„Lass uns mal von der Sachebene zur Beziehungsebene wechseln“, sagt mein Sohn zu mir. Das sind die Momente, wenn die Kinder anfangen wie Erwachsene zu reden. Wenn sie nicht nur Rabää machen und ihren Teddy an sich drücken. Beziehungsebene also. „Ja“, sage ich, „ja, was gibt es denn von der Beziehungsebene?“ „Ich bin jetzt mit Jutta zusammen.“
Wie schön, denke ich, mit irgendwem ist er sicherlich zusammen. Schließlich sind ja ständig irgendwelche Mädchen zu Besuch. Welche davon mag Jutta sein, die Dunkelhaarige mit den blauen Augen oder diese temperamentvolle Kleine? „Prima“, sage ich, „gehört sie auch mit zur Clique?“
Meine Frau würde jetzt ganz andere Fragen stellen, was macht sie, wo geht sie zur Schule, was mag sie und welche Berufe haben die Eltern. Und wie alt sind die, wo wohnen sie. „Ja“, höre ich meinen Sohn sagen, „sie war mit Marc zusammen, aber der hat bei der letzten Party so lange mit Christina geknutscht bis Jutta ihm eine gescheuert hat und dann heulend im Klo verschwunden ist. Ich habe sie da rausgeholt und ich weiß auch nicht, jedenfalls haben wir dann Shots getrunken und so.“
Ich denke zurück an meine Partys. Das war auch nicht anders, irgendwo gab es einen Plattenspieler, ein paar Boxen, die einer von uns beim Vater ausgeliehen hatte, Musik so laut die Anlage es hergab. Und auf durchgesessenen Sofas in irgendwelchen Schummerecken Pärchen. „Was hört Jutta denn so an Musik?“ – „Das ist ja gerade das Coole: Sie hört auch Nickelback. Wir haben überlegt, ob wir mal zusammen auf ein Konzert gehen.“
Aha, daher weht also der Wind. Geht es um meine Einwilligung oder um die Bezahlung der Karten? Mal antesten, „Oh ja, Nickelback ist klasse. Wo spielen die denn, Mama und ich könnten ja auch mitkommen.“ Ich verkneife mir das Grinsen während mein Sohn kurz um Fassung ringt und mir dann wortreich erklärt, warum so ein Konzert gar nichts für Eltern ist. Oder für meine Generation, wie er sich ausdrückt. Wir spielen noch ein Weilchen Katz und Maus, dann entlasse ich ihn mit den Worten, dass wir ja vorher einfach schon mal Kaffeetrinken könnten.
Und dann kam Jutta. Es war weder die Dunkelhaarige noch die Kleine, sondern eine sehr ruhige Blondine mit auffallend muskulösem Oberkörper. Ein paar Stücke Kuchen später und bei einem Tee wussten meine Frau und ich Alter, Straße, Hobbies, Lieblingsessen, Sport und schulische Qualitäten der neuesten Freundin meines Sohnes. Mit gekräuselter Stirn hatte er sie nach zwei Gläsern Cola geschnappt und in Richtung Zimmer verschleppt. Vermutlich waren seine Eltern ihm voll peinlich.
Meine Frau und ich schauten uns an, grinsten und begannen ganz langsam, den Tisch abzuräumen. Meine Gedanken verloren sich in die Zeit vor meiner Ehe, noch weit davor, als die Mädchen ins Kinderzimmer kamen, wir Bücher tauschten, Karten spielten und Kissenschlachten veranstalteten – was meine Mutter immer ziemlich nervte. Besonders, wenn nach dem Toben die Bluse nicht mehr ganz richtig zugeknüpft war.
Gegen Abend hörte ich die Haustür gehen, die zwei machten einen Spaziergang. Mein Sohn kam alleine zurück, Abendessen, nicht sehr gesprächig. Das kennen wir schon, wenn mal wieder ein neuer Schwarm in sein Leben tritt. Dann sind seine Gedanken nicht in dieser Welt. Schließlich ist sie da.
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