Montag, 28. August 2023

Ein Sommergarten voller Kunst (2023)

Vielen Dank an alle Gäste, die unsere Veranstaltung "Ein Sommergarten voller Kunst" besucht haben. Hier die Begrüßungsrede mit der Verknüpfung der einzelnen Programmpunkte.

Ein Sommergarten voller Kunst

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Nachbarn, Weithergereiste, Freunde, Bekannte, Kunstliebhaber und Neugierige. Ich begrüße Sie herzlich zu unserer ersten Ausgabe von „Sommergarten voller Kunst“. Lassen Sie sich ein auf einen interessanten Nachmittag, einen Nachmittag für das Auge, einen Nachmittag für das Ohr. Denn wir haben zum einen eine Gemäldeausstellung, zum anderen eine Lesung und dazu noch etwas für den Gaumen für Sie im Angebot.

Lassen Sie mich etwas zum verbindenden Element sagen. Das sind natürlich zuallererst Sie, liebe Gäste, Sie sind mit wachem Geist gekommen und nun will dieser Geist etwas zu tun bekommen. Unser Gehirn liegt auf der Lauer, ist neugierig, was jetzt kommt.

Ein Sommergarten voller Kunst
Zunächst zur Lesung: Einen Teil der Arbeit nimmt uns der Vorleser ab, denn er verwandelt irgendwelche meist schwarzen Zeichen auf dem weißen Papier in Buchstaben, die zu Wörtern werden und sich zu ganzen Sätzen zusammenfinden. Beim Vorlesen dringen nun diese Sätze in unsere Ohren und unser Kopf filtert aus all den Geräuschen einen Sinn heraus, der in uns Gedanken auslöst, Emotionen, Sichten und am Ende schlichtweg Bilder. Diese Bilder sind ganz individuell, jeder, der schon mal ein Buch gelesen und danach die Verfilmung gesehen hat, kennt dieses Phänomen. Das selbst entworfene Bild weicht vom Bild ab, das der Regisseur auf die Leinwand gebracht hat. In meiner Phantasie war der Hauptdarsteller ein wenig dicker und seine Tochter viel kleiner. Stand das nicht auch irgendwo im Buch?
Da findet also ein komplexer Vorgang in uns statt, der nicht nur die Handlung, sondern auch den Rahmen, die Figuren, die Umgebung aus-malt.

Ein Sommergarten voller Kunst
Ein wenig anders ist es bei der Betrachtung von Gemälden. Auch hier haben wir es mit einer Abstraktion zu tun, denn das Auge und insbesondere der dahinter liegende Sehnerv leisten hier enorme Arbeit. Ein Oval mit ein paar Punkten und einem Strich wird von uns schon im Kindesalter als Gesicht, als Mondgesicht, erkannt. Ähnlichkeiten zu erkennen, zuzuordnen und als Erfahrung abzuspeichern, ist die Kernkompetenz unseres Gehirns. Wir sehen ein Bild und können darauf Details erkennen, die mehr oder weniger versteckt sind oder hineinmontiert wurden. Aber wir können noch mehr, gerade zunächst unbekannte Formen und Inhalte versucht nämlich unser Denkapparat ebenfalls mit seiner Erfahrungswelt zusammen zu bringen. Man nennt dies Assoziation und ich möchte herausarbeiten, dass diese sich an den eigenen Erfahrungen, sozusagen dem inneren Fundus orientiert. So ist es nicht verwunderlich, dass verschiedene Menschen vor ein und demselben Bild deutlich unterschiedliche Assoziationen entwickeln und anderes darin sehen. Aus dem äußeren Bild entsteht ein inneres und auch dieses ist – wie bei dem Gedanken an das verfilmte Buch – individuell. Ein richtig oder falsch gibt es hier nicht, kann es nicht geben.

Ein Sommergarten voller Kunst
Begleitend zu diesen Sprach-Bildern und Leinwand-Bildern steht noch der Alkohol. Durch Unterdrückung gewisser Botenstoffe in unserem Gehirn erweitert er zwar nicht wirklich das Bewusstsein, ist aber bei ganz geringer Dosierung dafür verantwortlich, dass wir Gedanken und Assoziationen zulassen, die sonst der Vernunft halber unterdrückt werden. Wir lassen zu, dass Wasser den Berg hoch fließt, dass es unter dem Erdboden Wolken gibt oder ein Mund größer ist als eine Hand. Plötzlich kann etwas sein, was nicht sein kann, was aber der Botschaft des Gemäldes oder des Sprachbildes entgegenkommt.

Sie alle sind eingeladen, diese Eindrücke aufzunehmen, mitzunehmen und miteinander zu diskutieren. Der Sommergarten voller Kunst will nicht nur Konsumieren anbieten, denn Lesen können sie ja selbst und Gemälde anschauen geht auch im Internet. Vielmehr ist die Interaktion, also der Austausch, das Kennenlernen von Mitmenschen, deren Sicht und deren Verständnis ein zentrales Element dieser Veranstaltung. Genießen Sie den Nachmittag, tauschen Sie sich aus und berücksichtigen Sie bei jedem Gespräch, dass eine andere Meinung zunächst einfach nur anders und bedenkenswert ist.


Montag, 21. August 2023

Liebe als Produkt des Flirt-Marktes

Noch mal so zur Wiederholung. Auf der einen Seite haben wir ein Produkt, auf der anderen Seite einen Abnehmer. Und dazwischen den Markt. Ziemlich simpel, wie ich finde. Es ist naheliegend, dass der Austausch ein dynamischer Prozess ist, der durch die Vermittlung des „Marktes“ abläuft. Solange nur auf der einen Seite produziert oder nur auf der anderen Seite angefordert wird passiert gar nichts. Erst wenn es eine Plattform gibt, die die beiden Parteien miteinander in Kontakt bringt, kann ein Geben-und-Nehmen stattfinden.

Liebe als Produkt des Flirt-Marktes
Ganz klassisch denkt man da an einen Wochenmarkt mit Ständen, Händler hinter den Auslagen, und Kunden, die sich zwischen den Buden drängen. Wer Salat kaufen möchte wählt einen Gemüsestand aus (wenn es mehrere gibt) und lässt sich dort von der Verkäuferin einen Salatkopf geben. Dass das nicht immer ganz nach Wunsch funktioniert weiß jeder, der schon mal auf dem Markt eingekauft habe. Die Person hinter dem Tresen versucht nämlich, erst mal den nicht ganz so frischen Salat loszuwerden, bevor sie den gerade geernteten Nachschub hervorholt. Daneben spielt auch die Wahl des richtigen Marktes eine Rolle. Je nach Wochentag und Ort wird der Markt von anderen Lieferanten besucht, mein Lieblings-Gemüsestand ist vielleicht nur am Donnerstag in der Stadt aufgebaut.

Auch die Partnersuche verläuft nicht anders. Wer zu Hause bleibt, der taucht nicht auf dem Markt auf und muss sich nicht wundern, dass er keine Kontakte knüpft. Auch wird man im Club andere Menschen kennenlernen als im Museum, im Fitnessclub andere als beim Schachspielen. Anders als auf dem Wochenmarkt ist das aber ein zweiseitiger Markt. Beide Seiten (in den meisten Fällen Männer und Frauen) haben ein Produkt (nämlich sich) im Angebot.

Als Tauschmittel auf dem Wochenmarkt ist Geld universell, Sympathie und Liebe bei der Partnerwahl sind individuell. Es geht also darum, nicht nur den Markt auszuwählen, in dem man sich selbst seinen Wunsch erfüllen kann, sondern dabei zu berücksichtigen, dass man auf eben diesem Markt auch selbst eine gute Figur macht. Das klingt recht trivial, wird aber häufig nicht beachtet.

Und noch ein anderer Aspekt ist eine Betrachtung wert. Es gibt richtige Marktplätze, zum Beispiel Dating-Plattformen. Alle Teilnehmer sind sich einig, dass sie suchen oder zumindest grundsätzlich kontaktwillig sind. Zweitens gibt es Bühnen, die zwar sehr gerne als Kennenlernangebot genutzt werden, aber offiziell einem anderen Zweck dienen. Tanzschulen, Schwimmbäder, Clubs oder Sportvereine haben auf den ersten Blick eine andere Funktion als Kontaktvermittlung, haben aber einen hohen „Flirtfaktor“. Und als dritte Rubrik noch alle anderen Gelegenheiten, Personen zu treffen. Das kann die Arbeitsstelle genau so sein wie der Linienbus, der Supermarkt oder die Tankstelle.

Nach dieser recht ausführlichen Betrachtung des Marktes noch ein kürzerer Blick auf die beiden Anbieterseiten. Für mich selbst habe ich es in der Hand, mich als Produkt interessant zu gestalten. Will ich im Fitnessstudio herausstechen müssen die Arme schon ein bisschen nach Popeye aussehen, im Club sind eher cooles Auftreten und der richtige Dress wichtige Zutaten. Das hat etwas mit meinen Produkteigenschaften und natürlich auch mit Werbung zu tun und muss im Sinne der Strategie, Planung und des Budgets auch entsprechend behandelt werden.

Zurück zum Wochenmarkt die ernüchternde Erkenntnis, dass manche Käufer den breitblättrigen Salatkopf bevorzugen, anderen möchten eher den kompakten Wuchs - den für alle perfekten Salatkopf gibt es nicht. Und am Ende wird auch nicht jeder Salatkopf verkauft – manch einer landet im Kompost.

Montag, 14. August 2023

Echte Schnäppchen sind selten

Mindestens einmal im Jahr kommt die große Urlaubsplanung. Ein Blick in den Geldbeutel setzt die Randbedingungen, das Reiseziel wird festgelegt, dann beginnt die Recherche. Es soll natürlich für möglichst wenig Geld ein möglichst toller Urlaub werden. Ein Schnäppchen eben.

Aber das ist gar nicht so einfach. Nur nach dem Preis zu gehen wird dem Anspruch nicht gerecht. Dieses Kriterium lässt sich zwar simpel durch Sortierung nach dem Preis berücksichtigen, aber es macht nur einen Teil der Betrachtung aus. Im schlechtesten Fall bezahlt man zwar weniger, aber die Qualität ist schlechter. Vielleicht liegt das billigere Zimmer im unrenovierten Altbestand, das kann man bei der Buchung nicht erkennen. Oder es gibt keinen Transfer vom Flughafen zum Hotel, das steht zwar irgendwo in der Reisebeschreibung, geht aber möglicherweise beim Vergleich unter.

Dann gibt es Leistungen, die beim niedrigen Preis nicht enthalten sind, die ich aber haben möchte und – selbst wenn ich es bei der Buchung schon erkannt habe – separat bezahlen muss. Das kann dann in Summe teurer werden als der zunächst höhere Paketpreis der Alternative. Beispiel hierfür ist die Verpflegung im Flugzeug oder ein angeforderter Aufpreis für Gepäck.

Andererseits gibt es Leistungen, die zwar enthalten oder ausgeschlossen sind, die ich aber ohnehin nicht in Anspruch nehme. Als kinderloses Ehepaar wird mir die angebotene Kinderbetreuung kein Geld wert sein. Man könnte auch sagen, das Paket ohne Kinderclub ist passender und ich bezahle nichts, was ich gar nicht haben will.

Und schließlich die echten Schnäppchen. Im Flugzeug sind noch ein paar Plätze frei, um möglichst volle Auslastung zu erzielen werden die übrigen Tickets vergünstigt angeboten. Ein Hotel entschließt sich, die Zielgruppe zu wechseln und lockt mit Rabatten für Singles.

Echte Schnäppchen sind selten
Natürlich gilt das alles auch für technische Artikel, Dienstleistungen oder Produkte des täglichen Lebens. Sei es die Kaffeemaschine, die statt Edelstahl mit einer Kunststoffhülle daher kommt oder Autos, die zwar auf gleicher Plattform aber mit reduziertem Federungskomfort angeboten werden. In jedem Fall ist es entscheidend, dass man nicht nur den Preis vergleicht, sondern auch so gut es geht den Versuch unternimmt, den Auslöser für die Preisdifferenz herauszufinden. Um dann entscheiden zu können, ob es preiswerter oder billiger ist.



Montag, 7. August 2023

Da kann ich doch nur lachen

Da kann ich doch nur lachenGerade komme ich die Treppe hoch, biege auf den Flur mit meinem Zimmer ein. Noch ein paar Schritte, die 206. Mein Kopf ist schwer, die Beine sind es auch, irgendwo muss der Schlüssel in der Hosentasche vergraben sein. Ich bleibe stehen, mein Blick fällt auf den Boden, aber da ist nichts, ich gehe weiter, immer noch tief in Gedanken versunken.

Was war das eigentlich heute Abend? Die große Überschrift war politische Bildung, gemeinsam haben wir uns einen Film angesehen, der vermutlich das Prädikat wertvoll erhalten hatte. So ist es manchmal, denke ich. Als der Streifen produziert wurde, haben die Kritiker ihn verrissen, inzwischen verreißen die heutigen Kritiker die damaligen Kritiker und loben die einstige Filmkunst. Da kann ich doch nur lachen.

Schlüssel gefunden, die Tür geht auf. Ich stehe im dunklen Zimmer, schließe behutsam die Tür und lasse die Dunkelheit auf mich wirken. Es war eine cineastische Sonderbarkeit, die ich da vorgelegt bekommen habe. Ob man sich über die Vorgänge im Jahr 1939 lustig machen darf, war die Frage, für mich vielleicht eher der Gedanke, aus welcher Perspektive ich diese Frage beantworten soll. Ist die Transformation in die heutige Zeit oder ein Zurückversetzen in die kriegsgebeutelte Historie angemessen? Mit den Augen welcher Nation soll ich das Werk bewerten? Wie waren die Motive für den damaligen Produzenten und Regisseur? Und so weiter. Da vergeht mir das Lachen.

Ich setze mich vorsichtig auf das Bett. In meinem Kopf geht es immer noch um Schauspieler, wobei im Film nicht immer klar war, ob sie eine Figur oder einen Schauspieler spielen. Genauso wenig war erkennbar, ob es nun eine Komödie oder eine Tragödie sein sollte und ob der Antritt darin lag, Kritik zu üben oder Unterhaltung anzubieten. Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen kann.

Schuhe aus, Hose auch, dann Hemd und Unterhemd. Die mittlerweile eingeschaltete Stehlampe verbreitet ein mildes Licht, in dem ich zum Badezimmer schlurfe. Mit der Zahnbürste im Mund beschäftigt mich die Frage, ob ich Zuschauer eines großen Kunstwerkes war oder ob es sich lediglich um eine wirre Mischung verschiedener Genres und Szenen handelte. Aber allein durch die Positionierung der Handlung in den Kontext des zweiten Weltkrieges in Kombination mit einem damals renommierten Regisseur wird der Film posthum zu einem wertvollen Zeitzeugnis. Da muss ich schon schmunzeln.

Das Bett ruft, die Zimmertür ist abgeschlossen, das Licht im Badezimmer ausgeschaltet. Während ich in den Schlafanzug schlüpfe ein letzter Gedanke an die vergangenen Stunden. Es war politische Bildung, aber die Menschen, die in diesem Zusammenhang Defizite haben schauen sich diesen Film mit Sicherheit nicht an. Als Zielpublikum die Ü50-Bildungsgesellschaft zu adressieren ist fragwürdig, über diesen liebenswert naiven Antritt sollte ich nur innerlich lächeln.

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