Im privaten, aber gerade auch im beruflichen Umfeld höre ich immer wieder, wie wichtig doch Vertrauen ist. Vertrauen… hm. Also, ich denke da immer an Kaa (das ist die Schlange in „Das Dschungelbuch“), wenn sie singt: „Hör auf mich, glaube mir, Augen zu, vertraue mir!“ und dabei nichts Gutes im Schilde führt.
Denn in Abwandlung des alten Sprichwortes gilt: Vertrauen ist gut, Naivität ist schlecht. Zumindest hat die Forderung von Vertrauen einen Hauch von Plattitüde oder gar der Aufforderung zur Blauäugigkeit.
Vertrauen ist der Glaube oder die Zuversicht in die Zuverlässigkeit, Integrität oder Fähigkeiten einer Person, einer Gruppe oder einer Sache. Es basiert auf positiven Erfahrungen, die man in der Vergangenheit gemacht hat, und darauf, dass man erwartet, dass diese positiven Erfahrungen auch in Zukunft eintreten.
Zentrale Aussage ist, dass Vertrauen eine Art Projektion der bisherigen Erfahrungen (Vergangenheit) auf die erwarteten Verläufe (Zukunft) darstellt. Man muss also erst mal Erfahrungen sammeln, dann kann man darauf aufbauend versuchen zu extrapolieren. Wie wackelig dies ist, wird durch die Begriffe Glaube oder Zuversicht ausgedrückt.
Dann ist bemerkenswert, dass man Vertrauen nicht fordern kann. Es entwickelt sich aus dem bisherigen Verlauf, aus der Kumulation der gemachten Beobachtungen. Das braucht per definitionem seine Zeit, einer fremden Situation kann man nur einen Vertrauens-Vorschuss gewähren oder versuchen, sich an ähnlichen Situationen zu orientieren.
In diesem Zusammenhang kommen auch vertrauensbildende Maßnahmen ins Spiel. Die in der Definition erwähnten positiven Erfahrungen kann man beispielsweise durch Hinweis auf bestimmte Eigenschaften, Referenzen und Berichte ergänzen.
Schließlich ist Vertrauen auch ein kollektiver Effekt. Das gilt in Hinblick auf bestimmte Fraktionen der Mitmenschen, beispielsweise Vertreter einer bestimmten Berufsgruppe. So wird die Aussage von Polizisten a priori für glaubwürdig gehalten. Andererseits zeigt sich dieser Kollektiveffekt aber auch als Referenzersatz. Wenn alle meine Freunde mit dem Produkt einer bestimmten Marke gute Erfahrungen gemacht haben, tue ich mich leichter damit, es nachzukaufen.
Erwähnenswertes Detail, dass bei Produktempfehlungen (Werbung) neben dem zeitlichen Aspekt (hat in der Vergangenheit gut funktioniert) auch ein Masseneffekt zum Tragen kommt. Wenn es schon tausende zufriedene Kunden gibt, dann werde ich wahrscheinlich auch zufrieden sein, so die Botschaft. Oder wenn tausende Geräte funktioniert haben, dann auch das von mir gekaufte.
Aber wie man es auch dreht: Vertrauen kommt von trauen, also dem Glauben an die Übertragbarkeit von einem zum anderen Produkt oder Mensch; der Vermutung der Übertragbarkeit von einem Menschen auf einen anderen; der Hoffnung auf die Übertragbarkeit von der Vergangenheit auf die Zukunft.
Einfach nur zu vertrauen ist naiv, es bei Mitmenschen einzufordern unseriös und damit hausieren zu gehen sentimental.
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