Montag, 14. November 2022

Der Vogel Strauß in mir

Kaum ist die Uhr umgestellt – Winterzeit – kann ich wieder ungestört im Badezimmer herumlaufen. Das große Fenster ist ganz dunkel, da kann mich ja keiner sehen, wie ich mir gerade die Zähne putze oder mich rasiere.

Obwohl, das stimmt nicht ganz. Eigentlich stimmt es überhaupt nicht. Sogar im Gegenteil. Wenn es draußen hell ist fühle ich mich wie auf dem Präsentierteller. Aber keiner schaut herein, weil das Badezimmer gegenüber dem hellen Sonnenlicht eher dunkel ist. Ist es draußen jedoch dunkel, dann fällt das erleuchtete Fenster jedem Passanten ins Auge.

Der Vogel Strauß in mir
Wie der Vogel Strauß gehe ich von meiner eigenen Wahrnehmung aus. Wenn das Fenster für mich dunkel ist, dann schaut doch auch keiner herein.

Noch einen Schritt weiter gibt es auch Dinge, die ich selbst nicht sehen will oder die für mich nicht besonders wichtig sind. Die nackte Glühbirne, die seit dem Einzug vor geraumer Zeit von der Decke baumelt fällt mir nicht auf, nein, ich will sie eigentlich gar nicht sehen, weil sie mich an die noch aufzuhängende Lampe erinnert. Jeder Gast wird sich allerdings fragen, warum da noch Rohbau-Restanten zu sehen sind.

Wer keinen Wert auf schöne Kleidung legt kann das natürlich für sich so entscheiden. Aber viele Mitmenschen werden aus der äußeren Erscheinung ein Urteil ableiten. Wegschauen oder einen Bogen um den Spiegel machen bringt nichts – wie beim Vogel Strauß.

Man würde sich überfordern, wenn man alles an und um sich sieht und steuert. Aber eine ausgeprägte Aufmerksamkeit empfiehlt sich, und unersetzlich in diesem Zusammenhang ist auch ein regelmäßiger Perspektivenwechsel. Sei es nun wörtlich (wie beim Beispiel mit dem beleuchteten Badezimmer) oder in Gedanken (wie bei der Kleidung). 

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