Montag, 30. Oktober 2023

Lehren und Belehren

Wir Menschen haben sehr deutlich ausgeprägt die Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren. Diesen ursprünglich von Lauten geprägten Austausch haben wir im Laufe der Evolution sprachlich verfeinert und um bildliche Weitergabe im Sinne von Zeichnung und Schrift ergänzt. Dadurch können wir Erkenntnisse relativ leicht weiter-geben, jemand anderem etwas bei-bringen. Das Vor-Machen wird durch Dar-Stellen und Er-Klären bereichert.

So geht also in der Zivilisation die Verteilung von Erkenntnissen oder Forschungsergebnissen, die Egalisierung von Umgangsformen oder die Verbreitung von Nachrichten. Professionell beschäftigen wir uns mit der Optimierung des Lehrens und nennen das Ganze Pädagogik. Auswahl und Aufarbeitung sind tief in der menschlichen Sozialstruktur verankerte Grundvorgänge. Fachleute nennen wir Lehrer, und diese sollen es hinbekommen, einen vorgegebenen Stoff im Sinne eines Multiplikators einer Gemeinschaft von Schülern zu vermitteln.

Lehren und Belehren

Anders ist das mit dem Belehren. Eng verwandt, denn auch hier geht es um Informationen, Richtlinien oder Vorgaben. Aber im Gegensatz zum Lehren werde ich unfreiwillig damit konfrontiert, hier wird nichts bereit-gestellt, sondern mir auf-gedrückt. Der Lehrende präsentiert sich nicht nur als Fachkundiger in der Sache, er stellt sich auch exekutiv einer verdeckten judikativen Instanz zur Seite.

Selbst lernaffine Menschen lassen sich nicht gerne belehren. Denn es geht ja im Kern gar nicht darum, einem Mitmenschen etwas mitzuteilen, was er vielleicht noch nicht wusste oder was ihm zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise das Leben leichter macht. Zentrale Botschaft ist der Hinweis, dass er etwas anders machen soll, eigentlich sogar verbunden mit der Kritik, dass er etwas falsch gemacht hat. Und gerade an der Stelle der enthaltenen Kritik entscheidet sich das Belehren grundsätzlich vom Lehren.

Montag, 23. Oktober 2023

Nicht nur der Montag ist dein Freund

Nicht nur der Montag ist dein Freund
Ein Blick aus dem Fenster: Heute ist mal wieder ein Regentag. Nicht schön, eigentlich hatte ich heute Rasenmähen vorgesehen. Es heißt umplanen, vielleicht ist das Gras morgen wieder trocken genug und ich kann es kürzen. Alternativ kann ich mich heute mit dem Rasenmäher durch die nassen Halme kämpfen, Verstopfen des Mähwerks und mühsame Entleerung des Fangkorbs eingeschlossen. Mit dem Kopf durch die Wand sozusagen. 

Sicher, wenn ich einen guten Grund dafür habe, bei meiner ursprünglichen Tagesgestaltung zu bleiben, dann muss ich mich den Widrigkeiten des Wetters stellen, mich mit den Widerständen arrangieren und das schwerere Arbeiten und das schlechtere Ergebnis in Kauf nehmen. Denn das Wetter kann ich nicht beeinflussen, nur versuchen, damit zu Recht zu kommen.

Ohne Glück oder Pech zu haben kennt jeder Segler diese Randbedingung, denn sie gehört zu dieser Form der Fortbewegung. Der Wind hat eine bestimmte Richtung und Stärke. Mit der falschen Richtung zu hadern ist möglich, bringt aber nicht weiter. Bei Gegenwind muss man kreuzen, immerhin kann man dann mit verringerter Nettogeschwindigkeit vorankommen. Kluge Seeleute arbeiten gemäß dem Grundsatz „der Wind ist dein Freund“.

Wie im richtigen Leben sozusagen. Das kann man nämlich auch nicht wirklich beeinflussen. Geschickt ist es dann, gute Randbedingungen zu nutzen, schlechte Situationen zu überstehen und mit geschicktem Kurs auch bei Widerständen vorwärts kommen. Im übertragenen Sinne gemäß dem Motto „das Leben ist dein Freund“.

[Diese Woche beim Interdisziplinären: Mittwoch, Wartungstag]
[Diese Woche beim Feingeistigen: Aufstehen, es ist Freitag!]


Montag, 16. Oktober 2023

Schwarmintelligenz – Attraktoren – Schulterklopfen

Auf den gängigen Social Media Plattformen kann man ja schmökernd seinen Tag verbringen. Da gibt es Veröffentlichungen, die von neugierigen Lesern nicht nur aufgenommen, sondern auch kommentiert werden. Das hat unterschiedliche Ursachen, mal ist das Bild ansprechend, mal kennt man die Person oder das Unternehmen, mal ist es einfach schick und die Freunde haben schließlich auch schon einen Daumen-hoch gegeben.

Schwarmintelligenz Attraktoren Schulterklopfen
Ein typischer Fall von Schwarmintelligenz oder vielleicht besser die Frage, was einen Bestseller zum Best-seller macht. Ist es wirklich die Qualität, die hier im Mittelpunkt steht? Oder bilden sich nicht vielmehr Trampelpfade aus, nichtlineare Prozesse führen zu sogenannten Attraktoren. Gibt es erst mal viele Likes, dann kommen noch weitere dazu: Was die anderen gut finden kann ja nicht schlecht sein. Ein Prozess des gegenseitigen Schulterklopfens setzt ein; Gibst du mir eine gute Bewertung kriegst du auch einen Stern von mir.

Das kennt man ja klassisch von Marken, wie reizt man zum Kauf, wie hält man die Interessenten bei der Stange und wie scheu ist manchmal das Reh, das wir Kunden nennen. Da heißt es mit Gefühl die richtigen Knöpfe zu drücken, strahlende Gesichter sind selten hinderlich und weibliche Reize sind wie Erfolgsgeschichten ein willkommener Köder.

Das Internet als großer See, Untiefen inbegriffen und während er für die einen ein Planschbecken ist, räkeln sich anderen selbstdarstellerisch am Ufer und wieder andere genießen auf dem Tretboot die Sonne. Exhibitionisten kommen genauso auf ihre Kosten wie introvertierte Ruhesuchende, hinter Röhricht könnte ein Liebesnest verborgen sein, vielleicht aber auch nur eine Entenfamilie hausen.

Und was auch immer Instagram, Tictoc, Tinder und Co anbieten: Alles ist öffentlich, keine Barriere schirmt die Anbieter, kein Mechanismus unterscheidet bei den Konsumenten. Ein Traum scheint wahr zu werden, ein Traum von der Existenz der Schwarmintelligenz, von ungezügelter Demokratie. Da könnten einem höchstens bei Shitstorms, Korrelationen zwischen äußerlicher Attraktivität und Klickzahlen oder auch bei der Begründung von Meinungen Zweifel kommen.

[Weitere Blogs: Interdisziplinäre GedankenFeingeistiges] 

Montag, 9. Oktober 2023

Die Grenzen von Murphys Gesetz

Grenzen von Murphys Gesetz
Sicher, nicht alles im Leben läuft optimal. Es liegt durchaus im Rahmen der Normalität, dass manche Vorgänge gut verlaufen, andere schlecht. Aber was heißt eigentlich gut oder schlecht? Es beginnt schon damit, dass wir für uns selbst eine Art Erwartungswert definieren. Sind wir es gewohnt, dass wir jeden Tag bei der Fahrt zum Arbeitsplatz eine grüne Welle erleben und keine nennenswerten Behinderungen auftreten, dann finden wir das nach einiger Zeit normal. Ist es aber eigentlich gar nicht, vielmehr haben wir eine Zeit lang schlichtweg Glück gehabt oder sagen wir mal vorsichtiger ist eine Zeit lang alles bestmöglich gelaufen. Aber bestmöglich ist eben im langzeitlichen Mittel nicht normal. Tage mit Lieferfahrzeugen, erhöhtem Verkehrsaufkommen oder Stau wegen einer Baustelle empfinden wir dann schon als schlimm.

Dann gibt es Situationen, die zwar unerwünscht verlaufen, aber eigentlich logisch absehbar sind. Fahre ich zu spät los, dann sind die guten Parkplätze nahe des Kinos schon belegt. Ich bin nicht nur zeitlich knapp dran, ich muss auch noch einen weiteren Fußweg in Kauf nehmen und komme noch später. Auch das ist kein Fall von Murphys Gesetz, sondern simple Logik.

Des Weiteren gibt es viele Alltagssituationen, in denen Pannen durchaus erwartbar passieren. Man kann ausrechnen, dass es wahrscheinlicher ist, dass ein herunterfallendes Brot auf die Marmeladenseite fällt. Das ist keine Bösartigkeit der Natur, sondern reine Physik.

Der Nachbar stellt die Mülltonnen in den Weg? Naja, das kann verschiedene Ursachen haben, vielleicht kann er mich einfach nicht leiden, ist unaufmerksam oder hat diesen Platz innerlich für die Mülltonnen reserviert. Dass ich sie erst zur Seite räumen muss und mich besonders darüber ärgere, wenn ich es eilig habe… das ist bedauerlich, aber da steckt keine höhere Gewalt dahinter.

Murphys Gesetz ist ein Sinnbild für menschliches Versagen bzw. Fehlerquellen in komplexen Systemen. Doch allzu oft wird es für Situationen bemüht, in denen wir es eigentlich in der Hand haben, günstigere Randbedingungen zu schaffen (z. B. früh genug losfahren), nicht den Optimalfall mit dem Normalfall verwechseln und nicht jede Unannehmlichkeit als Panne zu interpretieren.

Montag, 2. Oktober 2023

Modell-Eisenbahn

Das habe ich mir mal ganz genau erklären lassen. Kinder haben eine Spielzeug-Eisenbahn, Erwachsene dagegen eine Modell-Eisenbahn. Die beiden Produkte sehen für Laien ziemlich ähnlich aus, aber es liegen natürlich Welten dazwischen. Während die Kleinen die Lokomotiven auf mehr oder weniger fest installierten Schienen hin- und herschieben oder auch mit elektrischem Strom bewegen, ist bei den Großen die Modellierung der Landschaft und Gebäude neben der miniaturisierten Form der Wagons ein wichtiges Equipment.

Modell-Eisenbahn
Also, da staune ich selbstredend, beide Seiten versichern mir, dass sie Spaß haben. Geht das denn überhaupt, frage ich mich, dass man auf alle Details verzichtet und sich am Herumfahren auf dem Schienenkreis ergötzt? Oder andersherum: Kann man Freude entwickeln, wenn man eigentlich nichts verändern darf, weil es dann nicht mehr ganz der geschrumpften Wirklichkeit entspricht?

Da ist – stelle ich für mich fest – gar kein Maßstab zu definieren. Weder hätte ich Spaß am pingeligen Basteln und Aufbau einer Miniwelt. Die reale Welt ist eigentlich ganz schön, die Bahnhöfe zum Teil prächtig oder urig und die Züge zum Teil sehr schnittig. Und ich fühle auch keinen Bedarf, einen pünktlichen Fahrplan in einem Kellerraum nachzuspielen, Züge auf Gleise zu manövrieren und sich ausweichen zu lassen, Lokomotiven von den Schienen zu heben, Personenwagen ein- und Speisewagen auszuhängen etc.

Und doch ein schönes Hobby, wenn man es denn mag. Und zwar als Spielzeug oder als Modell. Jedem das seine.