Zugegeben: Ich hätte es mir nicht vorstellen können, dass es ein Leben ohne Uhr und ohne Terminkalender geben könnte. Aber man muss das einfach mal mutig ausprobieren. Natürlich in geschützter Umgebung, zum Beispiel im Urlaub oder noch mutiger an einem Arbeitstag, an dem keine hochwichtigen Besprechungen anstehen. Denn genau dann ist die Gelegenheit, auf alle Kalendereinträge zu verzichten und nur ganz selten auf die Uhr zu schauen. Das geht am ersten Tag gar nicht so richtig gut.
Aber ab dem zweiten Tag hat man zunehmend ein gewisses Gefühl für Zeitdauern und in Kombination mit bewusst wahrgenommenen Uhrzeiten kann man ziemlich genau die aktuelle Uhrzeit einschätzen.
Man sieht aus dem Fenster, schaut nach dem Sonnenstand und schätzt die Tageszeit ein. In Kombination mit den üblichen Zeitdauern kann man ziemlich genau die aktuelle Uhrzeit schätzen. Beim Pausenbeginn war es 12:30 Uhr, typische Zeit für Mittagessen sind 30 Minuten, aber heute habe ich erst noch Getränke holen müssen (plus 5 Minuten), so dass es jetzt 13:05 Uhr sein müsste.
Und in dem Zusammenhang verliert auch der Terminkalender seine Bedeutung. Wenn ich morgens durch die Tagesplanung schaue, dann kann ich meinen Tag gedanklich schon mal ein wenig strukturieren. Was will oder muss ich bis zur Mittagspause erledigen, was ist am Nachmittag dran und welche Punkte sollen den Tagesablauf abschließen. Zu jedem der Themen mache ich mir schon bei der morgendlichen Vorschau ein paar Gedanken, beschäftige mich damit. Wenn dann die Anfangszeit erreicht ist, kann ich auf diese Vorarbeit zurückgreifen. Die vermeintlich morgens vertane Zeit hole ich im Sinne einer guten Vorbereitung und in diesem Moment verkürzte Rüstzeit wieder heraus.
Ohne Zweifel können durch diesen Ansatz auch mal falsche Uhrzeiten oder Probleme in der Themenabarbeitung eintreten. Aber zum einen handelt es sich um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, der beispielsweise das Korrigieren von typischen Aufwänden und hierfür zu veranschlagender Zeit vorsieht. Und zum anderen führt er uns zurück zu dem Arbeitstempo, das wir persönlich leisten können. Eine Übertaktung ist per constructionem ausgeschlossen, gehe ich doch gemäß meiner Planung gut vorbereitet und konzentriert durch die Termine.
Man kann nun einwenden, man wäre mit einer Vorabplanung unflexibel und kann diesen Antritt in der Praxis gar nicht umsetzen. Nun ja, die mentale Vorbereitung des Arbeitstages bildet tatsächlich ein Gerüst, das man nicht beliebig umbauen kann. Aber es schafft auch die Sicherheit, dass die geplanten Dinge in der selbstdefinierten Qualität geliefert werden können.
Und wir brauchen nur an die Eisenbahn zu denken, die nach liegengebliebenen Zügen oder sonstigen Störungen im Betriebsablauf schnellstmöglich wieder in den regulären Fahrplan zurückkehrt. Wobei die Züge nur bis zur zugelassenen Geschwindigkeit etwas schneller fahren dürfen.
Es gilt also zu akzeptieren, dass es "Störungen im Betriebsablauf" gibt. Dass unerwartete Aufgaben dazukommen, wegfallen, sich Aufwände unerwartet verändern. Aber am Ende ein Zurückschwenken zu der Planung (die die "Fahrgäste" von uns erwarten).
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