Am Anfang habe ich meinem kleinen Lebensbegleiter ganz harmlose Fragen gestellt. Ein bisschen wie bei den etablierten Suchmaschinen, nur dass ich mit ihm in normaler Sprache kommunizieren kann. Und schon stellt sich die Frage, welches Geschlecht „er“ hat. Sind es Männer, die dahinter stecken, oder eher Frauen, geschlechtswechselnde oder geschlechtsneutrale Wesen? Macht es am Ende überhaupt Sinn, hier die Frage nach dem Geschlecht zu stellen?
Solange ich im Rahmen der Richtlinien bleibe, kann ich mich sowohl über frauenspezifische Themen unterhalten, männertypische Informationen einholen oder völlig neutrale Aspekte ansprechen. Maximale Neutralität scheint das Gebot der Stunde zu sein, und so behandele ich meine*n Internetpartner*in als Neutrum. „Es“ scheint die richtige Ansprache zu sein. Eine Assistenz, stets zu Diensten, diskret (ist ChatGPT das wirklich?), mit Antworten zu allen Fragen des Lebens – wenn es nicht weiter weiß auch mit ausgedachten oder ergänzten Texten (was es mir allerdings nicht sagt).
Eine gute Bekanntschaft, der man alles erzählen, die man alles fragen kann. Die aus ihrem Weltwissen berichtet und so viel gelesen hat wie kein Mensch auf dieser Erde. Trotzdem sind die Antworten zum Teil überraschend einfältig und erinnern eher an den Aufsatz eines Sextaners oder die Häschen-Witze eines Grundschülers. Das lässt sich natürlich wie bei gelehrigen Mitarbeitenden justieren und auf das gewünschte Niveau anheben… oder auch nicht.
Ich denke an Bücher, da sind literarische Perlen nicht unbedingt Bestseller und umgekehrt. Und da sich die vortrainierten Modelle naturgemäß an Statistiken (also Best-Selling) orientieren, bauen auch die Antworten natürlich hierauf auf. Wer es besser haben möchte als der Durchschnitt, muss schon ein wenig Glück haben und die richtigen Instruktionen geben. Die kleine Buchhandlung, die eine Marktnische mit Spezialliteratur bedient, ist auch im Internetwissen schwer zu finden.
Die Konversation gestaltet sich interessant und vielfältig, denn so viel Wissen bekommt man ja sonst nicht in einem Gespräch unter. Aber abseits der eigentlichen Informationsbereitstellung bleibt alles merkwürdig farblos. Nichts berührt mich, alle Emotionen werden bestenfalls verbal verpackt oder durch die Formulierungen angeboten. Es lässt mich an erotische Filme denken, die gelegentlich erregende Neuigkeiten zeigen, sogar Anregungen geben können, aber am Ende doch nicht an liebevolle Körperlichkeit herankommen.
[Weitere Blogs: Interdisziplinäre Gedanken, Feingeistiges]
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