Da bekomme ich E-Mails, mal ganz ehrlich – man kann sich ja kurz ausdrücken, gerne strukturiert und knapp formulieren. Aber einen Satz zu Ende bringen, möglichst passend zum Anfang der Sentenz, das sollte, na egal.
Munter beginne ich mit der Lektüre der Nachricht, immerhin hat hier jemand an mich gedacht – oder auch nicht, wie sich nach wenigen Worten herausstellt. Als Leser scheine ich ihm egal, bin ihm nicht die Mühe des Kontrolllesens vor dem Absenden wert gewesen. Verschwimmen die Buchstaben vor meinen Augen oder sind sie wirklich eher wirr in die Tastatur eingegeben worden, ich bin mir nicht sicher.
Ich setze zurück zur Anrede, manchmal hilft es, wenn man sich den Text laut vorliest. Errät aus den Lauten dann, was der Autor mitteilen wollte. Oder zu wollen meinte. Die Bandbreite geht von Schreibfehlern und Buchstabendrehern über Fehlgriffe bei Fremdwörtern bis hin zu misslungenen Sprachbildern. Gelegentlich fehlt auch mal ein Wort, ein anderes vielleicht doppelt. Was sich leider nicht ausgleicht.
Überhaupt braucht man ein gerütteltes Maß an Toleranz bei der Übersetzung ins Deutsche. In der Technik würde man von unscharfer Suche sprechen, Erraten des Wortumfeldes und was gemeint sein könnte. Was dann bei den Meistern der Verwirrung noch mit Logikbrüchen und weggelassenen Begründungen zur Zerstörung jeglicher Kausalität führt.
In diesem Moment erwacht der Jäger in mir. Das scheue Wild des Sinnes will aufgespürt und zur Strecke gebracht werden. Ich klettere auf meinen Hochsitz und lasse den Blick über die Wiese der wildgewachsenen Syntax schweifen. Lege behutsam das Fernglas zur Seite und greife zur sprachlichen Langwaffe, um der Semantik einen Blattschuss zu verpassen.
Und siehe da: Halali! Erfolg! Unter Beschuss torkelt der verlorene Satz in den Mittelpunkt, bäumt sich auf und landet mit unüberhörbarem Schnaufen in der Lücke, die ihn bis dahin ersetzen sollte. Zufrieden lehne ich mich zurück, frage mich, wer das waidwunde Gebilde ausweidet und ob ich es zu Markte tragen, in den Tiefkühlschrank des Backlogs bringen oder einfach so liegen lassen soll.
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