„Em, ja, aber hoffentlich kurz, ich muss bei dem Nieselregen noch zum Auto.“
„Genau darum geht es. Sie haben dort hinten geparkt, obwohl hier vorne noch so viele Parkplätze frei sind.“
„Wollen Sie mich hochnehmen? Hier vorne die Parkplätze sind doch alle reserviert.“
„Wie meinen Sie das: ‚reserviert‘?“
„Direkt neben dem Eingang sind zig Parkplätze für Behinderte. Darf man die so nennen? Oder müsste ich Menschen mit Mobilitätseinschränkung sagen? Jedenfalls darf ich mein Auto nicht dort abstellen.“
„Aber finden Sie das nicht völlig in Ordnung? Behinderte brauchen unsere Hilfe. Da muss man ihnen doch bezüglich der Anfahrt und ihrer Wege entgegenkommen.“
„Ja sicher, aber schauen Sie: Die Parkplätze sind doch immer frei, egal wann ich komme steht da höchstens mal ein Auto drauf. Und das gehört wahrscheinlich irgendeinem Typen, dem die Behinderten egal sind und der keine Lust hat, weit zum Eingang zu laufen.“
„Keine Ahnung, vielleicht haben Sie recht. Aber das sind doch nur ein paar Parkplätze, was ist denn mit den anderen?“
„Die Stellflächen neben den Behindertenparkplätzen sind für Mütter mit Kindern vorgesehen.“
„Neuerdings sind das ‚Eltern-mit-Kind-Parkplätze‘, weil es ja auch mal Väter sein können, die mit einem Kinderwagen herumhantieren müssen.“
„Nennen Sie es wie Sie wollen, aber brauchen die denn Premiumparkplätze? Ich habe auch Kinder und als die klein waren mussten wir dann eben sehen, dass wir die paar Schritte laufen und meine Kinder waren so erzogen, dass ich sie auch auf dem Parkplatz nicht an die Leine nehmen musste.“
„Kinder sind unberechenbar, die laufen auch mal unvermittelt los. Sind die Stellplätze am Eingang nicht auch gut für die anderen Kunden, weil wir dann nicht so damit rechnen müssen, dass uns plötzlich ein Kind vor das Auto läuft?“
„Davor muss mich keiner schützen, mir ist mal ein Besoffener vor das Auto getorkelt und den habe ich auch nicht überfahren.“
„Wie dem sei – Behindertenparkplätze gibt es schon länger, und die Parkplätze für Eltern sind auch nicht wirklich neu.“
„Jaja, schon, aber neuerdings sind noch die Elektrofahrer dazugekommen. Wissen Sie, das sind die Kunden, die eine der hauseigenen Ladesäulen nutzen möchten. Die werden richtig giftig, wenn Leute wie Sie und ich an der Station stehen, aber kein Kabel aus Ihrem Auto hängt.“
„Mit denen habe ich schon Mitleid. Es gibt ja kaum Möglichkeiten, sein Elektroauto aufzuladen. Da wäre mir die Gelegenheit am Supermarkt auch willkommen.“
„Ich habe die nicht gebeten, ihren Stromwahn hier auszuleben. Sollen sie sich doch ein Fahrrad kaufen und den Einkauf im Körbchen heimfahren. Dann können sie von mir aus auch direkt neben dem Eingang stehen. Aber das ist dann schon wieder zu grün und klingt anstrengend.“
„Da höre ich den Neid der Nicht-Elektrofahrer.“
„Stimmt irgendwie, Neid, dass die auch bevorzugt werden. Die Ladesäulen kann man doch auch vorne an der Einfahrt montieren, wo sie keinen stören und der weitere Weg ist dann der Preis dafür, dass der Strom verbilligt ist oder man für das Laden die Zeit während dem Einkauf nutzt.“
„Gott ja, wir stehen jetzt hier bei diesem blöden Wetter und sprechen über ein paar anders genutzte Parkplätze. Ist das denn wirklich so schlimm?“
„Schlimm? Schlimm? Nein, schlimm ist das nicht. Aber diese Sonderlocken für Minderheiten, und immer mehr Spezialgruppen, die gehen mir auf die Nerven. Jede einzeln ok, aber es summiert sich auf. Demnächst gibt es dann noch weitere Sonderregelungen, zum Beispiel extrabreite Parkplätze für Besitzer großer Fahrzeuge oder für ungelenkige Personen mit viel Raum für den Ausstieg oder für Fahranfänger mit mehr Manövrierraum oder für Dieselfahrzeuge mit Absauganlage, eine Priorisierung nach Anzahl der aussteigenden Passagiere, oder Sortierung nach Gewicht des Einkaufs , Entfernung zum Wohnort und was weiß ich sonst noch. – Verstehen Sie?“
„Weiß nicht so recht.“
„Ich sage nur: ‚Rettet uns Mehrheit!‘“
Während ich mich von dem Mann verabschiede und ihm wortreich alles Gute mit seinem vollgeladenen Einkaufswagen wünsche komme ich ins Grübeln. Ein wenig hat er ja Recht. Wie schön ist es doch, vor dem Supermarkt ein Abbild des täglichen Lebens wiederzufinden, in dem gar nicht so selten die Mehrheit einer lautstarken Minderheit weichen muss. (Nein, ich möchte nicht das Beispiel von den Klimaaktivisten mit ihren vieldiskutierten Klebe-Aktionen nennen.)
[Weitere Blogs: Interdisziplinäre Gedanken, Feingeistiges]
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