Mal schnell, mal langsam, mal bergauf, mal bergab. Dazu links oder rechts. Der Lebensweg ist selten eben, führt auch nur vorübergehend geradeaus und wird von uns in häufig wechselnder Geschwindigkeit abgelaufen.
Unschön, wenn auch leider nicht vermeidbar, sind dabei die Phasen, in denen es nicht so gut läuft, in denen man eine Situation eher erträgt als freiwillig durchlebt. Dieses Ertragen oder auch erdulden geht eine Weile, aber dann geht es irgendwann nicht mehr. Die Geduld ist zu Ende, der Gedulds-Faden reißt. Eine Schwelle ist überschritten, das Fass läuft über. Mehr oder weniger unvermittelt bricht etwas hervor, angestaute Energie bahnt sich ihren Weg.
Ich schaue mich um. Stehen da in meinem Keller irgendwelche Fässer, in denen sich schon Verärgerung, Wut oder Unmut anzusammeln beginnen? Ist eines davon vielleicht sogar schon deutlich gefüllt oder gar randvoll? Dann ist schnelles Handeln gefragt. Erst mal auf das Etikett schauen, wer oder was ist denn der Initiator dieses Fasses, was ist drin, wann muss ich mit weiterer Befüllung rechnen? Gibt es unten am Fass ein Hähnchen, damit ich den Inhalt ablassen kann?
Nach erster Durchsicht des Regiments an kleinen und großen Fässern entschließe ich mich, erst mal Inventur zu machen. Und siehe da, einige Behälter stehen seit Jahren herum, lauern darauf, wieder ein paar Tropfen abzubekommen. Da verdunstet nichts, kein Ablauf, ein Flüssigkeitsstand, der nur größer werden kann. Ich stemme mich dagegen, mit der Zeit sind diese Fässer geradezu festgewachsen. Endlich gelingt es mir, sie in die dunkle Ecke des Vergessens zu bugsieren, da können sie bleiben, bis sie verrottet sind.
Jetzt ist schon ein wenig Platz geschaffen, das Rangieren in meinem Leben wird ein klein wenig leichter. Als nächstes ein Blick auf die beunruhigend hoch gefüllten Fässer, die möglicherweise demnächst überlaufen könnten. Ganz behutsam laufe ich zwischen ihnen herum, werfe einen Blick auf die Beschriftung. Gott sei Dank, es sind ein paar Behälter mit Ablaufhahn dabei, ich schaue voller Begeisterung zu, wie der Inhalt nach dem Aufdrehen langsam abnimmt. Ich komme nachher noch mal vorbei und prüfe, ob ich sie nicht ganz entsorgen kann.
Diese Fässer gehören zu Ärgernissen, die eigentlich gar keine sind. Ein anderer Blickwinkel, eine humoristische Note oder eine geschickte Änderung der Organisation machen aus dem aufreibenden Erdulden ein nüchternes Zur-Kenntnis-nehmen, im Idealfall sogar ein heimliches Schmunzeln.
Dann gibt es Dinge, die mir im Laufe der Zeit immer mehr auf die Nerven gehen. Am Anfang, vielleicht bei Antritt einer neuen Stelle oder beim Kennenlernen einer Person, merkt man es gar nicht. Aber dieser sinnfreie Prozess auf der Arbeit oder diese lästige Angewohnheit meines Kollegen, die ertrage ich auf Dauer nicht. Dafür habe ich ja meine Fässer, in die jeden Arbeitstag und bei jeder Zusammenkunft wieder ein kleines Portiönchen eingefüllt wird. Warum eigentlich, frage ich mich, greife die Fässer oben am Rand, und siehe da: Sie lassen sich recht leicht kippen. Ich ziehe, drücke, schaukle die Behältnisse, endlich kippen sie um und entleeren ihren Inhalt auf den Boden, wo er im Abfluss verschwindet. Eine neue Strategie bei den zu erledigenden Arbeiten hat die weitere Befüllung gestoppt, eine geänderte Arbeitsteilung die Reiberei mit meinem Kollegen beendet.
Und so wird es tatsächlich sukzessive leerer in meinem Keller. Der Hauptraum ist weitgehend frei, in der Vergessensecke stehen noch ein paar Fässer, vermutlich sind da nur noch Reste drin, das will ich gar nicht so genau wissen. Sorgfältig abwägend entsorge ich möglichst viele Altlasten, versuche alle Impulse für nachtragendes Verhalten abzuwehren. Dabei ist Vorsicht geboten, denn andererseits dürfen der Aufbau von Erfahrung und das Lernen aus Erlebnissen nicht beschädigt werden.
Ein letzter Blick zurück, während ich wieder die Treppe ins Erdgeschoß hinaufsteige. Wie leicht mir das jetzt fällt, allein beim Gedanken an die erfolgreiche Entsorgung behindernder Aufzählungen, Rabattmarken und Goldenen Bücher wird mir ganz warm ums Herz. Doch, ich habe ein wenig Energie mobilisieren können, die ich jetzt für andere, bessere Aktionen verwenden kann. Und die paar verbleibenden Fässer werde ich bei der nächsten Begehung meines Kellers noch mal kritisch unter die Lupe nehmen.
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