Ein probates Mittel, um sein Leben zu steuern, ist die
Orientierung an anderen Menschen. Das können Idole sein oder einfach nur
Vorbilder. Grundsätzlich ist dies ein guter Weg. Die Menschheit entwickelt sich
durch ihr herausragendes Lernverhalten besser als andere Tiere. Wir übernehmen
zunächst viele Erfahrungen von den Eltern, danach suchen oder bekommen wir
andere Lehrer.
Dummerweise kommt uns an dieser Stelle der „Dieter-Bohlen-Effekt“
in die Quere. Ich nenne das Phänomen mal so, auch wenn es bei vielen anderen
erfolgreichen Zeitgenossen ebenso zu beobachten ist.
Kaum hat jemand viele Schallplatten verkauft, meint er, er
könne beurteilen, was Schallplattenverkauf erfolgreich macht. Grundverkehrt. Im
Grunde kann er noch nicht einmal beurteilen, warum bei ihm (!) der
Schallplattenverkauf so gut funktioniert hat. Er meint nur, dass er es kann,
denn er schätzt irgendwelche ihm bewussten Faktoren als die relevanten Punkte
ein. Tatsächlich sieht er aber nur einen Teil.
Für den Erfolg sind nämlich nicht nur die musikalische
Komposition und das Treffen des aktuellen Geschmackes entscheidend, sondern
auch eine Vielzahl zum Teil unsichtbarer Faktoren. Auftreten, wohlgesonnene
Bekannte, nicht ersichtliche Seilschaften, „richtige“ Einschätzung oder die
Kommunikation mit den eigentlichen Entscheidungsträgern spielen meist die
größere Rolle.
Folglich ist es ein Irrglaube, wenn Dieter Bohlen nun meint,
er könne in einer Jury darüber entscheiden, wer musikalisches Talent besitzt
und im Musikgeschäft erfolgreich ist. Er schaut aus seinen Augen und projiziert
– unzulässig – seine Lebenserfahrung auf Andere. Tatsächlich stimmt hier die
Selbsteinschätzung nicht und die Ernennung zum Richter ist eine Form der
Anmaßung.
Das gilt natürlich auch für andere Lichtgestalten. Sie haben
einen erfolgreichen Lebensweg hinter sich und geben ihre subjektiven
Erfahrungen als allgemeingültige Ratschläge an Mitmenschen weiter.
(1) Das Erfolgsrezept des Einen ist nur eingeschränkt auf
einen anderen übertragbar. Unscheinbare Randbedingungen spielen eine mindestens
ebenso große Rolle.
(2) Was heißt hier erfolgreich? Die einzige belastbare
Definition von Erfolg kommt aus der philosophischen Betrachtung und bedeutet dort
die Erreichung von Glück. Kann man nach Verkauf einer gewissen Anzahl
Schallplatten zwingend von Erfolg im Leben sprechen? Was ist beispielsweise mit
Wegbegleitern wie Teamkollegen oder Ehepartnern?
Der Erfolg ist anerkennenswert, aber entspricht er überhaupt
(und gegebenenfalls sogar bedingungslos) meinem Ziel?
(3) Elementar ist die Analyse, welches die
Randbedingungen sind oder waren. Und ob man nicht vielleicht für sich eine
Qualität in den Mittelpunkt stellt, die für das eigene Leben nur ein Nebenkriegs-Schauplatz ist.
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