Montag, 9. Januar 2023

Früher war alles besser - oder auch nicht (Teil 2)

Von Zeit zu Zeit steigert man sich in nostalgische Rückblicke. Da erscheint die Jugend als goldene Ära, das Studium ein lockeres Studentenleben und die ersten Jahre im Beruf noch spannend.

Früher war alles besser oder auch nicht Teil 2
Produkte aus dem Ausland waren eine Seltenheit, vielleicht hatte ein Händler einen Lieferanten in Italien, zu dem er gelegentlich fuhr, um Einzelstücke im Kofferraum nach Deutschland zu importieren. Da hieß es den Kaufmann zu bestechen, mit ihm auf guten Fuß zu stehen, sonst bekam der Nachbar das begehrte Unikat. Einkaufen als Erlebnis, nicht diese einfallslosen Amazons dieser Welt, Mausklick und fertig ist die Bestellung in China oder Polen, in wenigen Tagen ins Haus geliefert.

Dagegen verblassen natürlich die erotischen Erlebnisse auf der durchgesessenen Rücksitzbank eines Ford Capri. Zweifellos war das ausgesprochen gemütlich und hatte den Charme einer Übernachtung auf dem Zeltplatz, wenn man mit Kopfschmerzen aufwacht und alle Frühaufsteher schon gute Laune verbreiten.

Übrigens hatte der Ford eine ganz eigene Straßenlage, je nach Wetterbedingungen musste man schon recht fahrtüchtig sein, um ihn zu bändigen. Diese lästigen Helferlein wie ABS und Co gab es nicht und mangels Airbag endeten nicht wenige Unfälle mit schwersten Verletzungen oder Tod. Diese natürliche Auslese fehlt uns heute, auch fahrtechnische Legastheniker können alt werden.

Romantische Erinnerungen verbinde ich auch mit Zügen. Zugegeben war der Schienenverkehr nicht ganz so aufregend wie heute, es gab weniger Züge und die waren weitgehend pünktlich. Für die Fahrt musste man zum Bahnhof an den Schalter (werktags geöffnet) und eine Fahrkarte lösen. War es weiter als in die Stadt musste der Beamte sein dickes Kursbuch herausholen und die Verbindung mit viel Aufwand ausknobeln. In vielen Fällen stellte er sogar eine gute Route zusammen, rechnete die Streckenkilometer zusammen und verkaufte dann ein Billet. Wir hätten das Angebot, die Fahrt jederzeit von zu Hause aus zu planen und zu bezahlen gar nicht gewollt.

Von kostenlosem Streaming, Audio in CD-Qualität und Konservierung auf klitzekleinen Speichersticks bin ich total überfordert. Das waren noch Zeiten, als man Musik recht teuer kaufen und die erworbene Vinylscheibe wie ein rohes Ei behandeln musste. Die Geheimwaffe war der Kassettenrekorder, eine ganze LP pro Seite mit Dolby-Rauschunterdrückung inklusive Bandsalat. Oder aus dem Radio mehr oder weniger verrauscht aufgenommen und immer unter Anspannung, ob der Moderator in die Musik hineinredet.

Im Fernsehen ging das so weiterging, neben dem Ersten und Zweiten gab es noch ein drittes Programm, ganz Glückliche mit großer Antenne auf dem Dach schauten noch ein paar weitere Sender. Alles je nach Wetter auch schon mal mit Schneeflocken im Bild auf dem kleinen Röhrenbildschirm. Kurz nach Mitternacht war Sendeschluss, entweder ging man ins Bett oder las ein Buch, aber die Glotze war tot.

Überweisungen förderten Kaligraphen. Jeder Buchstabe und jede Zahl hatte ihr eigenes Kästchen, und bitte so ausfüllen, dass der Bankangestellte (später der Automat) die Angaben auch lesen konnte. Und wer mehrere Überweisungen ausfüllen musste, der übte die Schönschrift auch gleich sorgfältig ein.

War das nicht alles wundervoll, ach, ich bekomme ganz glänzende Augen bei diesen Gedanken. Ein paar goldene Erinnerungen, schön war sie, die Zeit damals.

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