Es geht morgens damit los, dass ich die Zahnpasta suche. Habe ich sie nicht gestern Abend in den Becher gestellt, im Schrank ist auch keine Tube, vielleicht im Kulturbeutel? Problem umgangen, ich bediene mich bei meiner Frau. Allerdings geht es bei der Vorbereitung des Frühstücks gleich weiter, wohin habe ich nach dem letzten Einkauf das Knäckebrot geräumt? Ich kann mich noch dran erinnern, dass ich es aus dem Korb genommen habe und es nicht in den vollen Küchenschrank stopfen wollte. Aber welchen Platz habe ich dann gewählt? Dieses Durcheinander hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich beim Einkauf vergessen hatte, Milch einzukaufen, dann noch mal los musste und irgendwie hat mich das aus dem Takt gebracht.
Aber was wollte ich eigentlich erzählen? Naja, egal, das fällt mir gleich wieder ein. Bis dahin gehe ich meine Liste für den Tag durch, obwohl: Da war doch ein Punkt, den ich gestern Abend nicht mehr aufgeschrieben hatte und den ich unbedingt heute erledigen wollte. Ich mache mir dazu am besten einen allgemeinen Vermerk und frage unauffällig bei meinem Kollegen, ob noch irgendwas offen ist.
Ein wenig gruselig ist es schon, Dinge so schnell zu vergessen, den Faden zu verlieren, Gedanken nicht fertig zu verfolgen. Dass es mir in letzter Zeit immer deutlicher auffällt kann zum einen am zunehmenden Alter liegen, aber auch an der Überforderung, eine zu große Zahl an Themen im Auge zu behalten. Es sind ja nicht nur private Vorgänge, die bearbeitet werden müssen. Auch und gerade im beruflichen Umfeld hat in den letzten Jahren die Anzahl der gleichzeitigen Handlungsstränge zugenommen. Und damit nicht genug: Da auch die Kollegen um mich herum ihre Aufgaben kaum noch oder nur noch unzureichend erledigen, muss ich immer öfter Buch führen, nachfragen, erinnern und kann mich immer weniger auf die selbständige Bearbeitung verlassen.So kommen hier also mehrere Faktoren zusammen, die insgesamt die Anforderung an mein Erinnerungsvermögen noch weiter erhöhen. Es sind bildlich gesprochen nicht nur mehr Bälle im Spiel, ich muss auch einen größeren Teil davon in der Luft halten und kann sie nicht ohne weiteres abspielen. Und für diese Jonglage ist leider das menschliche Gehirn nicht optimal.
Ich erinnere mich an die Computer vor einigen Jahren. Wenn der (flüchtige, aber schnelle) Arbeitsspeicher nicht reichte, musste das Gerät einen Teil seiner Daten auf die (dauerhafte, aber langsame) Festplatte auslagern, was seine Performance erheblich verringerte. Anstelle der eigentlichen Bearbeitung von Informationen war der Rechner damit beschäftigt, Bits zwischen den Speichermedien hin- und her zu schieben.
Analog muss ich heute vom (schnellen) Wegarbeiten zu Post-its wechseln, Todo-Listen schreiben, Erinnerungszettel an die Wand heften, über Vorgänge Buch führen und all dies dann auch wieder organisieren, priorisieren und abarbeiten. Was dann die Bearbeitung noch langsamer macht und neben dem Behalten der Inhalte auch ein Gedächtnis für den richtigen Merkzettel erfordert. In Folge geht das Gehirn in eine Art Fluchtmodus, Aufgaben werden nur nach Gefahrenpotential beurteilt, selbst alltägliche Entscheidungen führen zu Stress. Bevor die nächste Stufe – der Panikmodus – erreicht wird heißt es aufzupassen, Aufgaben notfalls mit Nachdruck abzugeben und sukzessive auch unserem Denkapparat wieder Freiraum einzuräumen. Vor diesem Hintergrund bekommt dann die Aussage „die Gedanken sind frei“ eine neue Bedeutung.
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