Manchmal lausche ich heimlich. So hörte ich gerade ein Gespräch von zwei Kolleginnen, in dem es um Ernährung und Diät ging. Vom Grundgedanken erinnerte es mich an eine Trennkost-Diät, aber in Details war es dann doch irgendwie anders.
Und beim Versuch, die Ansätze mit mir bekannten Ernährungskonzepten in Einklang zu bringen fiel mir die Business-Diät ein. Kennen Sie nicht? Ich auch nicht, aber ich frage mich, wie sie aussehen könnte. Auf jeden Fall wäre sie kompliziert, man müsste jede Menge Leute einbinden und ohne ausführliche Konzeption ginge gar nichts. Wesentlicher Aspekt auch die Einbindung vorhandener Infrastruktur, also der Kantine.
Projektinitiative nennen wir das. Schön ist, dass es nach Aufbruch klingt, weniger schön, dass es eigentlich nur die Absichtserklärung für einen Aufbruch darstellt. Das Ziel ist indes klar, denn eine Diät dient allerorten zur Verschlankung, beispielsweise der Figur, vielleicht aber auch der Prozesse. So definieren wir uns ein Zielbild und malen Folien und schreiben E-Mails und telefonieren und stimmen uns rundum ab. Beteiligt sind natürlich nicht nur die Abnehmwilligen und deren Führungskräfte, sondern auch die Ernährungsberater, Gutachter, Entscheider, Geldgeber, Mitgeldgeber, Kommunikationsexperten, Betriebsrat, Personalbereich und externe Ratingagenturen nebst Aufsichtsbehörde mit Jahresabschlussprüfern.
Jetzt aber los! Ein großer, geradezu feierlicher Moment: Kick-off. Ab heute wird umgebaut, ähm, nein, die Diät wird konzipiert. Mehr Fleisch auf den Knochen, weniger Speck auf den Rippen heißt die Devise, kurz auf 40 Powerpoint-Folien zusammengefasst. Allgemeines Nicken zur Projektwilligkeit, die eine oder andere Frage zu den Projektkosten. Lässt sich die Mehrausgabe für Vollwertprodukte durch die Einsparung an Gewürzen kompensieren? Und ist die Differenzierung zwischen Currybaum und Pfefferland für unser Unternehmen adäquat?
Und siehe da: Nach wenigen Wochen steht die Konzeptstudie. Erwartungsgemäß ist das Ziel geschärft, die Kosten sind dargestellt und die Entscheidungsvorlage ist bereit. Rein formal das Ganze. Jetzt aber ran! Ein großer, geradezu beeindruckender Moment: Beginn der Umsetzungsphase. Ab heute wird nicht einfach nur weniger gegessen, ähm, nein, die Ernährung wird komplett umgestellt. Und komplett heißt hier wirklich komplett, unter Berücksichtigung der vorhandenen Infrastruk… na, Sie wissen schon.
Der erste Pilotbetrieb rollt an. Tatsächlich: Schlanker! Zumindest stellenweise, will sagen die Beine erscheinen etwas dünner, der Hüftumfang ist unverändert und der Bauch – nun, man kann nicht alle Ziele im ersten Wurf erreichen. Inwieweit die eingesetzte Waage zur Messung der Zielerreichung geeignet ist wird kontrovers diskutiert. Solange hierfür kein Konsens geschaffen werden kann werden die Messwerte vertraulich behandelt. Es läuft auf einen Changerequest hinaus, der das Projektziel anpasst, die Laufzeit erhöht und die Erarbeitung einer Betriebsvereinbarung vorsieht.
Weiter geht’s! Das Projektteam wird um externe Testmanager erweitert und die Management-Attention erhöht. Jeder weiß jetzt, wer abnehmen will – Weight Watchers lassen grüßen – und ob er mit den komplizierten Punktetabellen, Essensregeln und Zeiteinschränkungen zu Recht kommt. Apropos Zeiteinschränkungen: Die Anbindung an die Zeiterfassung wurde leider bei der Planung nicht berücksichtigt, so dass ein zweiter Changerequest ins Haus steht. Angesichts des schleppenden Fortschritts werden in diesem Zusammenhang auch noch der Betriebsarzt, die Sozialberaterin und ein externer Ernährungsspezialist ins Team geholt.
Jetzt läuft es bestens! Während sich alle Un-Beteiligten mit sich selbst beschäftigen und an der Überarbeitung der Konzepte arbeiten, kann der externe Ernährungsspezialist mit dem Betroffenen die Lösung besprechen, vorbereiten und umsetzen. Und so klassisch wie das Problem, so klassisch ist auch die Lösung: Friss-die-Hälfte.
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