Mehr zufällig stehe ich auf einer Party mit einem mir bislang unbekannten Zeitgenossen zusammen. Wir hatten uns an der Theke getroffen, wo er einen komplizierten Cocktail anfertigen lassen wollte, was den Hobby-Barkeeper deutlich überforderte. Ausführlich und in großer Selbstverständlichkeit hatte mein neuer Bekannter das Rezept repetiert, dem Barmann allerlei wichtige Tipps und Tricks verraten und ihm unmissverständlich seine Qualitäten als Cocktailmixer demonstriert.
Jetzt ist er mir an einen der Stehtische gefolgt, fragt mich nach meinem Beruf und berichtet dann ausführlich von seiner eigenen erfolgreichen Karriere. Zweifellos beeindruckend, dass er in direktem Austausch mit diversen Vorständen steht, branchenübergreifend ist er ein gefragter Mann, der sich kaum vor Anfragen retten kann. Als Ausgleich fliegt er zu seiner Segelyacht in Südfrankreich, wohin er sich mehrmals im Jahr mit seiner Frau mal zur Entspannung mal für Partys zurückzieht.
Sicher, lässt er mich wissen, sicher fällt ihm das nicht immer leicht, denn sein Haus hier ist im Grunde eine Traumvilla, da will man ja gar nicht weg. Schon gar nicht wegen des Parks, der sein Haus umgibt. Und seine Frau, ein ehemaliges Modell, die hat er ja hier wie dort, also im Grunde gar kein Bedarf, ins Ausland zu fliegen. Dann setzt er noch nach und raunt mir zu, dass seine Partnerin eine Granate im Bett ist, aber beim Segeln kommt dann noch das Schaukeln des Bootes dazu und wenn sie dann noch den Champagner öffnen – sen-sat-ionell.
Aufmerksam höre ich ihm zu, folge der Aufzählung seiner außerordentlichen Fähigkeiten, seinem erlesenen Bekanntenkreis und den anregenden Andeutungen seines Liebeslebens. Ein wenig komme ich mir vor wie ein Baum, an dem ein Hund seine Markierung hinterlässt. Vorsichtig schaue ich an mir herunter, betrachte mein Hosenbein und stelle fest, dass es noch trocken ist.
Inzwischen ist meine Zufallsbekanntschaft bei Kunst angekommen, ich höre eine Aufzählung bekannter Künstler, deren Werke seine Wohnlandschaft zieren. Aber trotz der üppigen Räume und der Vielzahl der Wände ist er gezwungen, einen Teil seiner Errungenschaften im Fundus zu lagern. Ein Jammer, dass man nicht mehr daraus machen kann. Vielleicht wäre es eine Idee, eine Bilderausstellung mit der Präsentation aller Handtaschen seiner Frau zu kombinieren. Was ich davon hielte will er wissen, während er mir lachend und mit jovialer Geste auf die Schulter schlägt.
Ich gratuliere ihm zu seiner Brillanz, zweifellos würden seine Freunde vor Begeisterung platzen. Es wäre bestimmt ein großartiger Ansatz, den er unbedingt mit seinem Lieblingsgaleristen besprechen sollte. Und den Steuerberater, den sollte er auch noch mit einbinden, man könne ja nie wissen. Apropos Steuerberater müsste ich ihn mal kurz alleine lassen, er würde aber bestimmt noch weitere Bekannte treffen, mit denen er seine Überlegungen teilen könnte.
Flugs verlasse ich den Stehtisch, im letzten Moment greife ich mir noch meinen Drink und laufe mit zügigem Schritt quer durch den Raum zu einem Freund, den ich gerade entdeckt habe. „Und“, will dieser augenzwinkernd von mir wissen, „hat er dir auch von seinem Segelboot und seiner Frau erzählt, der Bett-Granate?“ – Etwas überrascht schaue ich ihn an und muss grinsen. Das sieht mein Freund, deutet es richtigerweise als Zustimmung und fährt fort: „Ich komme mir immer vor wie ein Baum, an dem ein Hund…“ „… sein Revier markiert“, ergänze ich. „Ich bin ja schon froh, dass er nicht noch seine Hose heruntergelassen hat, um mir die Größe seines Geschlechtsteils zu zeigen.“
Wir schütteln uns vor Lachen, prosten uns zu und versichern uns, dass unsere Hosenbeine nach wie vor trocken sind.
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