An manchen Tagen habe ich den Eindruck, die Welt steht still, dann wieder scheint sie sich wie wild zu drehen und alles fliegt nur so dahin. Tatsächlich ist die Zeit im physikalischen Sinn eine Dimension, allerdings ganz anders als die Raumdimensionen. Sie hat im menschlichen Sinn eine strenge Vorzugsrichtung, vergeht unaufhaltsam und wir pflegen sie in die Bereiche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu strukturieren.
Unser Leben ist ein kurzer Abschnitt auf dieser Achse, jeder Mensch erlebt die Zeit zwischen Geburt und Tod als persönliche Erfahrung. Jeder Gedanke an bereits Erlebtes orientiert sich an der Vergangenheit, jeder Versuch die nächste Lebensphase zu planen ist mit Zukunftsüberlegungen gekoppelt.
Alternativ kann man die Zeit aber auch anders wahrnehmen. Man wählt einen gewissen Ort und beobachtet von dort die Veränderung. Ich stelle ich mir vor, ich befände mich in meinem alten Klassenzimmer; vor und auch nach mir haben viele Kinder und Jugendliche dort auf den Stühlen gesessen. Wenn der Raum erzählen könnte, wüsste er so manche Geschichte zu berichten. Die Schülerinnen und Schüler strömen über die Jahre an ihm vorbei. Jugend, so würde er sich vielleicht ausdrücken, ist ein nachwachsender Rohstoff.
Mir gefällt dieser Gedanke, stellt er doch beruhigend heraus, dass die Jugend von heute die Mid-Ager von morgen sind. Und dass ich akzeptieren muss, dass ich diese Lebensphase längst hinter mir gelassen habe. Ein Festhalten an (damaligen) Ritualen, das jugendliche Lebensumfeld und die seinerzeitigen Vorlieben ist irgendwann nicht mehr adäquat. Mit der Zeit verändern sich die Ansprüche, verschieben sich die Werteskalen.
Daneben führt einem das unerbittliche Weiterschreiten auch die Vergänglichkeit vor Augen. Schönheit lässt sich nicht wirklich konservieren, bestenfalls kann man den äußeren Alterungsprozess ein wenig verlangsamen. Und auch hier erzwingt der Zeitverlauf, dass wir uns mit den unumgänglichen Veränderungen arrangieren, zeitlose Qualitäten spielen eine zunehmend wichtigere Rolle. Während unser Körper altert, können Eigenschaften wie Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit bis ins hohe Alter erhalten bleiben.
Neben dem Körper sind aber auch die Psyche und der Geist von der Alterung betroffen. Ich denke nicht nur an Alterskrankheiten, auch die nicht-pathologischen Veränderungen müssen wir als gegeben erkennen und akzeptieren. Vergleichbar unserer Hülle lässt sich vielleicht der Altersstarrsinn ein wenig aufhalten und die Weltoffenheit und Neugierde im Gegenzug konservieren. Aber an die jugendliche Wendigkeit und Lernfähigkeit können wir irgendwann nicht mehr anknüpfen.
Kein Grund zur Sorge. Während Liebreiz in Charisma übergehen kann, ist die Weiterentwicklung von Schulwissen zu Erfahrungsschätzen eine durchaus reizvolle Perspektive.
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