Ich bin ein wenig früh dran, wir haben uns erst in einer halben Stunde hier im Cafe verabredet. Ich sitze am kleinen Tischchen, habe mir einen Kaffee bestellt und schaue aus dem Fenster. Regenwetter heute, mit den Augen verfolge ich einen Regentropfen, der sich langsam seinen Weg an der Scheibe nach unten bahnt. Mal hält er auf seinem Weg an, nimmt einen zweiten Tropfen auf, dann wieder beschleunigt er seinen Weg und verliert bei der Gelegenheit wieder ein bisschen Volumen.
Zu hören, wie der Regen draußen herunterkommt und dabei im Trockenen zu sitzen lässt mich zur Ruhe kommen. Das ist ein schöner Begriff, geht er doch darauf ein, dass ich mich verändere. Nicht die Ruhe ist zu mir gekommen, sondern ich zu ihr. Und jetzt breitet sie sich in mir aus.
Meine Verabredung kommt herein, legt ihre Hand freundschaftlich auf meine Schulter und begrüßt mich mit den Worten „Du bist ja schon da. Wartest Du schon lange?“ Ich weiß es nicht, zwar erinnere ich mich an die Uhrzeit meiner Ankunft, aber weder kann ich einschätzen, wie spät es jetzt ist, noch wie lange ich aus dem Fenster geschaut habe. Die Ruhe hat die Zeit mitgenommen. Und da ist sie jetzt noch.
„Nein, nein, ich habe zufällig einen Parkplatz ganz in der Nähe bekommen und bin schon mal reingegangen“ sage ich und helfe der Dame aus dem Mantel. Lebhaft erzählt sie mir von ihrem Tag, den Erlebnissen und zahlreichen Situationen, die ihr heute untergekommen sind. Ich höre zu, folge ihr in Gedanken durch die Szenen und frage mich, ob auch sie zur Ruhe kommen kann. Oder das überhaupt will.
Oft wird Ruhe mit Stille verwechselt, dabei darf man diese beiden Zustände nicht durcheinanderbringen. Eine Unterhaltung kann mit Ruhe geführt werden, dabei aber auch Zeit lassen für Nachdenklichkeit, Pausen und Raum für ergänzende Betrachtungen. Das ist kein Anschweigen, sondern Zulassen von Phasen der Vertiefung, der Entstehung innerer Bilder oder der Suche nach logischen Brücken oder Brüchen.
Und selbst Stille kann in jedem Mensch anders aussehen. Auch nur wenige Sekunden an wirklich gar nichts zu denken ist ausgesprochen schwierig. Sobald man keine Gedanken vorgibt wird vom Gehirn sofort ein neues Thema vorgeschlagen. Wirkliche innere Stille ist nahezu utopisch. Also begnügen wir uns erst mal mit der Ruhe. Und die können wir wirklich einkehren lassen. (Dieses Sprachbild der Einkehr nimmt den Aspekt der Gastfreundschaft mit auf.)
Es war eine schöne Verabredung, freundschaftlich drücken wir uns zum Abschied; Ich glaube, es ist uns gelungen, den Stress ein wenig hinter uns zu lassen. Die eine hat den Alltag sozusagen herausgelassen, darüber gesprochen, so dass sich vielleicht ein innerer Stau auflöst. Und der andere hat seinen Gedankenstrom abgebremst und damit die geistigen Strudel und Stromschnellen verringert.
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