Montag, 19. August 2024

Ich lauere meinen Handwerkern auf

Ich stehe auf starke Männer. So Typen mit Oberarmen wie Popeye, Stiernacken, breiter Brust und Waden wie Fußballprofis. Ein kleiner Bierbauch ist ok, aber insgesamt eher durchtrainiert. Das sind die Männer, die was wegschaffen, die einen Sack Zement mal eben so mitnehmen, wenn sie ohnehin die Treppe hochlaufen. Oder von mir aus auch unter jedem Arm einen Werkzeugkoffer nach oben transportieren.

Meine Begeisterung für diese Geschöpfe liegt übrigens weniger an einer Sehnsucht nach einem so aussehenden Partner, als vielmehr an meiner ziemlich verzweifelten Suche nach Handwerkern für Arbeiten in Haus und Garten. Geht man den regulären Weg, sind diese Menschen für die nächsten Monate ausgebucht, haben Urlaub, sind krank oder rufen so abgehobene Preise auf, dass man nicht ins Geschäft kommt.

Ich lauere meinen Hanwerkern auf
Zentrale Frage ist nun, wo ich solche Personen finde. Und da kommt mir der Baumarkt in den Sinn. Nicht so sehr im Baumarkt selbst, viel besser ist der Imbissstand davor. Hier, wo sie einen Moment stehen müssen, in der Schlange auf ihre Currywurst warten, am Stehtisch die Pommes konsumieren oder schlichtweg nur einen Kaffee trinken. Egal wie aktiv sie sind und egal, welches Material sie gerade gekauft haben oder gleich kaufen wollen: Sie müssen einen Augenblick innehalten.

Und das ist die Gelegenheit. Langsam löse ich mich von dem Stehtisch, an den ich mich mit meiner Cola postiert habe, nähere mich, um die Gespräche zu belauschen und an Hand der Kleidung und eventuell vorhandenem Werkzeug auf die Fachrichtung zu schließen. Da gerade habe ich einen Installateur ausgemacht, mit seiner kleinen Rohrzange im Engelbert Strauss ist er unverkennbar für die Montage meines Boilers geeignet.

Mehr zufällig schiebe ich mich an ihm vorbei, schaue ihm ganz verdattert ins Gesicht und entschuldige mich, dass ich mich beinahe vorgedrängelt hätte. Was ja gar nicht in meinem Sinne wäre, ja, wenn wir alle bei der Arbeit… apropos Arbeit ob er vielleicht, muss ja nicht über die Firma sein, eine Kleinigkeit für ihn, aber eine riesige Hilfe für mich.

Er zögert, wittert eine Falle und überhaupt hat er keine Zeit, ich könne ja mal seinen Chef anrufen, Telefonnummer steht auf dem Lieferwagen da hinten. Ach was, sage ich, der Chef interessiert mich nicht, und ob er immer das tut, was der Chef so sagt? Meine Frau ist so eine ganz Nette und macht richtig guten Kaffee, naja, wenn er mit dem Kaffee hier am Imbiss zufrieden ist, ist er vielleicht doch nicht mein Mann.

Damit habe ich ihn, zufällig habe ich einen Zettel in der Tasche und finde auch einen Bleistift, um mit ihm die Adressen auszutauschen. Jetzt nur nicht zu professionell, keine Visitenkarten, das muss alles ein wenig improvisiert wirken. Also, diese Woche sicher nicht mehr, aber Anfang kommender Woche kann ich abends mal anrufen, jetzt muss er aber dringend weiter und schönen Tag noch.

Na also, jetzt brauche ich noch einen Elektriker, um den Boiler auch anzuschließen. Elektriker sind etwas schwieriger zu bekommen, ziemlich scheu und eher selten zwischendurch am Büdchen. Also mache ich mich auf den Weg in den Baumarkt, lungere zwischen Kabelrollen, Leerrohren und Sicherungsautomaten herum. Es dauert eine Weile, endlich ein interessanter Kandidat, mindestens einen Kopf größer als ich und mit dicker Brille, aber ansonsten passt er in mein Beuteschema.

Etwas zu lang steht er vor den Kabelschellen, sucht im Regal nach einer Großpackung und beweist damit, dass er kein Heimwerker ist. Zack, stoße ich rückwärts gegen ihn, und: „viel zu kleine Packungen“, raune ich ihm zu, während ich selbst mit dem Finger über das Regal gleite. Durch seine dicken Brillengläser stiert er auf mich herab, er hat einen Zwerg getroffen, der nach seiner Einschätzung planlos im Regal herumgrabbelt.

Einige Minuten und eine kurze Diskussion über Nagelschellen und Schraubschellen später habe ich ihn soweit. Diesmal schaue ich mich ängstlich um, nehme den Abreißblock für Kleinteile, krame unbeholfen einen Kuli aus der Tasche und schon habe ich seine Adresse. Die nachfolgende Verhandlung über den möglichen Einsatzzeitpunkt kann ich durch ein kleines Vorab-Trinkgeld erheblich verkürzen. Es gelingt mir, den Termin mit dem vorher gebuchten Installateur zu koordinieren.

Weiterhin guten Einkauf wünschend schlendere ich weiter. Eigentlich habe ich für heute mein Team akquiriert, aber auf einmal dringen polnische Wörter an mein Ohr. Mit Polen habe ich gute Erfahrungen gemacht, unauffällig schleiche ich mich an mein neues Opfer heran. In dem etwas heruntergekommenen Hosenanzug wirkt er sehr aktiv, der Zollstock in der Seitentasche und der Cutter in der Brusttasche lassen Innenausbau vermuten. Diese Allrounder kann man immer gebrauchen.

Richtig geraten, gerade kommt sein Kumpel mit einem hochbeladenen Einkaufswagen mit Metallständern, Rigips-Schrauben und Spachtelmasse. Gleich zwei, wie praktisch! Leider verlässt mich mein Glück ein wenig, denn sie sprechen wirklich überhaupt kein Deutsch. Aber so leicht entkommen sie mir nicht. Ich eile an der Kasse vorbei zum Ausgang und setze mich auf einen dort platzierten Blumenkübel.

Es dauert noch eine Viertelstunde, aber dann kommen meine Handwerker aus dem Ausgang heraus und schieben den Wagen in Richtung eines ziemlich rostigen Sprinters. Dort angekommen sperren sie die Tür auf und siehe da: Ein dritter Mann wuchtet sich vom Beifahrersitz, mit dem kann ich mich verständigen, mit wenigen Sätzen habe ich erfahren, dass sie hier in der Gegend für kleines Geld spontan in den Häusern herumrenovieren. Wegen der Sprachbarriere läuft es leider noch nicht so mit den Aufträgen.

Volltreffer! Die Rückseite des Kassenzettels muss herhalten für eine Handynummer und ich bestehe darauf, dass ich mir mal die Baustelle ansehen kann, auf der sie gerade tätig sind. Einen Moment halten sie mich für irgendeine Bauaufsicht, aber nachdem ich ihnen ein Bild von meinem Badezimmer gezeigt habe und sie in polnischer Diskussion über das Vorgehen zur Neugestaltung der Fliesen und Duschabtrennung abgestimmt haben, bin ich mit ihnen im Geschäft.

Zufrieden lasse ich sie ihre Ware in den Wagen packen, überlege, ob ich noch weitere Handwerker brauche, ob ich sicherheitshalber noch einen weiteren Installateur oder Elektriker daten soll oder ob ich mein Tagwerk für heute vollbracht habe.

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