Montag, 30. Mai 2022

Die Pubertät und ihre Compliance


Wenn ich die Kids erlebe, die in der Pubertät sind, dann denke ich immer an Compliance. Nicht, dass die jungen Menschen etwas mit diesem Ansatz zu tun hätten. Aber sie befolgen einige Aspekte, die man als Erwachsener erst wieder mühsam beigebracht bekommen muss.

Know your customer zum Beispiel. Früher hätte man vielleicht gesagt „Trau, schau wem“, aber dieses altertümliche Sprichwort ist mächtig aus der Mode gekommen. Siebtklässler haben das aber durchaus verinnerlicht, sie wollen ihre Kameraden kennenlernen, stecken ihren Claim ab und überlegen sehr genau, wem sie was erzählen.

Womit wir bei einem anderen Aspekt, dem Need-to-know-Prinzip sind. Eltern erzählt man in diesem Lebensabschnitt nur das Nötigste. Dass der Streber eine Brille trägt und der Klassenlehrer nach einer Operation leicht humpelt. Mit wem ich mich umgebe, meine Freizeit verbringe oder gar mit welchen Mädchen ich mich treffe – das müssen meine Eltern nicht wissen.

Und die Einhaltung von rules. Nicht unbedingt die Regeln, die offiziell und von außen an den Teenager herangetragen werden. Die gilt es im Gegenteil heimlich zu umgehen. Nein, gemeint sind die Befehle, die von einer höheren Ebene, einer für alle anderen Menschen unsichtbaren Instanz kommen. Die anordnen, sich auszutoben, cool zu sein, den Harten zu markieren oder lässig die Fluppe im Mundwinkel hängen zu haben.

Heimlich im Zimmer verschwinden, sich auch bei Sonnenschein einzuschließen ist ein Akt der gelebten Zugriffskontrolle. Was sich ja im Laufe der nächsten Lebensjahre meist relativiert, weil es alleine eben doch nicht so richtig schön ist. Aber was sein muss, das muss sein und im Idealfall steigert es die Beachtung, eine Awareness-Kampagne sozusagen.

Damit ist der Bogen geschlagen, Kinder können auch in diesem Punkt unsere Vorbilder sein, von denen wir in ihrem manchmal etwas anstrengenden Benehmen einiges für den Berufsalltag abschauen können.

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Montag, 23. Mai 2022

NLP ist überall

Neuro Linguistische Programmierung
„Jetzt red‘ dir das nicht ein“, sagt meine Freundin zu mir. Ich denke an meine Mutter, „Da hinten wird es hell“ war so ein Ausdruck, wenn wir im Regen spazieren gingen. Und tatsächlich, wir schöpften Hoffnung, die Stimmung wurde besser und meistens wurde es tatsächlich auch hell, der Regen hörte auf und die Sonne kam heraus.
Die Kraft der Gedanken, könnte man jetzt schmunzeln, aber primär war es eine Beeinflussung der Denkwelt. Denn die Gedanken sind frei, so frei, dass wir sie wie die Drachen am Himmel an langer Schnur halten und führen können.

Also Neuro-linguistische Programmierung (NLP). Schon beim Begriff der Programmierung zuckt man zusammen, klingt es doch nach Manipulation. Aber jede Form der äußeren Impulse bewirkt ja einen Denkprozess, ein Lernen, eine Veränderung. Der Lehrer, der mir eine Aufgabe stellt und die Lösung erläutert führt genauso zu einer Form der Programmierung wie das eigene Auswerten der Reaktion meiner Mitmenschen auf meine Handlungen.

Andererseits wissen wir aber auch, dass viel über die Sprache vermittelt wird. Wir bekommen gerne Nachrichten erzählt, hören zu, was unsere Kollegen zu sagen haben. Und lassen dies in unsere Überlegungen und Urteile eingehen. Ohne Zweifel können wir uns aber auch selbst zuhören, wörtlich oder im übertragenen Sinne. Dann sind wir eben Erzähler und Zuhörer in einer Person, Lehrende und Lernende in Personalunion. Und können uns damit – siehe Abschnitt zwei – selbst programmieren.

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Montag, 16. Mai 2022

Und führe mich nicht in Versuchung

Es geht – um das vorneweg zu betonen – nicht um weibliche Reize, denen ich vielleicht erliege, auch nicht um das Behalten des Geldbeutels, der unter der Theke liegengeblieben ist. Selbst die Herausforderung, Süßigkeiten zu verschmähen, ist heute nicht mein Thema. Vielmehr möchte ich mich den gedanklichen Versuchungen des Alltags widmen.

Da nimmt mich ein Arbeitskollege beiseite, erzählt mir von den schlechten Erfahrungen, die er mit dieser oder jener Person gemacht hat. Oder seiner Einstellung zu einem gewissen Fachbereich. Das hört sich alles ganz plausibel an, ein paar Beispiele unterlegen seine Geschichte. Und dennoch heißt es jetzt, der Versuchung zu widerstehen, diese Ansicht zu übernehmen oder sie – schlimmer noch – unreflektiert weiterzutragen. Wahrheit aus zweiter Hand sozusagen.

Diese Information verselbständigt sich im Laufe der zahlreichen Stationen der Weitergabe. Nach einigen Übergaben ist weder die ursprüngliche Sache noch die Herkunft sauber rekonstruierbar. Stattdessen gibt es nur noch eine (negative) Botschaft, von der niemand weiß, woher sie gekommen ist und jeder nur annimmt, dass sie stimmt.

Selbst bei viel kleineren und unwesentlicheren Punkten nehmen wir gerne mal die Meinung des Berichtenden an. Besonders, wenn wir ihn kennen oder auf den ersten Blick alles einleuchtend erscheint. Was aber nichts heißen muss, denn auch mein ansonsten vertrauenswürdiger Bekannter hat seine Informationen möglicherweise selbst aus dritter Hand (was er mir aber nicht ausdrücklich sagt).

Grundsätzlich ist bei allen Wertungen meiner Zulieferer also Vorsicht geboten. In der Praxis können wir nicht jedes Statement in Frage stellen, jede Aussage (heimlich) anzweifeln oder jedes Wort auf die Goldwaage legen.

Aber eine skeptische Grundhaltung und regelmäßige innere Prüfung, dass man nicht nur weitererzählt, was uns jemand anders ins Ohr geflüstert hat, das ist schon wünschenswert. Genau diese Versuchung des unreflektierten Nachplapperns meine ich, in die ich nicht geführt werden möchte.

Montag, 9. Mai 2022

Jäger des verlorenen Satzes

Da bekomme ich E-Mails, mal ganz ehrlich – man kann sich ja kurz ausdrücken, gerne strukturiert und knapp formulieren. Aber einen Satz zu Ende bringen, möglichst passend zum Anfang der Sentenz, das sollte, na egal.

Munter beginne ich mit der Lektüre der Nachricht, immerhin hat hier jemand an mich gedacht – oder auch nicht, wie sich nach wenigen Worten herausstellt. Als Leser scheine ich ihm egal, bin ihm nicht die Mühe des Kontrolllesens vor dem Absenden wert gewesen. Verschwimmen die Buchstaben vor meinen Augen oder sind sie wirklich eher wirr in die Tastatur eingegeben worden, ich bin mir nicht sicher.

Ich setze zurück zur Anrede, manchmal hilft es, wenn man sich den Text laut vorliest. Errät aus den Lauten dann, was der Autor mitteilen wollte. Oder zu wollen meinte. Die Bandbreite geht von Schreibfehlern und Buchstabendrehern über Fehlgriffe bei Fremdwörtern bis hin zu misslungenen Sprachbildern. Gelegentlich fehlt auch mal ein Wort, ein anderes vielleicht doppelt. Was sich leider nicht ausgleicht.

Überhaupt braucht man ein gerütteltes Maß an Toleranz bei der Übersetzung ins Deutsche. In der Technik würde man von unscharfer Suche sprechen, Erraten des Wortumfeldes und was gemeint sein könnte. Was dann bei den Meistern der Verwirrung noch mit Logikbrüchen und weggelassenen Begründungen zur Zerstörung jeglicher Kausalität führt.
In diesem Moment erwacht der Jäger in mir. Das scheue Wild des Sinnes will aufgespürt und zur Strecke gebracht werden. Ich klettere auf meinen Hochsitz und lasse den Blick über die Wiese der wildgewachsenen Syntax schweifen. Lege behutsam das Fernglas zur Seite und greife zur sprachlichen Langwaffe, um der Semantik einen Blattschuss zu verpassen.

Und siehe da: Halali! Erfolg! Unter Beschuss torkelt der verlorene Satz in den Mittelpunkt, bäumt sich auf und landet mit unüberhörbarem Schnaufen in der Lücke, die ihn bis dahin ersetzen sollte. Zufrieden lehne ich mich zurück, frage mich, wer das waidwunde Gebilde ausweidet und ob ich es zu Markte tragen, in den Tiefkühlschrank des Backlogs bringen oder einfach so liegen lassen soll.

Montag, 2. Mai 2022

Guten Abend

Es wird Zeit, die Arbeit zu beenden und in den Feierabend überzugehen. Aber warum mache ich das nicht? Eine Notiz hier, eine Mail beantworten da, kurz noch mal etwas nachschlagen. Und dann ist wieder eine Stunde herum. „Du musst an Deiner Selbstdisziplin arbeiten“, raten mir die Kollegen. Das ist sicher ein guter Ansatz, ich wundere mich nur, warum ich früher genug davon hatte. Dann die Erleuchtung: Es ist gar nicht die abnehmende Selbstdisziplin, sondern die steigende Arbeitslast. Wer sich von innen heraus schwer tut ‚Nein‘ zu sagen, der wird immer mehr zum Opfer der systematischen Überlastung. Und wenn dann noch Glaubenssätze („Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“) dazukommen, gerät man in eine ernst zu nehmende Zwickmühle.

Übrigens helfen schon recht kleine Tricks, die Entscheidung zum Abschluss der Tagesarbeit nicht herauszuschieben. Ein regelmäßig zu besuchender Sportkurs ist da ebenso nützlich wie die Verabredung zu Hilfe oder Pflege eines Mitmenschen (der sonst auf mich wartet). Oder eine Zeitschaltuhr, die nach kurzer Vorwarnung meinen Computer herunterfährt. Oder ein Zug, der mich nach Hause bringt (an dieser Stelle ist Homeoffice kontraproduktiv).

Sicher gibt es noch mehr Ansätze, Einfälle, kleine Planungen, die bei der Selbstdisziplin unterstützen. Manchmal ist es eben nicht nur der „innere Schweinehund“, der überwunden werden muss, sondern die „innere Katze“, die gestreichelt werden will.

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