Es geht – um das vorneweg zu betonen – nicht um weibliche Reize, denen ich vielleicht erliege, auch nicht um das Behalten des Geldbeutels, der unter der Theke liegengeblieben ist. Selbst die Herausforderung, Süßigkeiten zu verschmähen, ist heute nicht mein Thema. Vielmehr möchte ich mich den gedanklichen Versuchungen des Alltags widmen.
Da nimmt mich ein Arbeitskollege beiseite, erzählt mir von den schlechten Erfahrungen, die er mit dieser oder jener Person gemacht hat. Oder seiner Einstellung zu einem gewissen Fachbereich. Das hört sich alles ganz plausibel an, ein paar Beispiele unterlegen seine Geschichte. Und dennoch heißt es jetzt, der Versuchung zu widerstehen, diese Ansicht zu übernehmen oder sie – schlimmer noch – unreflektiert weiterzutragen. Wahrheit aus zweiter Hand sozusagen.Diese Information verselbständigt sich im Laufe der zahlreichen Stationen der Weitergabe. Nach einigen Übergaben ist weder die ursprüngliche Sache noch die Herkunft sauber rekonstruierbar. Stattdessen gibt es nur noch eine (negative) Botschaft, von der niemand weiß, woher sie gekommen ist und jeder nur annimmt, dass sie stimmt.
Selbst bei viel kleineren und unwesentlicheren Punkten nehmen wir gerne mal die Meinung des Berichtenden an. Besonders, wenn wir ihn kennen oder auf den ersten Blick alles einleuchtend erscheint. Was aber nichts heißen muss, denn auch mein ansonsten vertrauenswürdiger Bekannter hat seine Informationen möglicherweise selbst aus dritter Hand (was er mir aber nicht ausdrücklich sagt).
Grundsätzlich ist bei allen Wertungen meiner Zulieferer also Vorsicht geboten. In der Praxis können wir nicht jedes Statement in Frage stellen, jede Aussage (heimlich) anzweifeln oder jedes Wort auf die Goldwaage legen.
Aber eine skeptische Grundhaltung und regelmäßige innere Prüfung, dass man nicht nur weitererzählt, was uns jemand anders ins Ohr geflüstert hat, das ist schon wünschenswert. Genau diese Versuchung des unreflektierten Nachplapperns meine ich, in die ich nicht geführt werden möchte.
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