Sonntag, 15. Januar 2023

Früher war alles besser - oder auch nicht (Teil 3)

Von Zeit zu Zeit steigert man sich in nostalgische Rückblicke. Da erscheint die Jugend als goldene Ära, das Studium als lockeres Studentenleben und die ersten Jahre im Beruf als spannend.

Früher war alles besser oder auch nicht Teil 3
Es gab nicht so einen Schnickschnack wie Mindestlohn. Wer ordentlich arbeitete, konnte sich schon immer von der Pike aus hochdienen, Lehrjahre waren keine Herrenjahre. Und wenn es bei Unterbezahlung blieb, dann hatte man persönlich etwas falsch gemacht.

Dieses schnarrende Geräusch, wenn der Nadeldrucker sein Werk vollbrachte. Diese sorgfältige Planung der Druckarbeit, denn in Ruhezeiten war es natürlich tabu, das Gerät zu betreiben. Das strukturierte den Tag in die Erarbeitung der Texte und in die Phasen, in denen man sie zu Papier bringen konnte – nicht einfach so drauflos wie heute.

Postschalter mit Rollladen. Briefmarken kaufen, Pakete abholen – endlich aus dem Haus kommen. Und diese herrlichen Warteschlangen, in denen man mit wildfremden Menschen ins Gespräch kam. Und mit etwas Glück konnte man sein Paket auch noch vor dem Beginn der Mittagspause des muffligen Postbeamten abgeben.

Früher gab es noch ordentliche Schutzlacke, nicht diesen geruchsarmen Kram mit Umweltplakette und Verträglichkeitssiegel. Das bisschen Ausschlag ging doch immer schnell wieder weg und ich kenne niemand, der davon wirklich Schäden abbekommen hätte.

Fast hätte ich das Einkaufserlebnis im Herrenoberbekleidungsfachgeschäft vergessen. Da saß jede Hose und wenn nicht musste man eben hineinwachsen. Anpassungen an die eigene misslungene Körperform wurden höchst widerwillig vorgenommen, man tat gut daran, den Laden nur in Konfektionsgröße zu betreten. Das war Motivation für die Arbeit am eigenen Körper.

Vorarbeit am Körper war aber auch sehr empfehlenswert, wenn man in einem Hotel nächtigen wollte. Schließlich waren die Matratzen schon von vielen Vorgängerinnen und Vorgängern genutzt worden und hatten entsprechend eine eigene Form bekommen. Der Sprungfederrahmen ächzte unüberhörbar, vielleicht wurde man so auch Fan der Kopulationsgeräusche aus dem Nebenzimmer.

Vom Hotel aus ging es auf Wanderung, bei Regen gerne im Poncho aus einer wasserdichten Folie. Ohne alberne Klimamembranen hatte man die Wahl, ob man lieber von innen oder von außen nass werden wollte. Und konnte sich auf das lauwarme Wasser unter der Etagendusche freuen.

War das nicht alles wundervoll, ach, ich bekomme ganz glänzende Augen bei diesen Gedanken. Ein paar goldene Erinnerungen, schön war sie, die Zeit damals.


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