"Ich habe nächste Woche meinen Check-up beim Arzt, was wohl dabei herauskommen mag?" - "Hm", sage ich. - "Beim letztem Mal war ja nichts dabei, aber die Leberwerte wollte er im Auge behalten und die kleine Zyste könnte gewachsen sein." - "Ja", sage ich, "das sollte man alles beobachten, die Vorsorge ist sicher sinnvoll und ich bin gespannt, was dabei herauskommt."
Damit ist das Thema für mich erledigt. Aber mein Gesprächspartner lässt nicht locker: "Wenn der Blutdruck weiter angestiegen ist, dann sollten wir über eine Behandlung sprechen. Das war vor zwei Jahren schon mal ein Thema. Im Internet habe ich gelesen, dass man das nicht auf die leichte Schulter nehmen darf."
"Hmja" sage ich in Gedanken, bin schon längst bei anderen Themen angekommen und denke an die Lösung zu einem Problem, das ich zusammen mit meinen Kollegen lösen muss. Einige Informationen liegen uns schon vor und alles deutet auf die Ursache in einer falsch konfigurierten Firewall, aber solange wir die Einstellungen nicht auf dem Tisch haben, kommen wir nicht weiter.
Also anderes Thema. Ich gehe im Geist die E-Mails von gestern Nachmittag durch, da war doch noch eine Nachricht zu beantworten, nur welche war das noch?
Derweil hat mein Gegenüber seine Gedankenwelt zum anstehenden Arztbesuch weiter ausgebaut, berichtet mir von widersprüchlichen Informationen im Internet, seinen Recherchen bei ChatGPT, seinen Überlegungen, wenn sich die Leberwerte weiter verschlechtert haben und ein bösartiges Karzinom dahintersteckt. Ich werde über die Krebswahrscheinlichkeit informiert, mögliche Therapien, das Sterberisiko und so weiter. Und auch zur Schilddrüse und ihren möglichen Fehlfunktionen gibt es Vieles zu erfahren.
"Akut ist doch gar kein gesundheitliches Problem zu erkennen, ich würde erst mal die Untersuchung abwarten", versuche ich zu beschwichtigen. Das hilft nichts, die Angstspirale ist schon angelaufen, wild durcheinander werden alle möglichen Szenarien durchdacht, wie unwahrscheinlich sie im objektiven Sinne auch sein mögen. Rationales Denken ist blockiert, im Kopf ist ein Schachbrett entstanden, auf dem man versucht, die nächsten Züge des Gegners Körper zu antizipieren.
Im Kern angekommen: Unser Leben ist komplex, je deutlicher man das erkennt und akzeptiert, desto leichter tut man sich mit dem Alltag. Wie wir aus den entsprechenden Theorien kennen, gibt es nur für einfache oder komplizierte Probleme eine eindeutige oder zumindest empfehlenswerte Lösung.
Wenn es undeutlich wird, uns Informationen fehlen, Entwicklungen unabsehbar sind oder zu viele Einflussfaktoren eine Rolle spielen, dann können wir nur ausprobieren und schauen, was passiert. Und das ist einfach.
Arztbesuch in der Zukunft? Warum sollte ich allzu tief darüber nachdenken, was passier? Warum mich mit dem Firewall-Problem beschäftigen, solange ich noch keine Protokolldatei habe? Intensive Arbeit in die Montage meiner Karriereleiter stecken, wenn plötzlich ein Steigbügelhalter erscheinen kann oder ein Heckenschütze?
Nein, Szenarien sind eine feine Sache, aber sie müssen im einzelnen Fall sinnvoll (weil Betrachtung wahrscheinlicher Fälle) sein und dürfen nicht zu viele Schritte in die (von Natur aus) ungewisse Zukunft machen. Viel praktischer und für den Alltag brauchbarer ist die Betrachtung einer Situation, Beurteilung der Informationslage und des eigenen Handlungsspielraums. Wenn ich ohnehin keinen Einfluss auf die Entwicklung habe (Ergebnisse und eventuelle Weiterbehandlung beim Arzt), dann muss ich Geduld an den Tag legen und auf die eintretende Situation flexibel reagieren.
Natürlich ist es etwas anderes, wenn man einen "Plan B" braucht, aus Erfahrung eine Alternativlösung in petto haben muss. Ich denke an Zuganschlüsse oder Einkaufslisten für Essenszubereitungen. Da ist es sicher sinnvoll, für den Zugausfall vorbereitet zu sein beziehungsweise ein anderes Rezept herausgesucht zu haben (weil man eine wichtige Zutat nicht bekommt). Oder auch andere Situationen im Leben oder bei der Arbeit oder im Umgang mit Mitmenschen, für die man sich einen Schritt im Voraus überlegen kann. Aber nur einen.
Und so wird ein maximal komplexes System wie das eigene Leben auf einmal in seinen Auswirkungen erheblich vereinfacht. Statt der Grübeleien, statt des Schachspiels im Kopf ist Zeit für den Alltag, die Beschäftigung mit einem gewünschten Ziel und die Energie für unvermeidliche Anpassungen und geschicktes Parieren einer neuen Situation. Nur nicht starr an den vergangenen Entscheidungen festhalten, immer schön einen Schritt (und eine Entscheidung) nach der anderen.
Das ist einfach und macht es einfach.
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