, den mehr oder weniger heimlichen Wettkampf gegen die anderen Schwimmer. Oder auf den sportlichen Teil, wenn man nicht erschöpft aus dem Wasser steigt, war es ein misslungenes Training. Oder das Schwimmen als Vorwand, hübsche Frauen in sexy Badekleidung zu sehen. Oder die Abkühlung im Nass, medizinisch unbedenkliche Bewegung für adipöse Zeitgenossen.

Und so werde ich inzwischen skeptisch, wenn mir jemand von seinen Aktivitäten, in diesem Fall dem Schwimmen, erzählt. Gemeinsam ist uns vielleicht nur, dass wir in einer größeren Wasseransammlung sind, aber was wir dort machen, was wir dabei denken, was uns motiviert und uns wirklich von innen heraus wichtig ist – das ist so unterschiedlich wie die Charaktere der handelnden Personen.

Montag, 16. August 2021

Spitze Zähne

Einmal trafen sich Fuchs und Hase und diskutierten, wer von beiden schneller sein Ziel erreiche.

Führte der Fuchs seine Klugheit ins Felde, so hielt ihm der Hase sein Lauftempo entgegen.

So ging es eine Weile hin und her, bis schließlich dem Fuchs die Argumente ausgingen.

Da fraß er den Hasen einfach auf.

Denn merke: Am Ende zählen nicht die Argumente, sondern die spitzen Zähne.


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Montag, 9. August 2021

Gold für Corona

So langsam geht die Welt wieder auf, wir können uns wieder bewegen, ein Teil der Entbehrungen hat ein Ende. Ach, was haben wir uns alle darauf gefreut, wenn die Ausgangssperre zu Ende ist. Wenn man seinem Hobby nachgehen kann, wenn wieder ein Treffen mit Freunden möglich ist.

Doch der Reihe nach. Die Ausgangssperre ist zu Ende, das stimmt und mit ihr die Diskussion, warum Jogging nach 18 Uhr zulässig ist, das Heraustragen von Müll aber nicht.

Auch die Sache mit den gemeinsam betriebenen Hobbies ist weitgehend positiv. Sicher, vielleicht ist der Bauch in der Zwischenzeit ein wenig gewachsen und die Spurtstärke bei manchem Spiel erfordert ein Nachholen des entgangenen Trainings. Kaum wahrnehmbar die heimliche Frage, ob es immer noch Spaß macht, mit über zwanzig Personen einem einzigen Ball hinterherzulaufen.

Doch das ist noch nichts im Vergleich zum Treffen mit Bekannten. Alt sind sie geworden. Und waren die eigentlich früher auch so einfallslos in ihren Gesprächen, so starr in ihrer Meinung? Das hatte man sich in der Corona-Abstinenz irgendwie anders ausgemalt. Freudiges Umarmen und ein Anknüpfen an die Gespräche von früher, locker und spannend.

Und das Restaurant, in das wir doch immer gerne gegangen sind. War es dort vor Corona auch so laut, die Toilette ein wenig ungepflegt und die Bedienung recht schnorrig?

Wie schön, wenn man sein Sonntag-Morgen-Frühstück direkt aus dem eigenen Kühlschrank so zusammenstellt, wie man es gerne hat. Ohne Wartezeit, ohne Diskussion über den gewünschten Härtegrad des Eis, mit den Lieblings-Brötchen.

Also ja, die (mehr oder weniger ausgeprägte) Quarantäne-Zeit war schlimm. Aber was die Erinnerung da so veranstaltet hat… und die Aussicht auf eine wundervolle Zukunft… das kann man wirklich nur mit dem Begriff der retrospektiven Vergoldung beschreiben.

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Montag, 2. August 2021

Du bist frei

Es ist doch schön, dass wir es so gut haben: Wir sind frei. Im aktuellen Jahr, in Deutschland, in meinem Umfeld kann ich machen, was ich will. Und nach meiner Einschätzung können dies auch die meisten meiner Mitbürger.

Frei meine ich als die Freiheit der Entscheidung. Ich kann tun und lassen, was ich möchte, wie ich es möchte, wo ich es möchte. Es geht wirklich alles – ich muss nur mit den Konsequenzen leben. Diese Erkenntnis ist ganz essentiell und gilt für wirklich alle Handlungen. Egal, ob ich jemandem einen Gefallen tue, oder eine Person respektive Gruppe vor den Kopf stoße. Ich gebe damit Impulse für meine Zukunft.

Ein paar Beispiele. Wenn ich jemandem vorsätzlich Schaden zufüge, dann muss ich mich vor Gericht verantworten.

Bei mehr oder weniger öffentlichen Meinungsäußerungen muss ich mir bewusst sein, dass es kritische Zuhörer (oder Leser) gibt, die nicht nur eine andere Einstellung haben, sondern mich dafür sogar sanktionieren - heute gibt es als zusätzlichen Bestrafungskanal das Internet. Da könnte es sinnvoll sein, zwischen Sendungsbewusstsein und politischem / diplomatischen Geschick abzuwägen.

Ich kann meine Arbeit zu Gunsten eines Hobbies vernachlässigen, dann folgt vielleicht eine Kündigung. Wenn mir das Hobby dies wert ist: richtige Entscheidung.

Dann die Aussteiger. Ein Freund von mir hat seine sichere deutsche Stelle gekündigt und ist ins Ausland ausgewandert. Dort hat er erst mal auf dem Boden geschlafen und sich dann im Laufe der Jahre einen kleinen Komfort erarbeitet. Zurückkommen war nie eine Option für ihn.

Die Partnerin nervt? Schluss und ausziehen, vorübergehender Stress mit der ehemaligen Beziehung, finanzielle Auswirkungen und Rosenkrieg zur Scheidung inklusive.

Ich kann also selbst im kleinen Kreis wie der Familie, dem Freundeskreis oder dem Arbeitsumfeld nach eigenem Gutdünken agieren. Bis auf körperliche Grundbedürfnisse muss ich rein gar nichts.

Aber nochmal zur Betonung: Alles geht, aber alles hat auch seinen Preis. Den man besser vorher kennt und einkalkuliert. Immer gemäß dem Grundsatz „Et respice finem“

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