Montag, 12. August 2024

Gewinner und Verlierer

Gewinner und Verlierer

Sicher, wenn man etwas zählen kann, dann ist es kein Problem, ein Ziel zu definieren und einen Gewinner zu küren. Wer eine Sekunde kürzer für eine gewisse Strecke benötigt, der ist schneller, damit besser und am Ende des Wettkampfes der Sieger. Ein klein wenig unklarer ist das bei Spielen, beispielsweise Tennis. Auch hier wird gemäß der Regeln ein "besser" definiert, wer den Ball zu oft ins Aus schlägt verliert das Match. Aber ein wenig Glück ist schon dabei, sind die Schuhe griffig genug, der Schläger für den Gegner richtig gewählt oder Windrichtung und Sonnenstrahlung dem eigenen Spiel zuträglich.

Und dann gibt es Situationen, in denen es keinen Gewinner gibt. Oder zumindest muss man darüber nachdenken, wie man in diesem Fall Gewinnen definiert. Einen Geschäftspartner zu einem höheren Preis zu zwingen ist zwar im ersten Geschäft erfolgreich, das könnte man als Gewinnen bezeichnen. Aber was diese Person im Nachgang anderen potentiellen Kunden erzählt schmälert die erste Freude über das erfolgreich abgeschlossene Geschäft. Wenn sich unlautere Machenschaften herumsprechen kann der Schuss sogar nach hinten losgehen.

Oder nehmen wir das "schwache Geschlecht". Im Durchschnitt haben Frauen weniger körperliche Kraft als Männer, aber es ist zu kurz gesprungen, sie deshalb als Verlierer einzustufen. Durch Geschick, Netzwerk, gelegentlich auch Einsatz der körperlichen Reize lässt sich mancher Nachteil ausgleichen. Ähnlich die schulischen Qualitäten, bei denen Noten sich nicht alleine am Intellekt oder der Beschäftigung mit dem Stoff orientieren, sondern auch von ein wenig Glück in der Prüfung oder geschicktem Mogeln abhängen.

Die wenigsten Menschen sind als notorische Gewinner oder Verlierer geboren. Es lohnt sich, einen Blick auf die eigenen Leistungen und Möglichkeiten zu werfen. Ich sehe blendend aus? Dann ist das eine Eigenschaft, die nicht nur beim Flirt, sondern auch bei Vorstellungsgesprächen nützlich ist. Ich kann überdurchschnittlich schnell schwimmen? Dann ist sportlicher Wettkampf, vielleicht sogar eine Karriere in dieser Richtung denkbar. Und Sympathie, Schlagfertigkeit, Kraft, Scharfsinnigkeit, Geschmack, Gespür für Entwicklungen etc. scheinen einem zwar selbstverständlich (man hat sie ja zum Teil seit der Geburt), sind aber die entscheidenden Faktoren für ein gelungenes Leben.

Praktisch alle Menschen neigen dazu, ihre Nebenqualitäten völlig zu übersehen. Dabei kommt es nahezu immer auf genau diese Eigenschaften an. Bei zwei ansonsten ähnlich geeigneten Bewerbern erhält der den Zuschlag, der ein besseres Timing hat, im richtigen Moment Empathie zeigt oder die attraktivere Kleidung trägt. Oder wer in vielen Vereinen engagiert ist und deshalb den Sohn des Geschäftsführers kennt. Oder sich in gewohnt guter Vorbereitung an die Gepflogenheiten seiner Gastgeber anpasst. Und so weiter.

Das ist kein Zufall, das ist steuerbar. Auch die eigenen Vorzüge muss man erkennen und im richtigen Moment einsetzen. Natürlich auch die eigenen Defizite bestmöglich verdecken, aber damit beschäftigen sich nach meiner Erfahrung wesentlich mehr Menschen als mit dem taktisch geschickten Einsatz ihrer Stärken. Es ist wenig sinnvoll, auf einem Feld in den Wettkampf zu ziehen, in dem man bewusst schlechter ist. Da kann man ja nur verlieren.

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