Montag, 17. Februar 2025

Stichwort: Stolz

Stichwort: Stolz
Ich bin schon stolz, ein Deutscher zu sein. Ich wurde hier geboren, meine Eltern leben in einer Gegend, die man von Grenzen umgeben als "Deutschland" bezeichnet, und ich habe mein bisheriges Leben im Wesentlichen auch hier verbracht. Das ist sicher eine tolle Leistung. Wie auch mein Aussehen, auf das ich auch sehr stolz bin, denn von Geburt an bin ich gerade gewachsen, habe ein freundliches Gesicht, einen wohlgeformten Körper und weitgehend glatte Haut. Gewiss auch dies eine Leistung, die anerkennenswert ist.

Ironie? Ja, natürlich! Was sich durch Zufall ergeben hat oder mir durch irgendwelche Mechanismen wie Erbgut in die Wiege gelegt worden ist, das ist ja weder von mir beeinflusst worden noch habe ich irgendwas dazu beigetragen. Ich habe es einfach so empfangen, habe vielleicht "Glück gehabt". Dieses Glück kann ich durchaus genießen, mich an den Tatsachen wie Geburtsland oder Körperbau erfreuen. Aber mit welcher Begründung dürfte ich darauf stolz sein?

Ein Blick auf Kinder. Wenn sie auf die Welt kommen, können sie nicht viel mehr als atmen, strampeln und verdauen. Aber über mehr oder weniger komplexe Mechanismen eignen sie sich im Laufe der Entwicklung allerlei Fähigkeiten an. Sie lernen zu kommunizieren, können sich nach einiger Zeit auf zwei Beinen fortbewegen und später dann in Gemeinschaften einbringen. Das sind Fertigkeiten, die sie sich zum Teil recht mühsam und in einem aufwändigen Feedback-Prozess selbst erarbeitet haben. Worauf sie stolz sind: "Schau mal, Papa, ich kann schon ..."

Ein Kind ist zunächst auch gar nicht stolz auf sein Vaterland, sein Aussehen oder irgendwelche anderen zufälligen Fakten. Was zählt, ist die eigene Leistung, das selbst Erreichte und das daraus resultierende Feedback. Und genau das müssen wir uns auch als Erwachsene erhalten. Wer sich nur umschaut und erwartet, dass andere Individuen oder eine Gesellschaft etwas voranbringt, der hat kein Recht, auf diese Fremdleistung stolz zu sein. Wenn Politiker im Wahlkampf also ein Land versprechen, auf das man "wieder stolz sein kann", dann wird den Wählern die Verantwortung für das Erreichen dieses Zieles abgenommen. Vielmehr wird eine unrealistische Konsumentenhaltung propagiert, in der viele Bürger sich wohl fühlen und am Ende das Versprochene einklagen.

Bringt unser Land (in seinen in gewissem Sinne zufällig und historisch gewachsenen Grenzen) nicht die Performance, auf die wir stolz sein können, dann liegt es nicht an einem Mangel bei der arbeitenden Bevölkerung, sondern an den Politikern. So zumindest die Sicht der Wähler, die dem Slogan gefolgt sind. Und natürlich wollen sie ihren Stolz nicht mit denen teilen, die zufälligerweise in einem anderen Land zur Welt gekommen sind. Wenn ich mir ein tolles Auto gekauft habe, will ich ja auch nicht, dass mein Nachbar stolz darauf ist.

Um ein wirtschaftlich erfolgreiches Land zu haben, müssen wir auf die Lieferanten schauen. Und das sind nicht die Politiker, sondern die Bürger, nämlich jeder einzelne von ihnen. Der Slogan müsste also eher heißen: "Schafft ein Land, auf das wir stolz sein können - wir helfen euch dabei."

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