Es ist gar nicht so einfach, dem Gehirn mal eine Ruhepause zu verordnen. Anders als manchmal behauptet wird, ist es nur eingeschränkt fähig zum Multitasking, im Sinne von Nachdenklichkeit jedenfalls überhaupt nicht. Andererseits möchte es sich aber auch stets und in der jeweils adäquaten Geschwindigkeit mit einem Thema befassen.
Nehmen wir mal einen Vortrag. Ich sitze irgendwo zwischen den Zuhörern, der Redner führt etwas langatmig durch seine Präsentation. Mein Denkapparat ist unterfordert, von Zeit zu Zeit mal einen Schnipsel aufzufangen reicht völlig. Die Folge: Meine Gedanken schweifen ab, ich schaue aus dem Fenster und sehe den Eichhörnchen zu.
Das passiert aber auch, wenn es zu schnell geht und ich nicht folgen kann. Eine Weile versuche ich noch hinterherzukommen, dann gebe ich (eventuell unbewusst) auf und in die entstehende Lücke drängt sich irgendein anderes Thema. Das kann dann auch wieder inspiriert werden durch einen Blick aus dem Fenster und Eichhörnchen.
Bei anderer Gelegenheit sitze ich nicht in einem Vortrag, sondern an meinem Schreibtisch, arbeite bestimmte Vorgänge ab und muss dabei aufpassen, die richtigen Daten in das zugeordnete System zu übertragen. Mein Gehirn ist beschäftigt, keine Möglichkeit abzuschweifen. Kaum ist diese Aufgabe erledigt oder klingelt auch nur das Telefon: Zack, wieder eine potentielle Lücke, die mein Gehirn sofort erkennt und nur darauf lauert, sich mit neuen Inhalten zu beschäftigen.
Besonders ausgeprägt ist das Phänomen bei Entspannung. Wenn die Arbeit getan ist, die Heimfahrt mit Zugfahrtänderungen oder die Autofahrt durch den Stadtverkehr erledigt ist, dann sind wieder Denk-Ressourcen frei. Ich sitze da, mein Puls kommt zur Ruhe und das Hin-und-her der Anstöße hat ein Ende. Zum ersten Mal am Tag kann ich für mich entscheiden, über was ich nachdenken möchte. Nichts und niemand jagt mich, es gibt höchstens zeitliche Vorgaben, weil irgendwann Zeit für das Abendessen ist.
Und diese Chance, die darf ich nicht ungenutzt verpassen. Ja, wenn ich jetzt noch die Hände an den Kopf lege, dann kann ich meine Gedanken geradezu fühlen. Das Pochen der Schläfen, die warmen Wangen sind erfahrbarer Ausdruck der inneren Aktivität. Ich grüble darüber, welches Thema mich heute besonders bewegt, was es wert ist, diese kostbare Lebenszeit zu besetzen.
Narzissten weiden sich an der eigenen äußeren Erscheinung, und genauso kann man sich an den inneren Vorgängen, der eigenen Gedankenwelt erfreuen. Und erkennen, dass man diese beeinflussen kann, einerseits im Sinne von „die Gedanken sind frei“, andererseits aber auch im Sinne der Notwendigkeit eines Gedankenmanagements. Solange ich nur so vor mich hindenke, kann ich nicht erwarten, dass etwas Zielgerichtetes herauskommt. Das ist es beim Denken nicht anders als bei der täglichen Arbeit oder der persönlichen Entwicklung.
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