Montag, 29. November 2021

Win-Win oder Lose-Lose

Positive Menschen bezeichnen ein Glas mit fünfzig Prozent Füllung als halbvoll. Bei negativer Grundhaltung wird man eher von halbleer sprechen. Auch wenn also die Tatsache gleich ist, so wird sie doch von Menschen je nach Einstellung anders wahrgenommen und bewertet.
Täglich müssen wir Dinge besprechen, Wege suchen, den eigenen Standpunkt vertreten; Bezeichnen wir es mal zusammenfassend als Verhandlungen führen.
Und dabei ist es wie bei der Geschichte mit dem Glas interessant zu beobachten, dass man unterschiedlich mit der Suche nach einem Konsens umgehen kann.

Analog zum positiven Ansatz beim Wasserfüllstand wird man nach einer Lösung suchen, die für beide Seiten einen Vorteil hat: win-win also. Der Anbieter ist zufrieden, weil er sein Produkt verkaufen konnte, der Kunde freut sich über die erworbene Ware. Da sich beide als Gewinner fühlen, ist neben dem Austausch von Ware gegen Geld auch der emotionale Teil für beide Parteien befriedigt, beide sind glücklich.

Ganz anders sieht es aus, wenn man es von der negativen Seite betrachtet, halbleer ist das Glas, jeder hat am Ende der Verhandlung Federn gelassen: lose-lose. Natürlich hat sich der Händler einen höheren Preis erhofft, so dass er zwar zähneknirschend verkauft („besser also nichts“), aber im Grunde enttäuscht ist. Und der Kunde wollte eigentlich weniger Geld auf den Tisch legen, naja, immerhin hat er die Ware, wenn auch zu einem überhöhten Preis. – Ich muss nicht betonen, dass sich hier emotional zwei Verlierer trennen.

Und dann gibt es noch den Fall, bei dem zwei Personen zusammentreffen, von denen A die Verhandlung mit Ziel win-win und B in der Wahrnehmung lose-lose führt. A versucht den Kompromiss so zu gestalten, dass ein beiderseitiger Vorteil entsteht, sucht entsprechend motivierende Argumente und arbeitet den Vorteil für B heraus. Währenddessen will seine Gegenseite den eigenen Nachteil minimieren und argumentiert entsprechend mit potentiellem Schaden. Je weiter B sich von seiner ursprünglichen Position entfernt, umso unzufriedener wird er, wie in einem Krieg empfindet er jede Bewegung in Richtung A als Landverlust. Auf der anderen Seite ist A irritiert, weil er für B einfach keine Gewinnsituation arrangiert bekommt.

Verhandlungen können also nur glücken, wenn entweder beide Seiten mit gleicher Grundhaltung unterwegs sind, oder wenn man sich auf die abweichende Zielrichtung einstellt. Augen auf also und Grundtenor der Argumentation an der Gegenseite ausrichten.

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Montag, 22. November 2021

Was heißt hier tot?

Der Tod ist nur auf den ersten Blick endgültig. Denn was heißt schon tot? Oberflächlich kann man einen Menschen, dessen Herz nicht mehr schlägt als tot bezeichnen: sein menschliches Leben endet. Aber natürlich geht es in der Hülle weiter. Die Zellen verrichten zwar nicht mehr ihre bisherige Arbeit, aber sie verharren nicht in diesem Zustand. Vielmehr zerfallen sie in Bestandteile oder bilden im Rahmen der Verwesung andere Aggregate. Das können andere lebende Organismen sein oder auch Materie ohne Stoffwechsel. Aus einem Menschen entstehen also viele neue Ausgangsstoffe, aus denen wieder neue Dinge und Lebewesen werden können.

Auch die unbelebte Natur stirbt nicht einfach weg. Die Zeitskala mag beim Zerfall von Gebirgen weit über die menschliche Vorstellungskraft hinausgehen, aber auch Steine verschwinden nicht einfach, sondern geben sukzessive einen Teil ihres Materials an die Umwelt ab. Dort kann ein Zerfall stattfinden oder es können durch chemische Prozesse wieder neue Stoffe entstehen.

Noch ein Blick auf den Zerfall. Ja, meist werden die Moleküle kleiner, manchmal geht es sogar bis zu den Elementen zurück. Aber wir wissen natürlich auch, dass selbst Atome keine toten Objekte sind, kreisen doch Elektronen um den Atomkern. Und das immer weiter, bis es wieder zu Bindungen und damit zum Entstehen von Molekülen kommt. 

Diese wissenschaftliche und nüchterne Sichtweise deckt sich auch mit der esoterischen Perspektive, selbst wenn Glaubensgemeinschaften ein Leben nach dem Tod in Aussicht stellen, haben sie so besehen durchaus Recht. Und zum Beispiel ist dies der katholischen Kirche durchaus bewusst, wenn sie am Aschermittwoch den Zerfall zu Staub und damit den Übergang zu einem anderen Stoff in den Mittelpunkt stellt.

Nur ist es selbstverständlich ein Irrglaube, dass wir nach unserem Tod wieder zu dem zurückkommen können, was wir als menschliches Leben bezeichnen. Physikalisch betrachtet ist das nicht möglich, weil es einen Hauptsatz der Thermodynamik verletzen würde. Der Aufbau komplexer Strukturen (Synthese größerer Moleküle oder gar Körper) erfordert den Einsatz von Energie. Man kann in diesem Zusammenhang den Stoffwechsel als filigranes Gegenhalten verstehen, wie bei Organismen die nach den Grundsätzen der Thermodynamik zu erwartende Zunahme der Entropie aufgehalten und durch sehr gezielten Energieeintrag sogar in ein Auf- und Umbauen gewandelt wird.

Damit erklärt sich auch, warum der Erhalt der Körperlichkeit und des Lebens nur auf der Basis der komplexen physiologischen und biochemischen Prozesse und unter Nutzung aller im Laufe der Evolution entstandenen Organe möglich ist. Kommt hier etwas aus dem Gleichgewicht oder stellt gar die Funktion ein, so kann die Entropie nicht mehr in Schach gehalten werden, es kommt zum Verfall und damit zum Ende des „Lebens“.

Kleiner Trost: Für die Moleküle und Atome geht es weiter.

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Montag, 15. November 2021

Die Fragen aller Fragen: Warum?

Vor mir sitzt eine Person, die ich kennenlernen soll, beurteilen soll, der ich mal so richtig auf den Zahn fühlen soll. Das geht ganz einfach, und zwar in allen Wissensgebieten, unabhängig davon, ob ich mich auskenne oder nicht.

Als Einstieg erst mal die Bitte, das Fachgebiet grob zu umreißen, ein paar Worte zum Überblick. Und dann steige ich ein und frage an irgendeiner geeigneten Stellen nur: „Warum?“. Dadurch kommen wir eine Ebene tiefer, Details werden genannt, Begründungen gegeben. Ohne wirklich zuzuhören warte ich wieder einen passenden Moment ab und hake nach: „Warum?“ Nun wird es schon sehr kompliziert, Spezialwissen kommt zur Sprache, vielleicht fällt der eine oder andere spezifische Fachbegriff. Dass ich jetzt nur noch Auszüge verstehe ist nebensächlich, denn viel wichtiger ist das Timing, um weiter zu bohren: „Warum?“.

Wie oft man dieses Vertiefen wiederholen muss, ist abhängig vom Thema und vom Gesprächspartner, aber früher oder später steht jeder so befragte inhaltlich mit dem Rücken an der Wand. Er erfährt schmerzlich, dass wir in der menschlichen Wissenschaft ein (plausibles) Gedankengebäude errichtet haben, in sich logisch verknüpft, aber das Fundament sind allerlei Annahmen, Hypothesen, Modelle. Die man qua constructionem nicht begründen kann und die deshalb den vorgeblich interessierten Gesprächspartner unzufrieden machen.

Und so ist der populäre Song der Sesamstraße „Wer, wie, was? Wieso, weshalb, warum?“ eigentlich die Basis für eine ganz schön fiese Art, als Kind die scheinbare Wissensmacht der Erwachsenen bloßzustellen.

Montag, 8. November 2021

Der Mensch ist weg

Im Laufe des Lebens haben wir uns ein Umfeld geschaffen, das aus mehr oder weniger hilfreichen Zeitgenossen besteht. Sei es die Familie, der Freundeskreis, die Arbeitskollegen. Wer gut für uns ist, der wird explizit gepflegt, andere nehmen wir eher neutral mit und wer nicht zu unserem Leben passt, der soll doch bitte hingehen wo der Pfeffer wächst.

Was aber nun, wenn ein für uns wertvoller Mensch – aus welchem Grund auch immer – nicht mehr in unserem Umfeld ist. Vielleicht hat er den Kontakt abgebrochen, ist weggezogen oder gar verstorben. Jedenfalls ist er weg – wer kocht denn jetzt für mich?

Wie an anderer Stelle schon einmal modelliert, gibt es aus meiner Sicht drei Wege. (1) Man kann die Gelegenheit nutzen, den Verlust durch Eigeninitiative zu kompensieren, also kochen zu lernen. (2) Alternativ kann ich jemanden suchen, der in die Lücke passt, also wieder einen Koch in mein Netzwerk zu bekommen. (3) Und schließlich kann ich es einfach hinnehmen, je nach Charakter entweder im Sinne von Resignation oder innerer Anpassung der Bedürfnisse: Ernähren kann ich mich auch von einem Butterbrot, dafür brauche ich keinen Koch. 

Diese drei Punkte kann man in genereller Form betrachten. Gute Basis für den ersten Weg ist ein vielseitiges Interesse und die Beschäftigung mit unterschiedlichen Themen, selbst wenn sie aktuell nicht für mein Leben relevant sind, aber schlagend werden könnten.

Daneben ist ein weitläufiges Netzwerk von Mitmenschen mit vielen Überlappungen und einer Art Backup-Struktur sehr wünschenswert. Ist mein Koch gerade nicht greifbar, rufe ich den anderen Küchenmeister an.

Und je weniger Ansprüche ich an Zulieferungen habe oder je wendiger ich bin, wenn es um die Justage meiner Bedürfnisse geht, desto leichter kann ich damit leben, wenn mal eine Person oder eine gewohnte Lieferung nicht mehr zur Verfügung steht.

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Montag, 1. November 2021

Ruhe, verdammt noch mal!

Mitten in der Menschenmasse. Die Luft heiß, der Boden vibriert. Auf der Bühne arbeiten die Jungs an einem psychodelischen Sound. Breit kommt der Bass daher, tief in den Bauch. Die Beats des Schlagzeugs treffen den Brustkorb, alles schwingt. Die Scheinwerfer fingern sich durch den künstlichen Nebel. Ein Cocktail aus Parfum und Schweiß in der Nase. Orgasmus für die Sinne.

Szenenwechsel. In der Sauna, ganz nackt, nur ein Handtuch unter dem Körper. Sonst nichts, kaum ein Geräusch. Es dampft und Hitze verteilt sich in Schüben durch den Raum. Frauen und Männer um mich herum, genauso hüllenlos. Aroma vom Aufguss wabert in der Schwitzkabine, lässt den Schweiß rinnen. Ein Hauch von Eukalyptus, sphärische Klänge aus dem Lautsprecher. Entspannung pur.

Szenenwechsel. Im Großraumbüro, kleiner Schreibtisch mit Bildschirm. Das Telefon hat keinen Hörer, nur ein Headset mit Mikrofon. Die Geräuschkulisse hat etwas vom Summen in einem Bienenkorb. Mein Gegenüber hat Mundgeruch, er lacht laut und oft. Nach der Mittagspause werden die Stimmen noch lebhafter, Kaffee regt an. Mitten im Spannungsfeld zwischen Konzentration und Kommunikation. Stress ohne Ende.


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