Montag, 31. Juli 2023

Gast in meinem Leben

Ich liebe Urlaub, die Unterbrechung des Arbeitsalltags, die fremde Umgebung mit ihren ungewohnten Gerüchen und Gebräuchen sowie das exotische Essen. In einem hochwertigen Hotel werde ich freundlich empfangen, an der Rezeption wartet ein Begrüßungsgetränk auf mich, alles läuft reibungslos und die Angestellten behandeln mich sehr zuvorkommend. Die Gäste strahlen gute Laune aus, das ganze Leben scheint easy. Und insbesondere bekomme ich das Gefühl vermittelt, dass ich willkommen bin. Gastfreundschaft eben.

Neben den Erlebnissen, dem Kennenlernen des für mich Fremden ist es aber selbstverständlich, dass ich mich der Kultur anpasse. Ich bin nun mal nicht zu Hause und muss mir bewusst sein, dass ich mich als Gast benehmen und entsprechend Rücksicht nehmen muss.

Gast in meinem Leben
Neulich habe ich bei einem Kongress einen Kollegen kennengelernt, der mir auf Anhieb sympathisch war. Unsere Sicht über die besuchten Vorträge war sehr ähnlich, die präsentierten Inhalte führten zu ähnlichen Gedanken und unsere Einschätzung der Referenten war deckungsgleich. Kurz, wir hatten einen sehr kurzweiligen und interessanten Austausch, der mit der Verabredung zu einem gemeinsamen Mittagessen endete.

Die Bekanntschaft entwickelte sich weiter zu einer Freundschaft, die wir auch im privaten Rahmen und gelegentlich auch mit den Partnerinnen fortsetzten. Wie schön, denn ich hatte einen Freund hinzugewonnen, einen Menschen, der ein Stück Leben mit mir teilt. Wie ist das eigentlich grundsätzlich, überlegte ich, mit den Personen um mich herum. Sie waren irgendwann da, manche kamen durch die gemeinsame Arbeit in mein Leben, anderen durch Nachbarschaft, wieder andere teilten irgendein Hobby mit mir. Doch egal, welche Umstände zum Kontakt führten und egal, zu welchem Zeitpunkt das erste Treffen stattfand, jedenfalls stimmte in diesem Moment die Chemie.

Andererseits habe ich im Laufe der Jahre auch viele Freunde verloren. War es ein Umzug, der Wechsel des Arbeitgebers, eine eifersüchtige Partnerin oder schlicht ein Auseinanderleben: Mal schlief der Austausch still ein, mal mehrten sich die Zeichen, dass man sich auseinander gelebt hatte. Wie schön, wenn man dann nicht zwanghaft an der Beziehung festhalten muss, sondern ihr einen liebevollen Platz in der Erinnerung einräumen kann.

Mitmenschen kommen – zum Teil recht unvermittelt – und Mitmenschen gehen. Aber in der Zeit dazwischen sind sie Gast in meinem Leben. Ich lasse sie daran teilhaben, heiße sie willkommen und versuche mit ihnen easy drauf zu sein. Wie in einem richtig guten Urlaub, in einem richtig guten Hotel ist auch das eine Frage der Gastfreundschaft. Auf der einen Seite also der Anspruch, mit seinen Freunden nett und freundlich umzugehen. Andererseits aber auch die Erwartung, dass sich die Mitmenschen nicht nur als durchaus willkommene Gäste in meinem Leben verstehen, sondern sich auch angemessen rücksichtsvoll verhalten.

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