Gut gelaunt laufe ich am Empfang vorbei, direkt auf den Aufzug zu, Knopf gedrückt: Der Arbeitstag kann kommen, ich bin voller Tatendrang und habe eine lange Liste mit Arbeit im Kopf. Aufwärts, der Zieletage entgegen und es stört mich kaum, dass der Lift zwischendurch immer wieder anhält, Kollegen aufnimmt und in anderen Stockwerken wieder entlässt.
Mit wenigen langen Schritten bin ich in der Home Base meiner New Work, betrete also das Großraumbüro, in dem mein Locker untergebracht ist. Schließfach auf, Headset herausgenommen und zusammen mit dem Laptop aus meiner Aktentasche halte ich auf den nächsten freien Arbeitsplatz zu. Hier gilt Free Seating, man sucht sich einfach einen Schreibtisch und steckt seinen tragbaren Computer an.
Mir gegenüber sitzt ein junger Kollege, wir kennen uns noch nicht, ich stelle mich kurz vor und erfahre, dass Stefan vierundvierzig Jahre alt ist, zwei Kinder hat und hier im Controlling arbeitet. Mein Computer ist inzwischen hochgefahren, aber der Bildschirm will sich nicht mit ihm verbinden. Ja, erfahre ich von Stefan, das Problem hatte ein anderer Kollege gestern auch, da ist wohl was kaputt.
Wir wechseln noch ein paar Worte, wünschen uns einen schönen Tag und ich ziehe weiter zu einem Schreibtisch weiter hinten, der noch nicht belegt ist. Diesmal ist Stefanie meine Schreibtischnachbarin, arbeitet im Kreditbereich, wie ich von ihr höre, nur heute mal hier im Office, normalerweise arbeitet sie wegen der kranken Mutter von zu Hause aus. Sie macht einen netten Eindruck, ich erzähle ihr, dass ich mir vor dem Einstieg in die Arbeit schnell noch einen Kaffee holen will und ob ich ihr einen mitbringen soll.
Mit den zwei Kaffee komme ich von der Maschine zurück, stelle danach aber voller Enttäuschung fest, dass zwar der Bildschirm funktioniert, aber keine Datenverbindung aufgebaut wird. Auch nach dem Neustarten diverser Programme kann ich noch keine Mails abrufen, Stefanie ist zwar nett, kann mir aber nicht weiterhelfen, auch wenn sie mir allerlei gute Ratschläge gibt.
Ich packe wieder Headset und Laptop, wir nicken uns noch mal freundlich zu und dann stehe ich auch schon auf dem Flur. Ein Blick auf die Uhr, langsam wird es Zeit, dass ich an die Arbeit komme, die erste Sitzung ist in zwanzig Minuten. Also den Gang hinunter, in eine andere Parzelle. Ein recht kleines Büro, aber ein einziger freier Platz reicht ja für mich. Und tatsächlich, drüben am Fenster ist ein Schreibtisch unbelegt, ich hätte ihn fast übersehen, weil mein potentielles Gegenüber seinen Clean Desk auf Stehhöhe ausgefahren hat.
Hans-Peter erklärt mir ungefragt, dass er im Vertrieb für unsere Kundenprodukte arbeitet und was zuerst wie ein Ohrwärmer aussah entpuppt sich als sein Kopfhörer, der sich in seinem vollen Haar verborgen hatte. Gerade als er ansetzt, mir seine Produktwelt zu erklären, geht er ohne Luft zu holen in ein Telefongespräch über, meldet sich mit Namen und ich werde für ihn unsichtbar. Wenn er den Rest des Tages so lebhaft weitertelefoniert, kann ich keinen klaren Gedanken fassen, lieber mal woanders hinsetzen.
Fünfzehn Minuten noch, jetzt aber schnell und endlich scheine ich Glück zu haben. Im nächsten Raum sehe ich diese Hübsche aus der Kantine und ihr gegenüber ist sogar noch ein Platz frei. Guter Dinge nehme ich Anlauf und will gerade das Verbindungskabel in den Cube stecken, als sie mir ohne mich anzuschauen zuraunt, der Schreibtisch sei schon besetzt. Irgendein Martin hat dort seinen persönlichen Stammplatz eingerichtet und wird innerhalb der nächsten Minuten auftauchen.
Irgendwas zwischen enttäuscht und verärgert schaue ich mich um und sehe eine ältere Kollegin, die mich freundlich zu sich heran winkt. Sie sieht aus wie der Mit-mir-kannst-du-Pferde-stehlen-Typ. Und tatsächlich errät sie treffsicher, in welcher Lage ich mich befinde. Ohne meine Erklärung abzuwarten versichert sie mir, dass der Tisch hier in Ordnung sei, alle Komponenten funktionierten und sie mir bei Bedarf auch weiterhelfen könne.
Was für eine Freude, fast hatte ich die Hoffnung aufgegeben und sie hatte nicht zu viel versprochen, Netzwerkverbindung, Monitor, Headset, alles tut seinen Dienst. Naja, genaugenommen musste meine Kollegin noch ein wenig bei der Verkabelung nachbessern, aber für sie sei das kein Problem. Schließlich arbeite sie im IT-Bereich, wie sie mir schmunzelnd erläutert.
Und so endet das Speed-Dating mit einer Verabredung zum gemeinsamen Mittagessen und mit dem Beginn eines wunderschönen Arbeitstages. Und wenn er noch nicht zu Ende ist, dann arbeite ich noch immer gegenüber von Beate.
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