Montag, 6. November 2023

Mehr Spiegel!

Im Laufe der Jahrhunderte hat es immer wieder Figuren gegeben, die die Rolle eines Spiegels einnehmen. Seien es Personen wie Till Eulenspiegel oder auch Victor von Bülow, bekannt als Loriot. Im etwas erweiterten Sinne würde ich auch Hofnarren in diese Gruppe aufnehmen. Im Kern geht es darum, dem Umfeld etwas zu demonstrieren, was es eigentlich schon weiß oder wissen könnte. Sie haben es zwar gewusst, es war ihnen aber nicht bewusst. Nur ein Buchstabe unterschied, für unseren Kopf aber eine eklatant andere Situation.

Niemand wird behaupten, dass er bei Loriot etwas lernt, was ihm vorher unbekannt war. Aber er zieht Dinge ins Bewusstsein, die wir dann (selbst ohne merkliche Überzeichnung) als lustig empfinden. Erst im nächsten Moment kommt dann (hoffentlich) die Erkenntnis, dass eigentlich wir es sind, die da vor der Kamera stehen. In irgendeiner verborgenen Ecke unserer Seele juckt es uns vielleicht auch, die horizontale Position eines Bildes herzustellen und das nach unserem Korrekturversuch hereinbrechende Durcheinander mit den entschuldigenden Worten „Das Bild hing schief“ zu kommentieren.

Mehr Spiegel
Wir brauchen mehr Spiegel! Als gesunder Mensch hat man maximal ein Gesichtsfeld von rund 180 Grad (Halbkreis). Uns selbst können wir also ohne Hilfsmittel nur zum Teil sehen. Bei unserm Körper sind wir von Natur aus mehr oder weniger neugierig, erst recht, wenn es einen konkreten Anlass wie die Betrachtung der Frisur (von der Seite) oder das Herausfinden der Ursache des Rückenschmerzes gibt. In diesen Fällen kommen wir von uns aus zur Erkenntnis, dass nur ein Spiegel uns einen unverfälschten und direkten Blick auf den Status erlaubt.

Aber zur Einschätzung unseres Verhaltens, der eigenen Außenwirkung oder eingeschliffenen Gewohnheiten verlangen wir selten nach einem Spiegel. Recht gängig ist im beruflichen Kontext das Einfordern von Feedback, aber schon die aufmerksame Betrachtung des Umfeldes und dessen Reaktion kann wertvolle Informationen liefern. In der Bibel heißt es, dass man den Balken im eigenen Auge nicht sieht, sondern nur den Splitter im Auge des Gegenübers. Mit Spiegel wäre das nicht passiert.

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