Donnerstag, 2. Januar 2020

Fahrstuhlfahren für Wieder-Einsteiger (1/2012)

Fahren Sie auch so gerne Aufzug? Am liebsten nehme ich den Expressaufzug im Westendturm, direkt vom 38. OG hinunter in die Tiefe des Erdgeschosses. Allein dieses Kribbeln und der Druck auf den Ohren, wenn es immer schneller runter geht. Und am Ende dann ein sanftes Abbremsen, versüßt durch die liebevolle Stockwerksansage. Das ist Bunjee-Jumping für Anfänger. Überhaupt wundert es mich, dass es hierzu noch keine Betriebssportgruppe gibt: Fahrstuhlfahren für Wieder-Einsteiger.

Beim Alleinefahren kann man das Schwebegefühl so richtig genießen. Oder raten, wie die Person aussah, die dieses aufdringliche Parfum aufgelegt hatte. Dann gibt es endlich auch die Informationen und Gespräche, die es schlichtweg nur in der Enge einer Aufzugskabine geben kann. Ein schneller Blick auf die Unterlagen einer Mitreisenden; ein Ohr am neusten Klatsch.

Wenn es richtig gut läuft, bleibt der Fahrstuhl irgendwo stecken. Dann sind es nur Augenblicke, bis persönliche Gespräche einsetzen und intimste Gedanken ausgetauscht werden.

Morgens trifft man die ferngesteuerten Kaffee-Junkies. Wie von einer fremden Macht gelenkt laufen sie hinter ihrer dampfenden Kaffeetasse her. Ich hoffe immer, dass die Tasse den Weg zum Arbeitsplatz kennt.
Mittags dann: Eine fröhlich schnatternde Schar, die nur ein Ziel vor Augen hat, nämlich vor den anderen in der Kantine zu sein. Nachmittag: angespannte Stimmung, ordnerbeladen, entscheidungsschwanger.
Schließlich – tata! – die Heimfahrt. Alle schauen gebannt auf den Boden, wie damals beim Klassenlehrer („Wer zeigt mir das mal an der Tafel?“), nur keine Aufmerksamkeit erregen, damit der Fahrstuhl nicht merkt, dass ich ohne Zwischenhalt runter will. Wenn das Erdgeschoss in greifbarer Nähe ist: ausatmen, wieder hoch schauen (den anderen geht es genauso – das ist eine typische Auswirkung der Schwarmintelligenz).

Angekommen – morgen geht es weiter!

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